Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

Bild:
<< vorherige Seite

pwa_383.001
figürlich und tropisch verzieren. [Annotation]

Sie wissen: was ich jetzt schreibe, pwa_383.002
ist eine Synecdoche [Annotation] , und diess eine Metonymie [Annotation] , und diess eine Metapher, pwa_383.003
und da ist es denn zu natürlich, dass ihnen diese ihre Gelehrsamkeit pwa_383.004
einen übeln Streich spielt. So ist es namentlich mit den meisten pwa_383.005
römischen Dichtern, auch denen des sogenannten goldenen Zeitalters, [Annotation] pwa_383.006
z. B. auch mit Virgil [Annotation] . Die Philologen gewahren zwar diesen Fehler pwa_383.007
gewöhnlich nicht, oder wollen wenigstens nicht zugeben, dass es ein pwa_383.008
Fehler sei; und diese Verblendung ist bei ihnen ebenso natürlich, als pwa_383.009
es bei ihren Autoren der Fehler ist: denn grade wie es diesen von pwa_383.010
der Rhetorenschule her eine Freude war, [Annotation] den Vers mit einer Synecdoche [Annotation] pwa_383.011
zu beginnen und mit einer Metonymie [Annotation] zu schliessen und mitten pwa_383.012
hinein noch eine Metapher zu setzen, grade so ist es nun auch den pwa_383.013
modernen Auslegern eine gar grosse Freude, die Synecdoche [Annotation] , die pwa_383.014
Metonymie [Annotation] , die Metapher zu erkennen und zu erklären. Wie bei pwa_383.015
jenen lateinischen Dichtern, ebenso und nach ihrem Muster auch bei pwa_383.016
den meisten deutschen Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts. Auch pwa_383.017
hier eine endlose Fülle von Figürlichkeiten, und auch hier nur als pwa_383.018
Folge von Pedanterei und Gelehrtthuerei. [Annotation] Und nicht bloss die Dichter pwa_383.019
waren damals in dieser Unart befangen: sie ergriff auch die Prosa, pwa_383.020
ja sogar die Umgangssprache des gewöhnlichen Lebens, und hier war pwa_383.021
es ein doppelter und dreifacher Fehler. Eine ergötzliche Probe davon pwa_383.022
und ergötzlicher Spott darüber findet sich in einem dialogischen Tractat pwa_383.023
von Joh. Balthasar Schupp, Der teutsche Lehrmeister, LB. 3, 1, pwa_383.024
764-767 (wo zugleich auch der unnütze Purismus spöttisch gemacht pwa_383.025
wird). [Annotation]

pwa_383.026
Bei andern liegt der Grund und Anlass tiefer, und die Ueberfülle pwa_383.027
des bildlichen Schmuckes rührt davon her, dass die Einbildung sich pwa_383.028
dem Verstande untergeordnet, oder aber davon, dass sie dem Verstande pwa_383.029
nicht Recht genug eingeräumt hat. So z. B. Jean Paul. Seine pwa_383.030
Schriften strotzen von bildlichen Wendungen: aber diese sind beinahe pwa_383.031
alle nicht sowohl Erzeugnisse der Einbildung als des Witzes; nicht pwa_383.032
der Einbildung, sonst würden sie wohl um der Anschaulichkeit willen pwa_383.033
seltener sein, sondern des Witzes, der überall das Gleiche herausfindet, pwa_383.034
unbekümmert darum, ob es auch der Einbildung möglich sei, pwa_383.035
ihm überall hin zu folgen. [Annotation]

Oder ein mittelhochdeutscher Dichter, pwa_383.036
Wolfram von Eschenbach. Auch hier Uneigentlichkeit und Bildlichkeit pwa_383.037
im Uebermass; auch hier dieselbe, in vielen Fällen wenigstens, pwa_383.038
ein Ergebniss des hin und her fahrenden Witzes, noch öfter aber und pwa_383.039
gewöhnlich der ungezügelten Einbildung selbst, die kühn und beweglich pwa_383.040
und unterstützt von einer Sprachgewalt und Sprachgewandtheit, pwa_383.041
wie sie nur wenigen Dichtern verliehen ist, nach allen Seiten hin in

pwa_383.001
figürlich und tropisch verzieren. [Annotation]

