Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Aber im achten kam zum Verderben der edle Orestäs
Von Athänai zurück, und nahm von dem Meuchler Aigisthos
Blutige Rache, der ihm den herlichen Vater ermordet;
Brachte dann mit dem Volk ein Opfer bei der Begräbniß
Seiner abscheulichen Mutter und ihres feigen Aigisthos.310
Eben den Tag kam auch der Rufer im Streit Menelaos,
Mit unendlichen Schäzen, so viel die Schiffe nur trugen.
Auch du, Lieber, irre nicht lange fern von der Heimat,
Da du alle dein Gut und so unbändige Männer
In dem Palaste verließest: damit sie nicht alles verschlingen,315
Deine Güter sich theilend, und fruchtlos ende die Reise!
Aber ich rathe dir doch, zu Atreus Sohn Menelaos
Hinzugehen, der neulich aus fernen Landen zurückkam,
Von entlegenen Völkern, woher kein Sterblicher jemals
Hoffen dürfte zu kommen, den Sturm und Woge so weithin320
Ueber das Meer verschlugen, woher auch selbst nicht die Vögel
Fliegen können im Jahre: so furchtbar und weit ist die Reise!
Eil und gehe sogleich im Schiffe mit deinen Gefährten!
Oder willst du zu Lande, so fodere Wagen und Roße,
Meine Söhne dazu: sie werden dich sicher gen Sparta325
Führen, der prächtigen Stadt Menelaos des bräunlichgelockten.
Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkünde.
Lügen wird er nicht reden; denn er ist viel zu verständig!

Also sprach er. Da sank die Sonn', und Dunkel erhob sich.
Drauf antwortete Zeus blauäugichte Tochter Athänä:330

Wahrlich, o Greis, du hast mit vieler Weisheit geredet.
Aber schneidet jezo die Zungen, und mischet des Weines,
Daß wir Poseidaon und allen unsterblichen Göttern

Oduͤßee.
Aber im achten kam zum Verderben der edle Oreſtaͤs
Von Athaͤnai zuruͤck, und nahm von dem Meuchler Aigiſthos
Blutige Rache, der ihm den herlichen Vater ermordet;
Brachte dann mit dem Volk ein Opfer bei der Begraͤbniß
Seiner abſcheulichen Mutter und ihres feigen Aigiſthos.310
Eben den Tag kam auch der Rufer im Streit Menelaos,
Mit unendlichen Schaͤzen, ſo viel die Schiffe nur trugen.
Auch du, Lieber, irre nicht lange fern von der Heimat,
Da du alle dein Gut und ſo unbaͤndige Maͤnner
In dem Palaſte verließeſt: damit ſie nicht alles verſchlingen,315
Deine Guͤter ſich theilend, und fruchtlos ende die Reiſe!
Aber ich rathe dir doch, zu Atreus Sohn Menelaos
Hinzugehen, der neulich aus fernen Landen zuruͤckkam,
Von entlegenen Voͤlkern, woher kein Sterblicher jemals
Hoffen duͤrfte zu kommen, den Sturm und Woge ſo weithin320
Ueber das Meer verſchlugen, woher auch ſelbſt nicht die Voͤgel
Fliegen koͤnnen im Jahre: ſo furchtbar und weit iſt die Reiſe!
Eil und gehe ſogleich im Schiffe mit deinen Gefaͤhrten!
Oder willſt du zu Lande, ſo fodere Wagen und Roße,
Meine Soͤhne dazu: ſie werden dich ſicher gen Sparta325
Fuͤhren, der praͤchtigen Stadt Menelaos des braͤunlichgelockten.
Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkuͤnde.
Luͤgen wird er nicht reden; denn er iſt viel zu verſtaͤndig!

Alſo ſprach er. Da ſank die Sonn', und Dunkel erhob ſich.
Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:330

