Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Wenn sie der Segen Gottes mit mildem Gewitter erfreuet.

Also sprach er; und jenem erzitterten Herz und Kniee,
Als er die Zeichen erkannte, die ihm Odüßeus verkündet. 345
Seinen geliebtesten Sohn umarmend, sank er in Ohnmacht
An sein Herz; ihn hielt der herliche Dulder Odüßeus.
Als er zu athmen begann, und sein Geist dem Herzen zurückkam;
Da erhub er die Stimme, und rief mit lautem Entzücken:

Vater Zeus! ja noch lebt ihr Götter im hohen Olümpos, 350
Wenn doch endlich die Gräuel der üppigen Freier bestraft sind!
Aber nun fürcht' ich sehr in meinem Herzen, daß plözlich
Alle Ithaker hier uns überfallen, und Botschaft
Ringsumher in die Städte der Kefallänier senden! V. 354.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odüßeus: 355
Sei getrost, und laß dich diese Gedanken nicht kümmern!
Folge mir jetzt in das Haus, hier nahe am Ende des Gartens:
Dort ist Tälemachos auch, und der Rinderhirt und der Sauhirt;
Denn ich sandte sie hin, uns eilend das Mahl zu bereiten.

Also besprachen sie sich, und gingen zur prächtigen Wohnung. 360
Und sie traten jezt in die schönen Zimmer des Hauses,
Wo Tälemachos schon, und der Rinderhirt und der Sauhirt,
Theilten die Menge des Fleisches, und Wein mit Waßer vermischten.
Aber den edelgesinnten Laertäs in seinem Palaste
Badete jezo die treue Sikelerin, salbte mit Oel ihn, 365
Und umhüllt' ihn dann mit dem prächtigen Mantel; Athänä
Schmückt' unsichtbar mit Kraft und Größe den Hirten der Völker,

V. 354. Kefallänier hießen allgemein die Unterthanen Odüßeus in Ithaka,
Samä, Zakünthos und der Halbinsel Närikos oder Leukas, die nachher eine In-
sel ward, und jetzt Maura heißt.

Oduͤßee.
Wenn ſie der Segen Gottes mit mildem Gewitter erfreuet.

Alſo ſprach er; und jenem erzitterten Herz und Kniee,
Als er die Zeichen erkannte, die ihm Oduͤßeus verkuͤndet. 345
Seinen geliebteſten Sohn umarmend, ſank er in Ohnmacht
An ſein Herz; ihn hielt der herliche Dulder Oduͤßeus.
Als er zu athmen begann, und ſein Geiſt dem Herzen zuruͤckkam;
Da erhub er die Stimme, und rief mit lautem Entzuͤcken:

Vater Zeus! ja noch lebt ihr Goͤtter im hohen Oluͤmpos, 350
Wenn doch endlich die Graͤuel der uͤppigen Freier beſtraft ſind!
Aber nun fuͤrcht' ich ſehr in meinem Herzen, daß ploͤzlich
Alle Ithaker hier uns uͤberfallen, und Botſchaft
Ringsumher in die Staͤdte der Kefallaͤnier ſenden! V. 354.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: 355
Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern!
Folge mir jetzt in das Haus, hier nahe am Ende des Gartens:
Dort iſt Taͤlemachos auch, und der Rinderhirt und der Sauhirt;
Denn ich ſandte ſie hin, uns eilend das Mahl zu bereiten.

Alſo beſprachen ſie ſich, und gingen zur praͤchtigen Wohnung. 360
Und ſie traten jezt in die ſchoͤnen Zimmer des Hauſes,
Wo Taͤlemachos ſchon, und der Rinderhirt und der Sauhirt,
Theilten die Menge des Fleiſches, und Wein mit Waßer vermiſchten.
Aber den edelgeſinnten Laertaͤs in ſeinem Palaſte
Badete jezo die treue Sikelerin, ſalbte mit Oel ihn, 365
Und umhuͤllt' ihn dann mit dem praͤchtigen Mantel; Athaͤnaͤ
Schmuͤckt' unſichtbar mit Kraft und Groͤße den Hirten der Voͤlker,

