Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


von ihrer gewesenen Jungfer, von's Humbrecht
seiner Tochter red ich.
Evchen. Nun, ist denn die es?
Fr. Marthan. Sie ists, und ists nicht. --
Freilich die Gurgel selbst hat sie ihr nicht abge-
schnitten, aber -- das Messer nah genug doch
dran gesetzt. -- Hätt sie sich in der Ordnung auf-
geführt, so wär ihre Mutter nicht vor lauter Scha-
grin gestorben --
Evchen. Meine Mutter! gestorben! -- und
ich schuld dran.
(sinkt in die Kniee, und fällt zur Er-
den, Frau Marthan lauft ihr zu Hülf.)
Fr. Marthan. Barmherziger Gott! was soll
das denn seyn? das Mensch macht mir angst und
bang. -- (setzt sie wieder aufs Bett.) -- Wer sagt
denn von ihr, oder von ihrer Mutter? -- bald
hätt ich Lust sie in Spital tragen zu lassen, eh sie
mir noch einmal so einen Schrecken einjagt. Bin,
Gott weiß es! ganz vergellstert! -- Wie oft soll
ichs ihr noch sagen, daß ich von Humbrechts Mä-
del red und nit von ihr? -- Deren ihr Mutter
ist gestern begraben worden, nicht ihre, die kenn
ich ja nit, weiß ja noch nit einmal, wo sie her
ist. -- Der Vater, der Metzger, hat hundert Tha-
ler versprochen, wer ihm Nachricht von seiner
Tochter bringt. Ein schönes Geld! das kriegen
die Schiffischen jetzt, die sie gefunden haben. --
Evchen (stuzt, denkt eine kleine Weile bey sich selbst
nach.)
Wollt sie dies Geld wohl verdienen, Frau
Marthan? -- könnts ihr wohl was helfen? --
hundert