Sie wissen: was ich jetzt schreibe, pwa_383.002
ist eine Synecdoche [Annotation] , und diess eine Metonymie [Annotation] , und diess eine Metapher, pwa_383.003
und da ist es denn zu natürlich, dass ihnen diese ihre Gelehrsamkeit pwa_383.004
einen übeln Streich spielt. So ist es namentlich mit den meisten pwa_383.005
römischen Dichtern, auch denen des sogenannten goldenen Zeitalters, [Annotation] pwa_383.006
z. B. auch mit Virgil [Annotation] . Die Philologen gewahren zwar diesen Fehler pwa_383.007
gewöhnlich nicht, oder wollen wenigstens nicht zugeben, dass es ein pwa_383.008
Fehler sei; und diese Verblendung ist bei ihnen ebenso natürlich, als pwa_383.009
es bei ihren Autoren der Fehler ist: denn grade wie es diesen von pwa_383.010
der Rhetorenschule her eine Freude war, [Annotation] den Vers mit einer Synecdoche [Annotation] pwa_383.011
zu beginnen und mit einer Metonymie [Annotation] zu schliessen und mitten pwa_383.012
hinein noch eine Metapher zu setzen, grade so ist es nun auch den pwa_383.013
modernen Auslegern eine gar grosse Freude, die Synecdoche [Annotation] , die pwa_383.014
Metonymie [Annotation] , die Metapher zu erkennen und zu erklären. Wie bei pwa_383.015
jenen lateinischen Dichtern, ebenso und nach ihrem Muster auch bei pwa_383.016
den meisten deutschen Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts. Auch pwa_383.017
hier eine endlose Fülle von Figürlichkeiten, und auch hier nur als pwa_383.018
Folge von Pedanterei und Gelehrtthuerei. [Annotation] Und nicht bloss die Dichter pwa_383.019
waren damals in dieser Unart befangen: sie ergriff auch die Prosa, pwa_383.020
ja sogar die Umgangssprache des gewöhnlichen Lebens, und hier war pwa_383.021
es ein doppelter und dreifacher Fehler. Eine ergötzliche Probe davon pwa_383.022
und ergötzlicher Spott darüber findet sich in einem dialogischen Tractat pwa_383.023
von Joh. Balthasar Schupp, Der teutsche Lehrmeister, LB. 3, 1, pwa_383.024
764–767 (wo zugleich auch der unnütze Purismus spöttisch gemacht pwa_383.025
wird). [Annotation]

pwa_383.026
Bei andern liegt der Grund und Anlass tiefer, und die Ueberfülle pwa_383.027
des bildlichen Schmuckes rührt davon her, dass die Einbildung sich pwa_383.028
dem Verstande untergeordnet, oder aber davon, dass sie dem Verstande pwa_383.029
nicht Recht genug eingeräumt hat. So z. B. Jean Paul. Seine pwa_383.030
Schriften strotzen von bildlichen Wendungen: aber diese sind beinahe pwa_383.031
alle nicht sowohl Erzeugnisse der Einbildung als des Witzes; nicht pwa_383.032
der Einbildung, sonst würden sie wohl um der Anschaulichkeit willen pwa_383.033
seltener sein, sondern des Witzes, der überall das Gleiche herausfindet, pwa_383.034
unbekümmert darum, ob es auch der Einbildung möglich sei, pwa_383.035
ihm überall hin zu folgen. [Annotation]

