Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776. Fr. Humbrecht. Ach! ich saß ja noch ganz spät bey ihr -- Magister. Und den Morgen? -- Fr. Humbrecht. Dacht ich, sie schlief noch, wie sonst. -- Da ist sie in aller Früh, wie ich von der Magd höre, ganz kunsternirt zum Hauß hinaus gegangen. -- Wenn sie sich nur nicht ins Wasser gestürzt hat! -- sie war ein paar Wochen her wieder so melancholisch -- Humbrecht Der Teufel soll die Melancholie hohlen, die Händ und Füß hat! -- Jch bin vor den Kopf geschlagen, wie ein Ochs -- Schick den Augenblick bey allen Bekannten herum, ob sie nicht da ist, ich will selbst hinten hinaus zu deiner Schwester springen -- (sie will abgehn, er lauft ihr vor und sagt,) bleib nur, ich wills der Magd selbst sagen. -- Jm Augenblick bin ich wieder da, Vetter! (ab.) Fr. Humbrecht (stolpert im Rückweg über die Dose, guckt darnach, hebt sie auf.) Gott! meine To- backsbüchse, die ich ausrufen ließ, wie kommt die hieher? Magister. Ein Fausthammer brachte sie, von Polizeywegen; ihr Mann, der, wie er sagte, schon längst einen Groll auf ihn hatte, prügelte ihn, da ließ er sie vor Schrecken fallen, und lief fort. Fr. Humbrecht. So kommt denn alles zu- sammen! (steckt sie ein.) -- Wer hätte so was ge- dacht, Herr Vetter! (Magister zuckt die Achseln.) -- Aber noch kann ichs nicht glauben, und kanns nicht
Fr. Humbrecht. Ach! ich ſaß ja noch ganz ſpaͤt bey ihr — Magiſter. Und den Morgen? — Fr. Humbrecht. Dacht ich, ſie ſchlief noch, wie ſonſt. — Da iſt ſie in aller Fruͤh, wie ich von der Magd hoͤre, ganz kunſternirt zum Hauß hinaus gegangen. — Wenn ſie ſich nur nicht ins Waſſer geſtuͤrzt hat! — ſie war ein paar Wochen her wieder ſo melancholiſch — Humbrecht Der Teufel ſoll die Melancholie hohlen, die Haͤnd und Fuͤß hat! — Jch bin vor den Kopf geſchlagen, wie ein Ochs — Schick den Augenblick bey allen Bekannten herum, ob ſie nicht da iſt, ich will ſelbſt hinten hinaus zu deiner Schweſter ſpringen — (ſie will abgehn, er lauft ihr vor und ſagt,) bleib nur, ich wills der Magd ſelbſt ſagen. — Jm Augenblick bin ich wieder da, Vetter! (ab.) Fr. Humbrecht (ſtolpert im Ruͤckweg uͤber die Doſe, guckt darnach, hebt ſie auf.) Gott! meine To- backsbuͤchſe, die ich ausrufen ließ, wie kommt die hieher? Magiſter. Ein Fauſthammer brachte ſie, von Polizeywegen; ihr Mann, der, wie er ſagte, ſchon laͤngſt einen Groll auf ihn hatte, pruͤgelte ihn, da ließ er ſie vor Schrecken fallen, und lief fort. Fr. Humbrecht. So kommt denn alles zu- ſammen! (ſteckt ſie ein.) — Wer haͤtte ſo was ge- dacht, Herr Vetter! (Magiſter zuckt die Achſeln.) — Aber noch kann ichs nicht glauben, und kanns nicht
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wie ſonſt. — Da iſt ſie in aller Fruͤh, wie ich
von der Magd hoͤre, ganz kunſternirt zum Hauß
hinaus gegangen. — Wenn ſie ſich nur nicht ins
Waſſer geſtuͤrzt hat! — ſie war ein paar Wochen
her wieder ſo melancholiſch —
Humbrecht Der Teufel ſoll die Melancholie
hohlen, die Haͤnd und Fuͤß hat! — Jch bin vor
den Kopf geſchlagen, wie ein Ochs — Schick den
Augenblick bey allen Bekannten herum, ob ſie nicht
da iſt, ich will ſelbſt hinten hinaus zu deiner
Schweſter ſpringen — (ſie will abgehn, er lauft ihr
vor und ſagt,) bleib nur, ich wills der Magd ſelbſt
ſagen. — Jm Augenblick bin ich wieder da, Vetter!
(ab.)
Fr. Humbrecht (ſtolpert im Ruͤckweg uͤber die
Doſe, guckt darnach, hebt ſie auf.) Gott! meine To-
backsbuͤchſe, die ich ausrufen ließ, wie kommt die
hieher?
Magiſter. Ein Fauſthammer brachte ſie, von
Polizeywegen; ihr Mann, der, wie er ſagte, ſchon
laͤngſt einen Groll auf ihn hatte, pruͤgelte ihn, da
ließ er ſie vor Schrecken fallen, und lief fort.
Fr. Humbrecht. So kommt denn alles zu-
ſammen! (ſteckt ſie ein.) — Wer haͤtte ſo was ge-
dacht, Herr Vetter! (Magiſter zuckt die Achſeln.)
— Aber noch kann ichs nicht glauben, und kanns
nicht
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