hang vor den sterblichen Augen verschwände, und er zum lichten Himmel emporschwebte. Dann hielt er sich mit seinem Körper still und unbeweglich, und heftete die Augen un¬ verrückt auf den Boden. Die Gegenwart versank vor ihm; sein Inneres war von al¬ len irdischen Kleinigkeiten, welche der wahre Staub auf dem Glanze der Seele sind, ge¬ reinigt; die Musik durchdrang seine Nerven mit leisen Schauern, und ließ, so wie sie wechselte, mannigfache Bilder vor ihm auf¬ steigen. So kam es ihm bey manchen fro¬ hen und herzerhebenden Gesängen zum Lobe Gottes ganz deutlich vor, als wenn er den König David im langen königlichen Mantel, die Krone auf dem Haupt, vor der Bundes¬ lade lobsingend hertanzen sähe; er sah sein ganzes Entzücken und alle seine Bewegun¬ gen, und das Herz hüpfte ihm in der Brust. Tausend schlafende Empfindungen in seinem
hang vor den ſterblichen Augen verſchwände, und er zum lichten Himmel emporſchwebte. Dann hielt er ſich mit ſeinem Körper ſtill und unbeweglich, und heftete die Augen un¬ verrückt auf den Boden. Die Gegenwart verſank vor ihm; ſein Inneres war von al¬ len irdiſchen Kleinigkeiten, welche der wahre Staub auf dem Glanze der Seele ſind, ge¬ reinigt; die Muſik durchdrang ſeine Nerven mit leiſen Schauern, und ließ, ſo wie ſie wechſelte, mannigfache Bilder vor ihm auf¬ ſteigen. So kam es ihm bey manchen fro¬ hen und herzerhebenden Geſängen zum Lobe Gottes ganz deutlich vor, als wenn er den König David im langen königlichen Mantel, die Krone auf dem Haupt, vor der Bundes¬ lade lobſingend hertanzen ſähe; er ſah ſein ganzes Entzücken und alle ſeine Bewegun¬ gen, und das Herz hüpfte ihm in der Bruſt. Tauſend ſchlafende Empfindungen in ſeinem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0244"n="236"/>
hang vor den ſterblichen Augen verſchwände,<lb/>
und er zum lichten Himmel emporſchwebte.<lb/>
Dann hielt er ſich mit ſeinem Körper ſtill<lb/>
und unbeweglich, und heftete die Augen un¬<lb/>
verrückt auf den Boden. Die Gegenwart<lb/>
verſank vor ihm; ſein Inneres war von al¬<lb/>
len irdiſchen Kleinigkeiten, welche der wahre<lb/>
Staub auf dem Glanze der Seele ſind, ge¬<lb/>
reinigt; die Muſik durchdrang ſeine Nerven<lb/>
mit leiſen Schauern, und ließ, ſo wie ſie<lb/>
wechſelte, mannigfache Bilder vor ihm auf¬<lb/>ſteigen. So kam es ihm bey manchen fro¬<lb/>
hen und herzerhebenden Geſängen zum Lobe<lb/>
Gottes ganz deutlich vor, als wenn er den<lb/>
König David im langen königlichen Mantel,<lb/>
die Krone auf dem Haupt, vor der Bundes¬<lb/>
lade lobſingend hertanzen ſähe; er ſah ſein<lb/>
ganzes Entzücken und alle ſeine Bewegun¬<lb/>
gen, und das Herz hüpfte ihm in der Bruſt.<lb/>
Tauſend ſchlafende Empfindungen in ſeinem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[236/0244]
hang vor den ſterblichen Augen verſchwände,
und er zum lichten Himmel emporſchwebte.
Dann hielt er ſich mit ſeinem Körper ſtill
und unbeweglich, und heftete die Augen un¬
verrückt auf den Boden. Die Gegenwart
verſank vor ihm; ſein Inneres war von al¬
len irdiſchen Kleinigkeiten, welche der wahre
Staub auf dem Glanze der Seele ſind, ge¬
reinigt; die Muſik durchdrang ſeine Nerven
mit leiſen Schauern, und ließ, ſo wie ſie
wechſelte, mannigfache Bilder vor ihm auf¬
ſteigen. So kam es ihm bey manchen fro¬
hen und herzerhebenden Geſängen zum Lobe
Gottes ganz deutlich vor, als wenn er den
König David im langen königlichen Mantel,
die Krone auf dem Haupt, vor der Bundes¬
lade lobſingend hertanzen ſähe; er ſah ſein
ganzes Entzücken und alle ſeine Bewegun¬
gen, und das Herz hüpfte ihm in der Bruſt.
Tauſend ſchlafende Empfindungen in ſeinem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/244>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.