Oder ein mittelhochdeutscher Dichter, pwa_383.036
Wolfram von Eschenbach. Auch hier Uneigentlichkeit und Bildlichkeit pwa_383.037
im Uebermass; auch hier dieselbe, in vielen Fällen wenigstens, pwa_383.038
ein Ergebniss des hin und her fahrenden Witzes, noch öfter aber und pwa_383.039
gewöhnlich der ungezügelten Einbildung selbst, die kühn und beweglich pwa_383.040
und unterstützt von einer Sprachgewalt und Sprachgewandtheit, pwa_383.041
wie sie nur wenigen Dichtern verliehen ist, nach allen Seiten hin in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0401" n="383"/><lb n="pwa_383.001"/>
figürlich und tropisch verzieren.     <anchor xml:id="wa002"/>     <note targetEnd="#wa002" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa001">     </note>      Sie wissen: was ich jetzt schreibe, <lb n="pwa_383.002"/>
ist eine      <anchor xml:id="wa003"/>     Synecdoche     <anchor xml:id="wa004"/>     <note targetEnd="#wa004" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-5 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa003">     </note>     , und diess eine      <anchor xml:id="wa005"/>     Metonymie     <anchor xml:id="wa006"/>     <note targetEnd="#wa006" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa005">       </note>     , und diess eine Metapher, <lb n="pwa_383.003"/>
und da ist es denn zu natürlich, dass ihnen diese ihre Gelehrsamkeit <lb n="pwa_383.004"/>
einen übeln Streich spielt.      <anchor xml:id="wa007"/>     So ist es namentlich mit den meisten <lb n="pwa_383.005"/>
römischen Dichtern, auch denen des sogenannten goldenen Zeitalters,     <anchor xml:id="wa008"/>     <note targetEnd="#wa008" type="metapher" ana="#m1-0-3-2 #m1-2-5 #m1-3-2-0 #m1-10-1" target="#wa007">     Quellenangabe Personengruppe: Die römischen Dichter des goldenen Zeitalters      </note> <lb n="pwa_383.006"/>
z. B. auch mit      <anchor xml:id="wa009"/>     Virgil     <anchor xml:id="wa010"/>     <note targetEnd="#wa010" type="metapher" ana="#m1-0-3-2 #m1-2-5 #m1-3-1-0 #m1-10-1" target="#wa009">Quellenangabe Person Virgil     </note>     . Die Philologen gewahren zwar diesen Fehler <lb n="pwa_383.007"/>
gewöhnlich nicht, oder wollen wenigstens nicht zugeben, dass es ein <lb n="pwa_383.008"/>
Fehler sei; und diese Verblendung ist bei ihnen ebenso natürlich, als <lb n="pwa_383.009"/>
es bei ihren Autoren der Fehler ist:      <anchor xml:id="wa011"/>     denn grade wie es diesen von <lb n="pwa_383.010"/>
der Rhetorenschule her eine Freude war,     <anchor xml:id="wa012"/>     <note targetEnd="#wa012" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa011">     </note>     den Vers mit einer      <anchor xml:id="wa013"/>     Synecdoche     <anchor xml:id="wa014"/>     <note targetEnd="#wa014" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-4 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa013">     </note> <lb n="pwa_383.011"/>
zu beginnen und mit einer      <anchor xml:id="wa015"/>     Metonymie     <anchor xml:id="wa016"/>     <note targetEnd="#wa016" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-3 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa015">      </note>        zu schliessen und mitten <lb n="pwa_383.012"/>
hinein noch eine Metapher zu setzen, grade so ist es nun auch den <lb n="pwa_383.013"/>
modernen Auslegern eine gar grosse Freude, die      <anchor xml:id="wa017"/>     Synecdoche     <anchor xml:id="wa018"/>     <note targetEnd="#wa018" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-5 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa017">     </note>     , die <lb n="pwa_383.014"/>
