pwa_407.001 übergehn zu lassen, also in das Leblose und unbewegt Verweilende pwa_407.002 einen historischen Fortschritt, eine lebendige Entwickelung zu verlegen. pwa_407.003 Es werden also, um ein schon früher (S. 29. 262) herbeigezogenes pwa_407.004 Beispiel zu wiederholen, Waffen, und es wird der gewaffnete Held pwa_407.005 nicht beschrieben: denn das wäre ein todter und tödtender Stillstand; pwa_407.006 sondern es wird erzählt, wie die Waffen nach und nach aus der Hand pwa_407.007 des Schmiedes hervorgehn, wie der Held nach und nach erst die pwa_407.008 Beinschienen anlegt, dann den Helm aufsetzt, dann Schild und Lanze pwa_407.009 ergreift. So hält es Homer, und wenn es Walter Scott nicht auch so pwa_407.010 hält, so ist er eben kein Homer. Oder eine Landschaft: sie wird von pwa_407.011 guten Dichtern nicht in dem unbewegt ruhenden Nebeneinander und pwa_407.012 Durcheinander ihrer Einzelheiten geschildert (dergleichen findet sich pwa_407.013 nur bei Matthisson), sondern auch sie wird historisch entwickelt, indem pwa_407.014 sie von einem bewegt vorwärts schreitenden Standpuncte durchzogen pwa_407.015 und von diesem aus nach und nach zur Anschauung gebracht wird. pwa_407.016 Beispiel hiefür Schillers Elegie Der Spaziergang (LB. 2, 1145), wo der pwa_407.017 Dichter selbst dieser wandelnde Standpunct ist, und Göthes Novelle pwa_407.018 Die Jagd (LB. 3, 2, 689). Beinahe die grösste Anschaulichkeit aber pwa_407.019 wird erlangt, wenn man diess progressive Durchwandern einer Landschaft pwa_407.020 mehr der Einbildung des Lesers anheimstellt, indem man ihr pwa_407.021 bloss die Richtung zeigt, in welcher sie den Blick immer weiter und pwa_407.022 weiter zu senden habe, selbst aber den Raum nicht mit Handlung ausfüllt; pwa_407.023 weit ausgedehnte Landschaften sind nur auf diesem Wege zur pwa_407.024 Anschauung zu bringen. So, um ein ganz umfangloses Beispiel anzuführen, pwa_407.025 Der Räuber von Uhland (Volksausgabe 2, 118), ein Gedicht, pwa_407.026 das nicht zu seinen berühmtesten gehört, weil es etwas Unscheinbares pwa_407.027 hat, aber eins der ausgezeichnetsten ist.
pwa_407.028 Im Gegensatz zu dieser Belebung des Ruhenden durch historische pwa_407.029 Bewegung steht das Innehalten und Festhalten des Bewegten auf einem pwa_407.030 unveränderten Standpunct; es steht dazu im Gegensatz, gleichwohl dient pwa_407.031 auch diess wieder nur demselben Zwecke der Lebendigkeit. Es wird pwa_407.032 nämlich eine bewegte Reihe von einzelnen Erscheinungen und Ereignissen, pwa_407.033 die jedoch jede für sich zu wenig Bedeutung haben oder eine pwa_407.034 der anderen zu gleichartig sind, gern in Beziehung gebracht auf einen pwa_407.035 ruhenden Standpunct, von dem aus und an dem vorüber die Anschauung pwa_407.036 vor sich geht; ohne diese Concentration würde die Einbildungskraft pwa_407.037 zerstreut werden und ermüden. Während also bei dem vorigen Verfahren pwa_407.038 der Standpunct in fortschreitender Veränderlichkeit sich neben pwa_407.039 dem Ruhenden und durch das Ruhende hin bewegt, ist er hier unveränderlich pwa_407.040 festgestellt, und die bewegte Handlung geht an ihm vorüber. pwa_407.041 Beispiele davon sind bei guten Epikern und Dramatikern nicht selten.
