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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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selbst; ich folgte bloß meinem innerlichen
Geiste, meinem Blute, von dem mir jetzt
jeder Tropfen geläuterter vorkömmt.

Ach! glaubte ich denn nicht schon ehe¬
mals die heiligen Geschichten und die Wun¬
derwerke, die uns unbegreiflich scheinen?
Kannst Du ein hohes Bild recht verstehen,
und mit heiliger Andacht es betrachten, ohne
in diesem Momente die Darstellung zu glau¬
ben
? Und was ist es denn nun mehr, wenn
diese Poesie der göttlichen Kunst bey mir
länger wirkt?

Dein Herz wird sich dem meinigen gewiß
nicht abwenden, das ist nicht möglich, Se¬
bastian, und so laß uns denn zu demselben
Gotte beten, daß er unser Gemüth hin¬
führo immer mehr erleuchte, und die wahre
Frömmigkeit auf uns herniedergieße: nicht
wahr, Freund meiner Jugend, das übrige
soll und kann uns nicht trennen?

Lebe

ſelbſt; ich folgte bloß meinem innerlichen
Geiſte, meinem Blute, von dem mir jetzt
jeder Tropfen geläuterter vorkömmt.

Ach! glaubte ich denn nicht ſchon ehe¬
mals die heiligen Geſchichten und die Wun¬
derwerke, die uns unbegreiflich ſcheinen?
Kannſt Du ein hohes Bild recht verſtehen,
und mit heiliger Andacht es betrachten, ohne
in dieſem Momente die Darſtellung zu glau¬
ben
? Und was iſt es denn nun mehr, wenn
dieſe Poeſie der göttlichen Kunſt bey mir
länger wirkt?

Dein Herz wird ſich dem meinigen gewiß
nicht abwenden, das iſt nicht möglich, Se¬
baſtian, und ſo laß uns denn zu demſelben
Gotte beten, daß er unſer Gemüth hin¬
führo immer mehr erleuchte, und die wahre
Frömmigkeit auf uns herniedergieße: nicht
wahr, Freund meiner Jugend, das übrige
ſoll und kann uns nicht trennen?

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[192/0200] ſelbſt; ich folgte bloß meinem innerlichen Geiſte, meinem Blute, von dem mir jetzt jeder Tropfen geläuterter vorkömmt. Ach! glaubte ich denn nicht ſchon ehe¬ mals die heiligen Geſchichten und die Wun¬ derwerke, die uns unbegreiflich ſcheinen? Kannſt Du ein hohes Bild recht verſtehen, und mit heiliger Andacht es betrachten, ohne in dieſem Momente die Darſtellung zu glau¬ ben? Und was iſt es denn nun mehr, wenn dieſe Poeſie der göttlichen Kunſt bey mir länger wirkt? Dein Herz wird ſich dem meinigen gewiß nicht abwenden, das iſt nicht möglich, Se¬ baſtian, und ſo laß uns denn zu demſelben Gotte beten, daß er unſer Gemüth hin¬ führo immer mehr erleuchte, und die wahre Frömmigkeit auf uns herniedergieße: nicht wahr, Freund meiner Jugend, das übrige ſoll und kann uns nicht trennen? Lebe

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/200>, abgerufen am 23.11.2024.