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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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Kunst, von diesen Gegenständen der Baukunst ablag, ist
seinem Wesen nach asiatischen Ursprunges.

Wie der ewig naturunterwürfige Asiate sich die Herr¬
lichkeit des Menschen endlich nur in diesem einen, unbe¬
dingt herrschenden, dem Despoten, darzustellen vermochte,
so häufte er auch alle Pracht der Umgebung nur um
diesen "Gott auf Erden" an: bei dieser Anhäufung blieb
Alles nur auf Befriedigung desjenigen egoistisch sinnli¬
chen Verlangens berechnet, welches bis zum unmenschlichen
Taumel immer nur sich will, bis zum Rasen nur sich
liebt, und in solchem stets ungestillten Sinnensehnen
Gegenstände über Gegenstände, Massen über Massen häuft,
um der, zum Ungeheuren ausgedehnten Sinnlichkeit
endliche Befriedigung zu gewinnen. Der Luxus ist somit
das Wesen der asiatischen Baukunst: seine monströsen,
geistöden und sinnverwirrenden Geburten sind die stadt¬
ähnlichen Paläste der Despoten Asiens.

Wonnige Ruhe und edles Entzücken faßt uns da¬
gegen beim heitren Anblicke der hellenischen Göttertempel,
in denen wir die Natur, nur durch den Anhauch mensch¬
licher Kunst vergeistigt, wieder erkennen. Der zum volks¬
gemeinschaftlichen Schauplatze höchster menschlicher Kunst
erweiterte Göttertempel war aber das Theater. In ihm
war die Kunst, und zwar die gemeinschaftliche und an
die Gemeinschaftlichkeit sich mittheilende Kunst, sich selbst

Kunſt, von dieſen Gegenſtänden der Baukunſt ablag, iſt
ſeinem Weſen nach aſiatiſchen Urſprunges.

Wie der ewig naturunterwürfige Aſiate ſich die Herr¬
lichkeit des Menſchen endlich nur in dieſem einen, unbe¬
dingt herrſchenden, dem Deſpoten, darzuſtellen vermochte,
ſo häufte er auch alle Pracht der Umgebung nur um
dieſen „Gott auf Erden“ an: bei dieſer Anhäufung blieb
Alles nur auf Befriedigung desjenigen egoiſtiſch ſinnli¬
chen Verlangens berechnet, welches bis zum unmenſchlichen
Taumel immer nur ſich will, bis zum Raſen nur ſich
liebt, und in ſolchem ſtets ungeſtillten Sinnenſehnen
Gegenſtände über Gegenſtände, Maſſen über Maſſen häuft,
um der, zum Ungeheuren ausgedehnten Sinnlichkeit
endliche Befriedigung zu gewinnen. Der Luxus iſt ſomit
das Weſen der aſiatiſchen Baukunſt: ſeine monſtröſen,
geiſtöden und ſinnverwirrenden Geburten ſind die ſtadt¬
ähnlichen Paläſte der Deſpoten Aſiens.

Wonnige Ruhe und edles Entzücken faßt uns da¬
gegen beim heitren Anblicke der helleniſchen Göttertempel,
in denen wir die Natur, nur durch den Anhauch menſch¬
licher Kunſt vergeiſtigt, wieder erkennen. Der zum volks¬
gemeinſchaftlichen Schauplatze höchſter menſchlicher Kunſt
erweiterte Göttertempel war aber das Theater. In ihm
war die Kunſt, und zwar die gemeinſchaftliche und an
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[144/0160] Kunſt, von dieſen Gegenſtänden der Baukunſt ablag, iſt ſeinem Weſen nach aſiatiſchen Urſprunges. Wie der ewig naturunterwürfige Aſiate ſich die Herr¬ lichkeit des Menſchen endlich nur in dieſem einen, unbe¬ dingt herrſchenden, dem Deſpoten, darzuſtellen vermochte, ſo häufte er auch alle Pracht der Umgebung nur um dieſen „Gott auf Erden“ an: bei dieſer Anhäufung blieb Alles nur auf Befriedigung desjenigen egoiſtiſch ſinnli¬ chen Verlangens berechnet, welches bis zum unmenſchlichen Taumel immer nur ſich will, bis zum Raſen nur ſich liebt, und in ſolchem ſtets ungeſtillten Sinnenſehnen Gegenſtände über Gegenſtände, Maſſen über Maſſen häuft, um der, zum Ungeheuren ausgedehnten Sinnlichkeit endliche Befriedigung zu gewinnen. Der Luxus iſt ſomit das Weſen der aſiatiſchen Baukunſt: ſeine monſtröſen, geiſtöden und ſinnverwirrenden Geburten ſind die ſtadt¬ ähnlichen Paläſte der Deſpoten Aſiens. Wonnige Ruhe und edles Entzücken faßt uns da¬ gegen beim heitren Anblicke der helleniſchen Göttertempel, in denen wir die Natur, nur durch den Anhauch menſch¬ licher Kunſt vergeiſtigt, wieder erkennen. Der zum volks¬ gemeinſchaftlichen Schauplatze höchſter menſchlicher Kunſt erweiterte Göttertempel war aber das Theater. In ihm war die Kunſt, und zwar die gemeinſchaftliche und an die Gemeinſchaftlichkeit ſich mittheilende Kunſt, ſich ſelbſt

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/160>, abgerufen am 06.05.2024.