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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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Eintrag thun und darum auch zur Anschaulichkeit weiter nicht helfen. pwa_387.002
In einer Art von Gedichten ist freilich die ausgeführte Umschreibung pwa_387.003
wohl an der Stelle, aber nur weil da auch Undeutlichkeit an der Stelle pwa_387.004
ist, nämlich in Räthseln. Das Wesen des Räthsels (S. 161) besteht ja pwa_387.005
darin, dass man statt des Gegenstandes nur die Merkmale angiebt, pwa_387.006
die ihn kennzeichnen, und es nun der Einbildung und dem Witze des pwa_387.007
Zuhörers anheimstellt, aus dieser weitläuftigen Umschreibung den einfachen pwa_387.008
Begriff herauszufinden. Vergl. LB. 2, 1145. Wo es aber nicht pwa_387.009
die Absicht ist, ein Räthsel zu dichten, wo man den Leser nicht mit pwa_387.010
den Schwierigkeiten necken will, da ist es ein Fehler, wenn es dennoch pwa_387.011
geschieht. Es geschieht aber beinahe jedesmal, wo die Umschreibung pwa_387.012
sich in solche Ramlerische Weitläuftigkeiten verliert.

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Bei der Umschreibung wird die einfache Grundvorstellung von pwa_387.014
der sinnlichen Bildlichkeit umhüllt; bei einer dritten und vierten Figur pwa_387.015
treten beide, jedwede selbständig für sich, neben einander. Es sind die pwa_387.016
Figuren der Vergleichung und des Gleichnisses. Vergleichung und pwa_387.017
Gleichniss, beide gehören nah zusammen, sind aber doch verschieden; pwa_387.018
die Vergleichung ist das Kürzere, das Gleichniss das Ausgeführtere; pwa_387.019
die Vergleichung deutet nur an, das Gleichniss malt vollständig aus. pwa_387.020
Die Vergleichung macht nur mit einem Winke aufmerksam auf etwas, pwa_387.021
das in der sinnlichen Wirklichkeit ähnlich ist der vorliegenden minder pwa_387.022
sinnlichen Vorstellung. Hart wie Stahl, aber edel wie Gold; klug pwa_387.023
wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben: das sind blosse pwa_387.024
Vergleichungen. Und so wie hier werden einfache Vergleichungen pwa_387.025
sich gewöhnlich da ergeben, wo auch nur einzelne Begriffe zu versinnlichen pwa_387.026
sind. Das Gleichniss dagegen stellt nicht den einzelnen pwa_387.027
sinnlichen Begriff neben den einzelnen unsinnlichen, sondern das Sinnliche pwa_387.028
neben das Sinnliche und eine ganze in sich abgeschlossene pwa_387.029
Reihenfolge von Vorstellungen neben die andere; es lässt neben eine pwa_387.030
der Wirklichkeit angehörige vollständige Anschauung noch eine andere pwa_387.031
gleichfalls der Wirklichkeit entnommene treten, damit jene durch diese pwa_387.032
noch anschaulicher werde, als sie es schon für sich allein sein würde. pwa_387.033
Bekanntlich ist der Gebrauch solcher Gleichnisse eine Eigenthümlichkeit pwa_387.034
des Homerischen Epos und Virgils; weiterhin bei den Römern pwa_387.035
finden sich Homerische Gleichnisse auch ausserhalb des Epos in den pwa_387.036
Tragödien des Seneca und aus ihm bei Andreas Gryphius; dann auch pwa_387.037
in den serbischen Heldenliedern. Häufig sind sie in modernen Heldengedichten, pwa_387.038
indem man sie der epischen Poesie unentbehrlich erachtet; pwa_387.039
aber man hat diese Regel doch erst aus dem Homer abstrahiert: die pwa_387.040
alte, eigentlich nationale Epik der Deutschen und sonst eines neueren pwa_387.041
Volkes, mit Ausnahme der Serben, weiss davon nichts. Wie es aber

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Eintrag thun und darum auch zur Anschaulichkeit weiter nicht helfen. pwa_387.002
In einer Art von Gedichten ist freilich die ausgeführte Umschreibung pwa_387.003
wohl an der Stelle, aber nur weil da auch Undeutlichkeit an der Stelle pwa_387.004
ist, nämlich in Räthseln. Das Wesen des Räthsels (S. 161) besteht ja pwa_387.005
darin, dass man statt des Gegenstandes nur die Merkmale angiebt, pwa_387.006
die ihn kennzeichnen, und es nun der Einbildung und dem Witze des pwa_387.007
Zuhörers anheimstellt, aus dieser weitläuftigen Umschreibung den einfachen pwa_387.008
Begriff herauszufinden. Vergl. LB. 2, 1145. Wo es aber nicht pwa_387.009
die Absicht ist, ein Räthsel zu dichten, wo man den Leser nicht mit pwa_387.010
den Schwierigkeiten necken will, da ist es ein Fehler, wenn es dennoch pwa_387.011
geschieht. Es geschieht aber beinahe jedesmal, wo die Umschreibung pwa_387.012
sich in solche Ramlerische Weitläuftigkeiten verliert.

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Bei der Umschreibung wird die einfache Grundvorstellung von pwa_387.014
der sinnlichen Bildlichkeit umhüllt; bei einer dritten und vierten Figur pwa_387.015
treten beide, jedwede selbständig für sich, neben einander. Es sind die pwa_387.016
Figuren der Vergleichung und des Gleichnisses. Vergleichung und pwa_387.017
Gleichniss, beide gehören nah zusammen, sind aber doch verschieden; pwa_387.018
die Vergleichung ist das Kürzere, das Gleichniss das Ausgeführtere; pwa_387.019
die Vergleichung deutet nur an, das Gleichniss malt vollständig aus. pwa_387.020
Die Vergleichung macht nur mit einem Winke aufmerksam auf etwas, pwa_387.021
das in der sinnlichen Wirklichkeit ähnlich ist der vorliegenden minder pwa_387.022
sinnlichen Vorstellung. Hart wie Stahl, aber edel wie Gold; klug pwa_387.023
wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben: das sind blosse pwa_387.024
Vergleichungen. Und so wie hier werden einfache Vergleichungen pwa_387.025
sich gewöhnlich da ergeben, wo auch nur einzelne Begriffe zu versinnlichen pwa_387.026
sind. Das Gleichniss dagegen stellt nicht den einzelnen pwa_387.027
sinnlichen Begriff neben den einzelnen unsinnlichen, sondern das Sinnliche pwa_387.028
neben das Sinnliche und eine ganze in sich abgeschlossene pwa_387.029
Reihenfolge von Vorstellungen neben die andere; es lässt neben eine pwa_387.030
der Wirklichkeit angehörige vollständige Anschauung noch eine andere pwa_387.031
gleichfalls der Wirklichkeit entnommene treten, damit jene durch diese pwa_387.032
noch anschaulicher werde, als sie es schon für sich allein sein würde. pwa_387.033
Bekanntlich ist der Gebrauch solcher Gleichnisse eine Eigenthümlichkeit pwa_387.034
des Homerischen Epos und Virgils; weiterhin bei den Römern pwa_387.035
finden sich Homerische Gleichnisse auch ausserhalb des Epos in den pwa_387.036
Tragödien des Seneca und aus ihm bei Andreas Gryphius; dann auch pwa_387.037
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indem man sie der epischen Poesie unentbehrlich erachtet; pwa_387.039
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/405>, abgerufen am 22.11.2024.