zu sagen habe. Ihr mögt da in Deutsch¬ land fleißig zusammen mahlen, lieber Seba¬ stian, Du und unser überaus theurer Lehrer Albrecht Dürer; aber wenn ihr hieher plötz¬ lich verschlagen würdet, so würdet ihr wahr¬ lich wie zwey Gestorbene seyn, die sich im Himmel noch nicht zurecht zu finden wis¬ sen. Da seh' ich in Gedanken den künstlichen Meister Albrecht auf seinem Schemel sitzen, und mit einer kindischen, fast rührenden Äm¬ sigkeit an einem feinen Stückchen Holze schnitzeln, wie er die Erfindung und Aus¬ führung wohl überlegt, und das angefan¬ gene Kunststück zu wiederhohlten Mahlen be¬ trachtet; ich sehe seine weite ausgetäfelte Stube und die runden Scheiben, und Dich mit dem unermüdlichen getreuen Fleiße vor einer Kopey, und wie die jüngern Schüler ab- und zugehen, und der alte Meister Dü¬ rer manches kluge und manches lustige Wort
zu ſagen habe. Ihr mögt da in Deutſch¬ land fleißig zuſammen mahlen, lieber Seba¬ ſtian, Du und unſer überaus theurer Lehrer Albrecht Dürer; aber wenn ihr hieher plötz¬ lich verſchlagen würdet, ſo würdet ihr wahr¬ lich wie zwey Geſtorbene ſeyn, die ſich im Himmel noch nicht zurecht zu finden wiſ¬ ſen. Da ſeh' ich in Gedanken den künſtlichen Meiſter Albrecht auf ſeinem Schemel ſitzen, und mit einer kindiſchen, faſt rührenden Äm¬ ſigkeit an einem feinen Stückchen Holze ſchnitzeln, wie er die Erfindung und Aus¬ führung wohl überlegt, und das angefan¬ gene Kunſtſtück zu wiederhohlten Mahlen be¬ trachtet; ich ſehe ſeine weite ausgetäfelte Stube und die runden Scheiben, und Dich mit dem unermüdlichen getreuen Fleiße vor einer Kopey, und wie die jüngern Schüler ab- und zugehen, und der alte Meiſter Dü¬ rer manches kluge und manches luſtige Wort
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zu ſagen habe. Ihr mögt da in Deutſch¬
land fleißig zuſammen mahlen, lieber Seba¬
ſtian, Du und unſer überaus theurer Lehrer
Albrecht Dürer; aber wenn ihr hieher plötz¬
lich verſchlagen würdet, ſo würdet ihr wahr¬
lich wie zwey Geſtorbene ſeyn, die ſich im
Himmel noch nicht zurecht zu finden wiſ¬
ſen. Da ſeh' ich in Gedanken den künſtlichen
Meiſter Albrecht auf ſeinem Schemel ſitzen,
und mit einer kindiſchen, faſt rührenden Äm¬
ſigkeit an einem feinen Stückchen Holze
ſchnitzeln, wie er die Erfindung und Aus¬
führung wohl überlegt, und das angefan¬
gene Kunſtſtück zu wiederhohlten Mahlen be¬
trachtet; ich ſehe ſeine weite ausgetäfelte
Stube und die runden Scheiben, und Dich
mit dem unermüdlichen getreuen Fleiße vor
einer Kopey, und wie die jüngern Schüler
ab- und zugehen, und der alte Meiſter Dü¬
rer manches kluge und manches luſtige Wort
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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