<anchor xml:id="wa019"/>     Metonymie     <anchor xml:id="wa020"/>     <note targetEnd="#wa020" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-8-1-3 #m1-10-1" target="#wa019">       </note>     , die Metapher zu erkennen und zu erklären. Wie bei <lb n="pwa_383.015"/>
jenen lateinischen Dichtern,      <anchor xml:id="wa021"/>     ebenso und nach ihrem Muster auch bei <lb n="pwa_383.016"/>
den meisten deutschen Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts. Auch <lb n="pwa_383.017"/>
hier eine endlose Fülle von Figürlichkeiten, und auch hier nur als <lb n="pwa_383.018"/>
Folge von Pedanterei und Gelehrtthuerei.     <anchor xml:id="wa022"/>     <note targetEnd="#wa022" type="metapher" ana="#m1-0-3-2 #m1-2-5 #m1-3-2-0 #m1-10-1" target="#wa021">       Quelle: die deutschen Dicher des siebzehnten Jahrhunderts       </note>     Und nicht bloss die Dichter <lb n="pwa_383.019"/>
waren damals in dieser Unart befangen: sie ergriff auch die Prosa, <lb n="pwa_383.020"/>
ja sogar die Umgangssprache des gewöhnlichen Lebens, und hier war <lb n="pwa_383.021"/>
es ein doppelter und dreifacher Fehler.      <anchor xml:id="wa023"/>     Eine ergötzliche Probe davon <lb n="pwa_383.022"/>
und ergötzlicher Spott darüber findet sich in einem dialogischen Tractat <lb n="pwa_383.023"/>
von Joh. Balthasar Schupp, Der teutsche Lehrmeister, LB. 3, 1, <lb n="pwa_383.024"/>
764&#x2013;767 (wo zugleich auch der unnütze Purismus spöttisch gemacht <lb n="pwa_383.025"/>
wird).     <anchor xml:id="wa024"/>     <note targetEnd="#wa024" type="metapher" ana="#m1-0-2-1 #m1-2-5 #m1-3-1-1 #m1-4-1-0 #m1-9-2 #m1-10-1" target="#wa023">     Schupp, der teutsche Lehrmeister, Unterscheidung prosaisch-poetisch???</note> </p>
              <p><lb n="pwa_383.026"/><anchor xml:id="wa025"/>     Bei andern liegt der Grund und Anlass tiefer, und die Ueberfülle <lb n="pwa_383.027"/>
des bildlichen Schmuckes rührt davon her, dass die Einbildung sich <lb n="pwa_383.028"/>
dem Verstande untergeordnet, oder aber davon, dass sie dem Verstande <lb n="pwa_383.029"/>
nicht Recht genug eingeräumt hat. So z. B. Jean Paul. Seine <lb n="pwa_383.030"/>
Schriften strotzen von bildlichen Wendungen: aber diese sind beinahe <lb n="pwa_383.031"/>
alle nicht sowohl Erzeugnisse der Einbildung als des Witzes; nicht <lb n="pwa_383.032"/>
der Einbildung, sonst würden sie wohl um der Anschaulichkeit willen <lb n="pwa_383.033"/>
seltener sein, sondern des Witzes, der überall das Gleiche herausfindet, <lb n="pwa_383.034"/>
unbekümmert darum, ob es auch der Einbildung möglich sei, <lb n="pwa_383.035"/>
ihm überall hin zu folgen.     <anchor xml:id="wa026"/>     <note targetEnd="#wa026" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-5 #m1-3-1-0 #m1-10-1" target="#wa025">       Jean Paul, Überfülle als negative Bewertung?       </note>      <anchor xml:id="wa027"/>     Oder ein mittelhochdeutscher Dichter, <lb n="pwa_383.036"/>
Wolfram von Eschenbach. Auch hier Uneigentlichkeit und Bildlichkeit <lb n="pwa_383.037"/>
im Uebermass; auch hier dieselbe, in vielen Fällen wenigstens, <lb n="pwa_383.038"/>
ein Ergebniss des hin und her fahrenden Witzes, noch öfter aber und <lb n="pwa_383.039"/>
gewöhnlich der ungezügelten Einbildung selbst, die kühn und beweglich <lb n="pwa_383.040"/>
und unterstützt von einer Sprachgewalt und Sprachgewandtheit, <lb n="pwa_383.041"/>
wie sie nur wenigen Dichtern verliehen ist, nach allen Seiten hin in
