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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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du mußt Zeitlebens, ohne Aufhören in die¬
sem schönen poetischen Taumel bleiben, und
dein ganzes Leben muß eine Musik seyn.

Wenn er dann aber zu seinem Anver¬
wandten zum Mittagsessen ging, und es sich
in einer gewöhnlich-lustigen und scherzenden
Gesellschaft hatte wohl schmecken lassen, --
dann war er unzufrieden, daß er so bald
wieder ins prosaische Leben hinabgezogen
war, und sein Rausch sich wie eine glänzende
Wolke verzogen hatte.

Diese bittere Mißhelligkeit zwischen sei¬
nen angebohrnen ätherischen Enthusiasmus,
und dem irdischen Antheil an dem Leben ei¬
nes jeden Menschen, der jeden täglich aus
seinen Schwärmereyen mit Gewalt herab¬
ziehet, quälte ihn sein ganzes Leben hin¬
durch. --

Wenn Joseph in einem großen Concerte
war, so setzte er sich, ohne auf die glänzende

du mußt Zeitlebens, ohne Aufhören in die¬
ſem ſchönen poetiſchen Taumel bleiben, und
dein ganzes Leben muß eine Muſik ſeyn.

Wenn er dann aber zu ſeinem Anver¬
wandten zum Mittagseſſen ging, und es ſich
in einer gewöhnlich-luſtigen und ſcherzenden
Geſellſchaft hatte wohl ſchmecken laſſen, —
dann war er unzufrieden, daß er ſo bald
wieder ins proſaiſche Leben hinabgezogen
war, und ſein Rauſch ſich wie eine glänzende
Wolke verzogen hatte.

Dieſe bittere Mißhelligkeit zwiſchen ſei¬
nen angebohrnen ätheriſchen Enthuſiasmus,
und dem irdiſchen Antheil an dem Leben ei¬
nes jeden Menſchen, der jeden täglich aus
ſeinen Schwärmereyen mit Gewalt herab¬
ziehet, quälte ihn ſein ganzes Leben hin¬
durch. —

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[238/0246] du mußt Zeitlebens, ohne Aufhören in die¬ ſem ſchönen poetiſchen Taumel bleiben, und dein ganzes Leben muß eine Muſik ſeyn. Wenn er dann aber zu ſeinem Anver¬ wandten zum Mittagseſſen ging, und es ſich in einer gewöhnlich-luſtigen und ſcherzenden Geſellſchaft hatte wohl ſchmecken laſſen, — dann war er unzufrieden, daß er ſo bald wieder ins proſaiſche Leben hinabgezogen war, und ſein Rauſch ſich wie eine glänzende Wolke verzogen hatte. Dieſe bittere Mißhelligkeit zwiſchen ſei¬ nen angebohrnen ätheriſchen Enthuſiasmus, und dem irdiſchen Antheil an dem Leben ei¬ nes jeden Menſchen, der jeden täglich aus ſeinen Schwärmereyen mit Gewalt herab¬ ziehet, quälte ihn ſein ganzes Leben hin¬ durch. — Wenn Joſeph in einem großen Concerte war, ſo ſetzte er ſich, ohne auf die glänzende

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/246>, abgerufen am 23.11.2024.