pwa_407.001 übergehn zu lassen, also in das Leblose und unbewegt Verweilende pwa_407.002 einen historischen Fortschritt, eine lebendige Entwickelung zu verlegen. pwa_407.003 Es werden also, um ein schon früher (S. 29. 262) herbeigezogenes pwa_407.004 Beispiel zu wiederholen, Waffen, und es wird der gewaffnete Held pwa_407.005 nicht beschrieben: denn das wäre ein todter und tödtender Stillstand; pwa_407.006 sondern es wird erzählt, wie die Waffen nach und nach aus der Hand pwa_407.007 des Schmiedes hervorgehn, wie der Held nach und nach erst die pwa_407.008 Beinschienen anlegt, dann den Helm aufsetzt, dann Schild und Lanze pwa_407.009 ergreift. So hält es Homer, und wenn es Walter Scott nicht auch so pwa_407.010 hält, so ist er eben kein Homer. Oder eine Landschaft: sie wird von pwa_407.011 guten Dichtern nicht in dem unbewegt ruhenden Nebeneinander und pwa_407.012 Durcheinander ihrer Einzelheiten geschildert (dergleichen findet sich pwa_407.013 nur bei Matthisson), sondern auch sie wird historisch entwickelt, indem pwa_407.014 sie von einem bewegt vorwärts schreitenden Standpuncte durchzogen pwa_407.015 und von diesem aus nach und nach zur Anschauung gebracht wird. pwa_407.016 Beispiel hiefür Schillers Elegie Der Spaziergang (LB. 2, 1145), wo der pwa_407.017 Dichter selbst dieser wandelnde Standpunct ist, und Göthes Novelle pwa_407.018 Die Jagd (LB. 3, 2, 689). Beinahe die grösste Anschaulichkeit aber pwa_407.019 wird erlangt, wenn man diess progressive Durchwandern einer Landschaft pwa_407.020 mehr der Einbildung des Lesers anheimstellt, indem man ihr pwa_407.021 bloss die Richtung zeigt, in welcher sie den Blick immer weiter und pwa_407.022 weiter zu senden habe, selbst aber den Raum nicht mit Handlung ausfüllt; pwa_407.023 weit ausgedehnte Landschaften sind nur auf diesem Wege zur pwa_407.024 Anschauung zu bringen. So, um ein ganz umfangloses Beispiel anzuführen, pwa_407.025 Der Räuber von Uhland (Volksausgabe 2, 118), ein Gedicht, pwa_407.026 das nicht zu seinen berühmtesten gehört, weil es etwas Unscheinbares pwa_407.027 hat, aber eins der ausgezeichnetsten ist.
pwa_407.028 Im Gegensatz zu dieser Belebung des Ruhenden durch historische pwa_407.029 Bewegung steht das Innehalten und Festhalten des Bewegten auf einem pwa_407.030 unveränderten Standpunct; es steht dazu im Gegensatz, gleichwohl dient pwa_407.031 auch diess wieder nur demselben Zwecke der Lebendigkeit. Es wird pwa_407.032 nämlich eine bewegte Reihe von einzelnen Erscheinungen und Ereignissen, pwa_407.033 die jedoch jede für sich zu wenig Bedeutung haben oder eine pwa_407.034 der anderen zu gleichartig sind, gern in Beziehung gebracht auf einen pwa_407.035 ruhenden Standpunct, von dem aus und an dem vorüber die Anschauung pwa_407.036 vor sich geht; ohne diese Concentration würde die Einbildungskraft pwa_407.037 zerstreut werden und ermüden. Während also bei dem vorigen Verfahren pwa_407.038 der Standpunct in fortschreitender Veränderlichkeit sich neben pwa_407.039 dem Ruhenden und durch das Ruhende hin bewegt, ist er hier unveränderlich pwa_407.040 festgestellt, und die bewegte Handlung geht an ihm vorüber. pwa_407.041 Beispiele davon sind bei guten Epikern und Dramatikern nicht selten.
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Es werden also, um ein schon früher (S. 29. 262) herbeigezogenes pwa_407.004
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Im Gegensatz zu dieser Belebung des Ruhenden durch historische pwa_407.029
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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/425>, abgerufen am 25.11.2024.
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