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0401] pwa_383.001 figürlich und tropisch verzieren. Sie wissen: was ich jetzt schreibe, pwa_383.002 ist eine Synecdoche , und diess eine Metonymie , und diess eine Metapher, pwa_383.003 und da ist es denn zu natürlich, dass ihnen diese ihre Gelehrsamkeit pwa_383.004 einen übeln Streich spielt. So ist es namentlich mit den meisten pwa_383.005 römischen Dichtern, auch denen des sogenannten goldenen Zeitalters, Quellenangabe Personengruppe: Die römischen Dichter des goldenen Zeitalters pwa_383.006 z. B. auch mit Virgil Quellenangabe Person Virgil . Die Philologen gewahren zwar diesen Fehler pwa_383.007 gewöhnlich nicht, oder wollen wenigstens nicht zugeben, dass es ein pwa_383.008 Fehler sei; und diese Verblendung ist bei ihnen ebenso natürlich, als pwa_383.009 es bei ihren Autoren der Fehler ist: denn grade wie es diesen von pwa_383.010 der Rhetorenschule her eine Freude war, den Vers mit einer Synecdoche pwa_383.011 zu beginnen und mit einer Metonymie zu schliessen und mitten pwa_383.012 hinein noch eine Metapher zu setzen, grade so ist es nun auch den pwa_383.013 modernen Auslegern eine gar grosse Freude, die Synecdoche , die pwa_383.014 Metonymie , die Metapher zu erkennen und zu erklären. Wie bei pwa_383.015 jenen lateinischen Dichtern, ebenso und nach ihrem Muster auch bei pwa_383.016 den meisten deutschen Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts. Auch pwa_383.017 hier eine endlose Fülle von Figürlichkeiten, und auch hier nur als pwa_383.018 Folge von Pedanterei und Gelehrtthuerei. Quelle: die deutschen Dicher des siebzehnten Jahrhunderts Und nicht bloss die Dichter pwa_383.019 waren damals in dieser Unart befangen: sie ergriff auch die Prosa, pwa_383.020 ja sogar die Umgangssprache des gewöhnlichen Lebens, und hier war pwa_383.021 es ein doppelter und dreifacher Fehler. Eine ergötzliche Probe davon pwa_383.022 und ergötzlicher Spott darüber findet sich in einem dialogischen Tractat pwa_383.023 von Joh. Balthasar Schupp, Der teutsche Lehrmeister, LB. 3, 1, pwa_383.024 764–767 (wo zugleich auch der unnütze Purismus spöttisch gemacht pwa_383.025 wird). Schupp, der teutsche Lehrmeister, Unterscheidung prosaisch-poetisch??? pwa_383.026 Bei andern liegt der Grund und Anlass tiefer, und die Ueberfülle pwa_383.027 des bildlichen Schmuckes rührt davon her, dass die Einbildung sich pwa_383.028 dem Verstande untergeordnet, oder aber davon, dass sie dem Verstande pwa_383.029 nicht Recht genug eingeräumt hat. So z. B. Jean Paul. Seine pwa_383.030 Schriften strotzen von bildlichen Wendungen: aber diese sind beinahe pwa_383.031 alle nicht sowohl Erzeugnisse der Einbildung als des Witzes; nicht pwa_383.032 der Einbildung, sonst würden sie wohl um der Anschaulichkeit willen pwa_383.033 seltener sein, sondern des Witzes, der überall das Gleiche herausfindet, pwa_383.034 unbekümmert darum, ob es auch der Einbildung möglich sei, pwa_383.035 ihm überall hin zu folgen. Jean Paul, Überfülle als negative Bewertung? Oder ein mittelhochdeutscher Dichter, pwa_383.036 Wolfram von Eschenbach. Auch hier Uneigentlichkeit und Bildlichkeit pwa_383.037 im Uebermass; auch hier dieselbe, in vielen Fällen wenigstens, pwa_383.038 ein Ergebniss des hin und her fahrenden Witzes, noch öfter aber und pwa_383.039 gewöhnlich der ungezügelten Einbildung selbst, die kühn und beweglich pwa_383.040 und unterstützt von einer Sprachgewalt und Sprachgewandtheit, pwa_383.041 wie sie nur wenigen Dichtern verliehen ist, nach allen Seiten hin in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/401
Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/401>, abgerufen am 17.05.2024.