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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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Oceans wollte er ermessen, das Land finden, das jenseits der
Wasserwüsten liegen mußte.

So drang der Meister durch die unerhörtesten Mög¬
lichkeiten der absoluten Tonsprache, -- nicht, indem er an
ihnen flüchtig vorbeischlüpfte, sondern indem er sie voll¬
ständig, bis zu ihrem letzten Laute, aus tiefster Herzens¬
fülle aussprach, -- bis dahin vor, wo der Seefahrer mit
dem Senkblei die Meerestiefe zu messen beginnt; wo er im
weit vorgestreckten Strande des neuen Continentes die
immer wachsende Höhe festen Grundes berührt; wo er
sich zu entscheiden hat; ob er in den bodenlosen Ozean um¬
kehren, oder an dem neuen Gestade Anker werfen will.
Nicht rohe Meerlaune hatte den Meister aber zu so weiter
Fahrt getrieben; er mußte und wollte in der neuen Welt
landen, denn nach ihr nur hatte er die Fahrt unter¬
nommen. Rüstig warf er den Anker aus, und dieser
Anker war das Wort. Dieses Wort war aber nicht jenes
willkürliche, bedeutungslose, wie es im Munde des Mode¬
sängers eben nur als Knorpel des Stimmtones hin- und
hergekäut wird; sondern das nothwendige, allmächtige, all¬
vereinende, in das der ganze Strom der vollsten Herzens¬
empfindung sich zu ergießen vermag; der sichere Hafen für
den unstet Schweifenden; das Licht, das der Nacht unend¬
lichen Sehnens leuchtet: das Wort das der erlöste Welt¬
mensch aus der Fülle des Weltherzens ausruft, das Beet¬

Oceans wollte er ermeſſen, das Land finden, das jenſeits der
Waſſerwüſten liegen mußte.

So drang der Meiſter durch die unerhörteſten Mög¬
lichkeiten der abſoluten Tonſprache, — nicht, indem er an
ihnen flüchtig vorbeiſchlüpfte, ſondern indem er ſie voll¬
ſtändig, bis zu ihrem letzten Laute, aus tiefſter Herzens¬
fülle ausſprach, — bis dahin vor, wo der Seefahrer mit
dem Senkblei die Meerestiefe zu meſſen beginnt; wo er im
weit vorgeſtreckten Strande des neuen Continentes die
immer wachſende Höhe feſten Grundes berührt; wo er
ſich zu entſcheiden hat; ob er in den bodenloſen Ozean um¬
kehren, oder an dem neuen Geſtade Anker werfen will.
Nicht rohe Meerlaune hatte den Meiſter aber zu ſo weiter
Fahrt getrieben; er mußte und wollte in der neuen Welt
landen, denn nach ihr nur hatte er die Fahrt unter¬
nommen. Rüſtig warf er den Anker aus, und dieſer
Anker war das Wort. Dieſes Wort war aber nicht jenes
willkürliche, bedeutungsloſe, wie es im Munde des Mode¬
ſängers eben nur als Knorpel des Stimmtones hin- und
hergekäut wird; ſondern das nothwendige, allmächtige, all¬
vereinende, in das der ganze Strom der vollſten Herzens¬
empfindung ſich zu ergießen vermag; der ſichere Hafen für
den unſtet Schweifenden; das Licht, das der Nacht unend¬
lichen Sehnens leuchtet: das Wort das der erlöſte Welt¬
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[93/0109] Oceans wollte er ermeſſen, das Land finden, das jenſeits der Waſſerwüſten liegen mußte. So drang der Meiſter durch die unerhörteſten Mög¬ lichkeiten der abſoluten Tonſprache, — nicht, indem er an ihnen flüchtig vorbeiſchlüpfte, ſondern indem er ſie voll¬ ſtändig, bis zu ihrem letzten Laute, aus tiefſter Herzens¬ fülle ausſprach, — bis dahin vor, wo der Seefahrer mit dem Senkblei die Meerestiefe zu meſſen beginnt; wo er im weit vorgeſtreckten Strande des neuen Continentes die immer wachſende Höhe feſten Grundes berührt; wo er ſich zu entſcheiden hat; ob er in den bodenloſen Ozean um¬ kehren, oder an dem neuen Geſtade Anker werfen will. Nicht rohe Meerlaune hatte den Meiſter aber zu ſo weiter Fahrt getrieben; er mußte und wollte in der neuen Welt landen, denn nach ihr nur hatte er die Fahrt unter¬ nommen. Rüſtig warf er den Anker aus, und dieſer Anker war das Wort. Dieſes Wort war aber nicht jenes willkürliche, bedeutungsloſe, wie es im Munde des Mode¬ ſängers eben nur als Knorpel des Stimmtones hin- und hergekäut wird; ſondern das nothwendige, allmächtige, all¬ vereinende, in das der ganze Strom der vollſten Herzens¬ empfindung ſich zu ergießen vermag; der ſichere Hafen für den unſtet Schweifenden; das Licht, das der Nacht unend¬ lichen Sehnens leuchtet: das Wort das der erlöſte Welt¬ menſch aus der Fülle des Weltherzens ausruft, das Beet¬

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/109>, abgerufen am 25.11.2024.