Wahrlich, o Greis, du haſt mit vieler Weisheit geredet.
Aber ſchneidet jezo die Zungen, und miſchet des Weines,
Daß wir Poſeidaon und allen unſterblichen Goͤttern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee</hi>.</fw><lb/>
Aber im achten kam zum Verderben der edle Ore&#x017F;ta&#x0364;s<lb/>
Von Atha&#x0364;nai zuru&#x0364;ck, und nahm von dem Meuchler Aigi&#x017F;thos<lb/>
Blutige Rache, der ihm den herlichen Vater ermordet;<lb/>
Brachte dann mit dem Volk ein Opfer bei der Begra&#x0364;bniß<lb/>
Seiner ab&#x017F;cheulichen Mutter und ihres feigen Aigi&#x017F;thos.<note place="right">310</note><lb/>
Eben den Tag kam auch der Rufer im Streit Menelaos,<lb/>
Mit unendlichen Scha&#x0364;zen, &#x017F;o viel die Schiffe nur trugen.<lb/>
Auch du, Lieber, irre nicht lange fern von der Heimat,<lb/>
Da du alle dein Gut und &#x017F;o unba&#x0364;ndige Ma&#x0364;nner<lb/>
In dem Pala&#x017F;te verließe&#x017F;t: damit &#x017F;ie nicht alles ver&#x017F;chlingen,<note place="right">315</note><lb/>
Deine Gu&#x0364;ter &#x017F;ich theilend, und fruchtlos ende die Rei&#x017F;e!<lb/>
Aber ich rathe dir doch, zu Atreus Sohn Menelaos<lb/>
Hinzugehen, der neulich aus fernen Landen zuru&#x0364;ckkam,<lb/>
Von entlegenen Vo&#x0364;lkern, woher kein Sterblicher jemals<lb/>
Hoffen du&#x0364;rfte zu kommen, den Sturm und Woge &#x017F;o weithin<note place="right">320</note><lb/>
Ueber das Meer ver&#x017F;chlugen, woher auch &#x017F;elb&#x017F;t nicht die Vo&#x0364;gel<lb/>
Fliegen ko&#x0364;nnen im Jahre: &#x017F;o furchtbar und weit i&#x017F;t die Rei&#x017F;e!<lb/>
Eil und gehe &#x017F;ogleich im Schiffe mit deinen Gefa&#x0364;hrten!<lb/>
Oder will&#x017F;t du zu Lande, &#x017F;o fodere Wagen und Roße,<lb/>
Meine So&#x0364;hne dazu: &#x017F;ie werden dich &#x017F;icher gen Sparta<note place="right">325</note><lb/>
Fu&#x0364;hren, der pra&#x0364;chtigen Stadt Menelaos des bra&#x0364;unlichgelockten.<lb/>
Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verku&#x0364;nde.<lb/>
Lu&#x0364;gen wird er nicht reden; denn er i&#x017F;t viel zu ver&#x017F;ta&#x0364;ndig!</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er. Da &#x017F;ank die Sonn', und Dunkel erhob &#x017F;ich.<lb/>
Drauf antwortete Zeus blaua&#x0364;ugichte Tochter Atha&#x0364;na&#x0364;:<note place="right">330</note></p><lb/>
        <p>Wahrlich, o Greis, du ha&#x017F;t mit vieler Weisheit geredet.<lb/>
Aber &#x017F;chneidet jezo die Zungen, und mi&#x017F;chet des Weines,<lb/>
Daß wir Po&#x017F;eidaon und allen un&#x017F;terblichen Go&#x0364;ttern<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0062] Oduͤßee. Aber im achten kam zum Verderben der edle Oreſtaͤs Von Athaͤnai zuruͤck, und nahm von dem Meuchler Aigiſthos Blutige Rache, der ihm den herlichen Vater ermordet; Brachte dann mit dem Volk ein Opfer bei der Begraͤbniß Seiner abſcheulichen Mutter und ihres feigen Aigiſthos. Eben den Tag kam auch der Rufer im Streit Menelaos, Mit unendlichen Schaͤzen, ſo viel die Schiffe nur trugen. Auch du, Lieber, irre nicht lange fern von der Heimat, Da du alle dein Gut und ſo unbaͤndige Maͤnner In dem Palaſte verließeſt: damit ſie nicht alles verſchlingen, Deine Guͤter ſich theilend, und fruchtlos ende die Reiſe! Aber ich rathe dir doch, zu Atreus Sohn Menelaos Hinzugehen, der neulich aus fernen Landen zuruͤckkam, Von entlegenen Voͤlkern, woher kein Sterblicher jemals Hoffen duͤrfte zu kommen, den Sturm und Woge ſo weithin Ueber das Meer verſchlugen, woher auch ſelbſt nicht die Voͤgel Fliegen koͤnnen im Jahre: ſo furchtbar und weit iſt die Reiſe! Eil und gehe ſogleich im Schiffe mit deinen Gefaͤhrten! Oder willſt du zu Lande, ſo fodere Wagen und Roße, Meine Soͤhne dazu: ſie werden dich ſicher gen Sparta Fuͤhren, der praͤchtigen Stadt Menelaos des braͤunlichgelockten. Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkuͤnde. Luͤgen wird er nicht reden; denn er iſt viel zu verſtaͤndig! 310 315 320 325 Alſo ſprach er. Da ſank die Sonn', und Dunkel erhob ſich. Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: 330 Wahrlich, o Greis, du haſt mit vieler Weisheit geredet. Aber ſchneidet jezo die Zungen, und miſchet des Weines, Daß wir Poſeidaon und allen unſterblichen Goͤttern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/62
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/62>, abgerufen am 07.05.2024.