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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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stube ging, um ihm Wein oder Brot einzu¬
kaufen, und ich meynte sogar in manchen
Stunden, wenn alle die übrigen unkünst¬
lichen Menschen, Handwerker oder Bauern,
an mir vorübergingen, er müsse wohl gar
ein Zauberer seyn, daß sich das Leblose so
auf seinen Ruf zurechtfinde, und gleichsam
lebendig werde.

Aber was würde ich erst gesagt oder ge¬
fühlt haben, hätte man mir damals die ver¬
klärten Angesichter Raphaels vor die kindi¬
schen Augen gehalten? Ach, lieber Seba¬
stian, wenn ich sie verstanden hätte, so wäre
ich gewiß in meine Kniee gesunken, und
hätte meine ganze junge Seele in Andacht,
Thränen und Anbetung aufgelöst; denn bey
unserm großen Dürer findet man doch noch
das Irdische heraus, man begreift es doch,
wie ein künstlicher und wohlgeübter Mann
auf diese Gesichter und Erfindungen verfal¬

ſtube ging, um ihm Wein oder Brot einzu¬
kaufen, und ich meynte ſogar in manchen
Stunden, wenn alle die übrigen unkünſt¬
lichen Menſchen, Handwerker oder Bauern,
an mir vorübergingen, er müſſe wohl gar
ein Zauberer ſeyn, daß ſich das Lebloſe ſo
auf ſeinen Ruf zurechtfinde, und gleichſam
lebendig werde.

Aber was würde ich erſt geſagt oder ge¬
fühlt haben, hätte man mir damals die ver¬
klärten Angeſichter Raphaels vor die kindi¬
ſchen Augen gehalten? Ach, lieber Seba¬
ſtian, wenn ich ſie verſtanden hätte, ſo wäre
ich gewiß in meine Kniee geſunken, und
hätte meine ganze junge Seele in Andacht,
Thränen und Anbetung aufgelöſt; denn bey
unſerm großen Dürer findet man doch noch
das Irdiſche heraus, man begreift es doch,
wie ein künſtlicher und wohlgeübter Mann
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[183/0191] ſtube ging, um ihm Wein oder Brot einzu¬ kaufen, und ich meynte ſogar in manchen Stunden, wenn alle die übrigen unkünſt¬ lichen Menſchen, Handwerker oder Bauern, an mir vorübergingen, er müſſe wohl gar ein Zauberer ſeyn, daß ſich das Lebloſe ſo auf ſeinen Ruf zurechtfinde, und gleichſam lebendig werde. Aber was würde ich erſt geſagt oder ge¬ fühlt haben, hätte man mir damals die ver¬ klärten Angeſichter Raphaels vor die kindi¬ ſchen Augen gehalten? Ach, lieber Seba¬ ſtian, wenn ich ſie verſtanden hätte, ſo wäre ich gewiß in meine Kniee geſunken, und hätte meine ganze junge Seele in Andacht, Thränen und Anbetung aufgelöſt; denn bey unſerm großen Dürer findet man doch noch das Irdiſche heraus, man begreift es doch, wie ein künſtlicher und wohlgeübter Mann auf dieſe Geſichter und Erfindungen verfal¬

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/191>, abgerufen am 23.11.2024.