Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Fiskal. Unter diesem Schein ließen sie sie we-
nigstens ausrufen.
Fr. Humbrecht. Und der Mann da hat sie
vermuthlich gefunden? -- das versprochene Trink-
geld --
(sucht in der Tasche.)
Fiskal. Nein, er nicht Frau Humbrecht! ich
eher; das Trinkgeld spahren sie also. Nun wär
ich zwar freilich nicht schuldig zu sagen, wie ich
sie ans Tageslicht gebracht; damit sie mich aber nicht
etwa für einen Hexenmeister halten, will ich ihnen
gestehn, wies zugieng. -- Mein Amt bringts mit
sich, daß ich Augen und Ohren allerwärts haben
muß, da hört ich nun auch eben diese Dose aus-
rufen; ich notirte mir, wie ich mehr thue, die Kenn-
zeichen, und da wir vor einigen Tagen bey einem
schlechten Weibsbild, das sich über den Rhein
machen wollte, unter andern Sachen auch die
Dose fanden, so schickte ich nach dem Ausschreyer,
und nahm seine Aussage, wem sie zugehört, ad
protocollum;
noch war nöthig, daß sie sie agno-
scirten, das ist nun geschehn, und jetzt bitt ich mir
sie wieder zurück aus --
Fr. Humbrecht. Wie so! ist sie nicht mein?
Fiskal. Gewesen, ja! Jetzt aber gehört sie
zum corpus delicti und muß bis zum Endspruch
in den Händen der Gerechtigkeit deponirt bleiben.
Wollen sie denn die Unkosten pro rata bezahlen,
so können sie sie wieder kriegen. -- (Frau Hum-
brecht giebt sie ihm wieder.)
Jndessen kann ich ih-
nen im Vertrauen sagen, sie haben sie nicht ver-
loh-


Fiskal. Unter dieſem Schein ließen ſie ſie we-
nigſtens ausrufen.
Fr. Humbrecht. Und der Mann da hat ſie
vermuthlich gefunden? — das verſprochene Trink-
geld —
(ſucht in der Taſche.)
Fiskal. Nein, er nicht Frau Humbrecht! ich
eher; das Trinkgeld ſpahren ſie alſo. Nun waͤr
ich zwar freilich nicht ſchuldig zu ſagen, wie ich
ſie ans Tageslicht gebracht; damit ſie mich aber nicht
etwa fuͤr einen Hexenmeiſter halten, will ich ihnen
geſtehn, wies zugieng. — Mein Amt bringts mit
ſich, daß ich Augen und Ohren allerwaͤrts haben
muß, da hoͤrt ich nun auch eben dieſe Doſe aus-
rufen; ich notirte mir, wie ich mehr thue, die Kenn-
zeichen, und da wir vor einigen Tagen bey einem
ſchlechten Weibsbild, das ſich uͤber den Rhein
machen wollte, unter andern Sachen auch die
Doſe fanden, ſo ſchickte ich nach dem Ausſchreyer,
und nahm ſeine Ausſage, wem ſie zugehoͤrt, ad
protocollum;
noch war noͤthig, daß ſie ſie agno-
ſcirten, das iſt nun geſchehn, und jetzt bitt ich mir
ſie wieder zuruͤck aus —
Fr. Humbrecht. Wie ſo! iſt ſie nicht mein?
Fiskal. Geweſen, ja! Jetzt aber gehoͤrt ſie
zum corpus delicti und muß bis zum Endſpruch
in den Haͤnden der Gerechtigkeit deponirt bleiben.
Wollen ſie denn die Unkoſten pro rata bezahlen,
ſo koͤnnen ſie ſie wieder kriegen. — (Frau Hum-
brecht giebt ſie ihm wieder.)