von ihrer geweſenen Jungfer, von’s Humbrecht
ſeiner Tochter red ich.
Evchen. Nun, iſt denn die es?
Fr. Marthan. Sie iſts, und iſts nicht. —
Freilich die Gurgel ſelbſt hat ſie ihr nicht abge-
ſchnitten, aber — das Meſſer nah genug doch
dran geſetzt. — Haͤtt ſie ſich in der Ordnung auf-
gefuͤhrt, ſo waͤr ihre Mutter nicht vor lauter Scha-
grin geſtorben —
Evchen. Meine Mutter! geſtorben! — und
ich ſchuld dran.
(ſinkt in die Kniee, und faͤllt zur Er-
den, Frau Marthan lauft ihr zu Huͤlf.)
Fr. Marthan. Barmherziger Gott! was ſoll
das denn ſeyn? das Menſch macht mir angſt und
bang. — (ſetzt ſie wieder aufs Bett.) — Wer ſagt
denn von ihr, oder von ihrer Mutter? — bald
haͤtt ich Luſt ſie in Spital tragen zu laſſen, eh ſie
mir noch einmal ſo einen Schrecken einjagt. Bin,
Gott weiß es! ganz vergellſtert! — Wie oft ſoll
ichs ihr noch ſagen, daß ich von Humbrechts Maͤ-
del red und nit von ihr? — Deren ihr Mutter
iſt geſtern begraben worden, nicht ihre, die kenn
ich ja nit, weiß ja noch nit einmal, wo ſie her
iſt. — Der Vater, der Metzger, hat hundert Tha-
ler verſprochen, wer ihm Nachricht von ſeiner
Tochter bringt. Ein ſchoͤnes Geld! das kriegen
die Schiffiſchen jetzt, die ſie gefunden haben. —
Evchen (ſtuzt, denkt eine kleine Weile bey ſich ſelbſt
nach.)
Wollt ſie dies Geld wohl verdienen, Frau
Marthan? — koͤnnts ihr wohl was helfen? —
hundert
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#MART">
          <p><pb facs="#f0110" n="108"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> von ihrer gewe&#x017F;enen Jungfer, von&#x2019;s Humbrecht<lb/>
&#x017F;einer Tochter red ich.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen.</hi> </speaker>
          <p>Nun, i&#x017F;t denn die es?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MART">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Marthan.</hi> </speaker>
          <p>Sie i&#x017F;ts, und i&#x017F;ts nicht. &#x2014;<lb/>
Freilich die Gurgel &#x017F;elb&#x017F;t hat &#x017F;ie ihr nicht abge-<lb/>
&#x017F;chnitten, aber &#x2014; das Me&#x017F;&#x017F;er nah genug doch<lb/>
dran ge&#x017F;etzt. &#x2014; Ha&#x0364;tt &#x017F;ie &#x017F;ich in der Ordnung auf-<lb/>
gefu&#x0364;hrt, &#x017F;o wa&#x0364;r ihre Mutter nicht vor lauter Scha-<lb/>
grin ge&#x017F;torben &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen.</hi> </speaker>
          <p>Meine Mutter! ge&#x017F;torben! &#x2014; und<lb/>
ich &#x017F;chuld dran.</p>
          <stage>(&#x017F;inkt in die Kniee, und fa&#x0364;llt zur Er-<lb/>
den, Frau Marthan lauft ihr zu Hu&#x0364;lf.)</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MART">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Marthan.</hi> </speaker>
          <p>Barmherziger Gott! was &#x017F;oll<lb/><hi rendition="#fr">das</hi> denn &#x017F;eyn? das Men&#x017F;ch macht mir ang&#x017F;t und<lb/>
bang. &#x2014; <stage>(&#x017F;etzt &#x017F;ie wieder aufs Bett.)</stage> &#x2014; Wer &#x017F;agt<lb/>
denn von <hi rendition="#fr">ihr,</hi> oder von <hi rendition="#fr">ihrer</hi> Mutter? &#x2014; bald<lb/>
ha&#x0364;tt ich Lu&#x017F;t &#x017F;ie in Spital tragen zu la&#x017F;&#x017F;en, eh &#x017F;ie<lb/>
mir noch einmal &#x017F;o einen Schrecken einjagt. Bin,<lb/>
Gott weiß es! ganz vergell&#x017F;tert! &#x2014; Wie oft &#x017F;oll<lb/>
ichs ihr noch &#x017F;agen, daß ich von Humbrechts Ma&#x0364;-<lb/>
del red und nit von <hi rendition="#fr">ihr? &#x2014; Deren</hi> ihr Mutter<lb/>
i&#x017F;t ge&#x017F;tern begraben worden, nicht <hi rendition="#fr">ihre,</hi> die kenn<lb/>
ich ja nit, weiß ja noch nit einmal, wo &#x017F;ie her<lb/>
i&#x017F;t. &#x2014; Der Vater, der Metzger, hat hundert Tha-<lb/>
ler ver&#x017F;prochen, wer ihm Nachricht von &#x017F;einer<lb/>
Tochter bringt. Ein &#x017F;cho&#x0364;nes Geld! das kriegen<lb/>
die Schiffi&#x017F;chen jetzt, die &#x017F;ie gefunden haben. &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen</hi> </speaker>
          <stage>(&#x017F;tuzt, denkt eine kleine Weile bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach.)</stage>
          <p>Wollt &#x017F;ie dies Geld wohl verdienen, Frau<lb/>
Marthan? &#x2014; ko&#x0364;nnts ihr wohl was helfen? &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hundert</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0110] von ihrer geweſenen Jungfer, von’s Humbrecht ſeiner Tochter red ich. Evchen. Nun, iſt denn die es? Fr. Marthan. Sie iſts, und iſts nicht. — Freilich die Gurgel ſelbſt hat ſie ihr nicht abge- ſchnitten, aber — das Meſſer nah genug doch dran geſetzt. — Haͤtt ſie ſich in der Ordnung auf- gefuͤhrt, ſo waͤr ihre Mutter nicht vor lauter Scha- grin geſtorben — Evchen. Meine Mutter! geſtorben! — und ich ſchuld dran. (ſinkt in die Kniee, und faͤllt zur Er- den, Frau Marthan lauft ihr zu Huͤlf.) Fr. Marthan. Barmherziger Gott! was ſoll das denn ſeyn? das Menſch macht mir angſt und bang. — (ſetzt ſie wieder aufs Bett.) — Wer ſagt denn von ihr, oder von ihrer Mutter? — bald haͤtt ich Luſt ſie in Spital tragen zu laſſen, eh ſie mir noch einmal ſo einen Schrecken einjagt. Bin, Gott weiß es! ganz vergellſtert! — Wie oft ſoll ichs ihr noch ſagen, daß ich von Humbrechts Maͤ- del red und nit von ihr? — Deren ihr Mutter iſt geſtern begraben worden, nicht ihre, die kenn ich ja nit, weiß ja noch nit einmal, wo ſie her iſt. — Der Vater, der Metzger, hat hundert Tha- ler verſprochen, wer ihm Nachricht von ſeiner Tochter bringt. Ein ſchoͤnes Geld! das kriegen die Schiffiſchen jetzt, die ſie gefunden haben. — Evchen (ſtuzt, denkt eine kleine Weile bey ſich ſelbſt nach.) Wollt ſie dies Geld wohl verdienen, Frau Marthan? — koͤnnts ihr wohl was helfen? — hundert

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/110
Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/110>, abgerufen am 01.05.2024.