Jndeſſen kann ich ih-
nen im Vertrauen ſagen, ſie haben ſie nicht ver-
loh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0097" n="95"/>
        <fw place="top" type="header">
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </fw>
        <sp who="#FIS">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fiskal.</hi> </speaker>
          <p>Unter die&#x017F;em Schein ließen &#x017F;ie &#x017F;ie we-<lb/>
nig&#x017F;tens ausrufen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Und der Mann da hat &#x017F;ie<lb/>
vermuthlich gefunden? &#x2014; das ver&#x017F;prochene Trink-<lb/>
geld &#x2014;</p>
          <stage>(&#x017F;ucht in der Ta&#x017F;che.)</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FIS">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fiskal.</hi> </speaker>
          <p>Nein, er nicht Frau Humbrecht! ich<lb/>
eher; das Trinkgeld &#x017F;pahren &#x017F;ie al&#x017F;o. Nun wa&#x0364;r<lb/>
ich zwar freilich nicht &#x017F;chuldig zu &#x017F;agen, wie ich<lb/>
&#x017F;ie ans Tageslicht gebracht; damit &#x017F;ie mich aber nicht<lb/>
etwa fu&#x0364;r einen Hexenmei&#x017F;ter halten, will ich ihnen<lb/>
ge&#x017F;tehn, wies zugieng. &#x2014; Mein Amt bringts mit<lb/>
&#x017F;ich, daß ich Augen und Ohren allerwa&#x0364;rts haben<lb/>
muß, da ho&#x0364;rt ich nun auch eben die&#x017F;e Do&#x017F;e aus-<lb/>
rufen; ich notirte mir, wie ich mehr thue, die Kenn-<lb/>
zeichen, und da wir vor einigen Tagen bey einem<lb/>
&#x017F;chlechten Weibsbild, das &#x017F;ich u&#x0364;ber den Rhein<lb/>
machen wollte, unter andern Sachen auch die<lb/>
Do&#x017F;e fanden, &#x017F;o &#x017F;chickte ich nach dem Aus&#x017F;chreyer,<lb/>
und nahm &#x017F;eine Aus&#x017F;age, wem &#x017F;ie zugeho&#x0364;rt, <hi rendition="#aq">ad<lb/>
protocollum;</hi> noch war no&#x0364;thig, daß &#x017F;ie &#x017F;ie agno-<lb/>
&#x017F;cirten, das i&#x017F;t nun ge&#x017F;chehn, und jetzt bitt ich mir<lb/>
&#x017F;ie wieder zuru&#x0364;ck aus &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Wie &#x017F;o! i&#x017F;t &#x017F;ie nicht mein?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FIS">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fiskal.</hi> </speaker>
          <p>Gewe&#x017F;en, ja! Jetzt aber geho&#x0364;rt &#x017F;ie<lb/>
zum <hi rendition="#aq">corpus delicti</hi> und muß bis zum End&#x017F;pruch<lb/>
in den Ha&#x0364;nden der Gerechtigkeit deponirt bleiben.<lb/>
Wollen &#x017F;ie denn die Unko&#x017F;ten <hi rendition="#aq">pro rata</hi> bezahlen,<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie &#x017F;ie wieder kriegen. &#x2014; <stage>(Frau Hum-<lb/>
brecht giebt &#x017F;ie ihm wieder.)</stage> Jnde&#x017F;&#x017F;en kann ich ih-<lb/>
nen im Vertrauen &#x017F;agen, &#x017F;ie haben &#x017F;ie nicht ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">loh-</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0097] Fiskal. Unter dieſem Schein ließen ſie ſie we- nigſtens ausrufen. Fr. Humbrecht. Und der Mann da hat ſie vermuthlich gefunden? — das verſprochene Trink- geld — (ſucht in der Taſche.) Fiskal. Nein, er nicht Frau Humbrecht! ich eher; das Trinkgeld ſpahren ſie alſo. Nun waͤr ich zwar freilich nicht ſchuldig zu ſagen, wie ich ſie ans Tageslicht gebracht; damit ſie mich aber nicht etwa fuͤr einen Hexenmeiſter halten, will ich ihnen geſtehn, wies zugieng. — Mein Amt bringts mit ſich, daß ich Augen und Ohren allerwaͤrts haben muß, da hoͤrt ich nun auch eben dieſe Doſe aus- rufen; ich notirte mir, wie ich mehr thue, die Kenn- zeichen, und da wir vor einigen Tagen bey einem ſchlechten Weibsbild, das ſich uͤber den Rhein machen wollte, unter andern Sachen auch die Doſe fanden, ſo ſchickte ich nach dem Ausſchreyer, und nahm ſeine Ausſage, wem ſie zugehoͤrt, ad protocollum; noch war noͤthig, daß ſie ſie agno- ſcirten, das iſt nun geſchehn, und jetzt bitt ich mir ſie wieder zuruͤck aus — Fr. Humbrecht. Wie ſo! iſt ſie nicht mein? Fiskal. Geweſen, ja! Jetzt aber gehoͤrt ſie zum corpus delicti und muß bis zum Endſpruch in den Haͤnden der Gerechtigkeit deponirt bleiben. Wollen ſie denn die Unkoſten pro rata bezahlen, ſo koͤnnen ſie ſie wieder kriegen. — (Frau Hum- brecht giebt ſie ihm wieder.) Jndeſſen kann ich ih- nen im Vertrauen ſagen, ſie haben ſie nicht ver- loh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/97
Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/97>, abgerufen am 23.11.2024.