V. 354. Kefallaͤnier hießen allgemein die Unterthanen Oduͤßeus in Ithaka,
Samaͤ, Zakuͤnthos und der Halbinſel Naͤrikos oder Leukas, die nachher eine In-
ſel ward, und jetzt Maura heißt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0468" n="462"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Wenn &#x017F;ie der Segen Gottes mit mildem Gewitter erfreuet.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach er; und jenem erzitterten Herz und Kniee,<lb/>
Als er die Zeichen erkannte, die ihm Odu&#x0364;ßeus verku&#x0364;ndet. <note place="right">345</note><lb/>
Seinen geliebte&#x017F;ten Sohn umarmend, &#x017F;ank er in Ohnmacht<lb/>
An &#x017F;ein Herz; ihn hielt der herliche Dulder Odu&#x0364;ßeus.<lb/>
Als er zu athmen begann, und &#x017F;ein Gei&#x017F;t dem Herzen zuru&#x0364;ckkam;<lb/>
Da erhub er die Stimme, und rief mit lautem Entzu&#x0364;cken:</p><lb/>
        <p>Vater Zeus! ja noch lebt ihr Go&#x0364;tter im hohen Olu&#x0364;mpos, <note place="right">350</note><lb/>
Wenn doch endlich die Gra&#x0364;uel der u&#x0364;ppigen Freier be&#x017F;traft &#x017F;ind!<lb/>
Aber nun fu&#x0364;rcht' ich &#x017F;ehr in meinem Herzen, daß plo&#x0364;zlich<lb/>
Alle Ithaker hier uns u&#x0364;berfallen, und Bot&#x017F;chaft<lb/>
Ringsumher in die Sta&#x0364;dte der Kefalla&#x0364;nier &#x017F;enden! <note place="foot" n="V. 354.">Kefalla&#x0364;nier hießen allgemein die Unterthanen Odu&#x0364;ßeus in Ithaka,<lb/>
Sama&#x0364;, Zaku&#x0364;nthos und der Halbin&#x017F;el Na&#x0364;rikos oder Leukas, die nachher eine In-<lb/>
&#x017F;el ward, und jetzt Maura heißt.</note></p><lb/>
        <p>Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odu&#x0364;ßeus: <note place="right">355</note><lb/>
Sei getro&#x017F;t, und laß dich die&#x017F;e Gedanken nicht ku&#x0364;mmern!<lb/>
Folge mir jetzt in das Haus, hier nahe am Ende des Gartens:<lb/>
Dort i&#x017F;t Ta&#x0364;lemachos auch, und der Rinderhirt und der Sauhirt;<lb/>
Denn ich &#x017F;andte &#x017F;ie hin, uns eilend das Mahl zu bereiten.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o be&#x017F;prachen &#x017F;ie &#x017F;ich, und gingen zur pra&#x0364;chtigen Wohnung. <note place="right">360</note><lb/>
Und &#x017F;ie traten jezt in die &#x017F;cho&#x0364;nen Zimmer des Hau&#x017F;es,<lb/>
Wo Ta&#x0364;lemachos &#x017F;chon, und der Rinderhirt und der Sauhirt,<lb/>
Theilten die Menge des Flei&#x017F;ches, und Wein mit Waßer vermi&#x017F;chten.<lb/>
Aber den edelge&#x017F;innten Laerta&#x0364;s in &#x017F;einem Pala&#x017F;te<lb/>
Badete jezo die treue Sikelerin, &#x017F;albte mit Oel ihn, <note place="right">365</note><lb/>
Und umhu&#x0364;llt' ihn dann mit dem pra&#x0364;chtigen Mantel; Atha&#x0364;na&#x0364;<lb/>
Schmu&#x0364;ckt' un&#x017F;ichtbar mit Kraft und Gro&#x0364;ße den Hirten der Vo&#x0364;lker,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[462/0468] Oduͤßee. Wenn ſie der Segen Gottes mit mildem Gewitter erfreuet. Alſo ſprach er; und jenem erzitterten Herz und Kniee, Als er die Zeichen erkannte, die ihm Oduͤßeus verkuͤndet. Seinen geliebteſten Sohn umarmend, ſank er in Ohnmacht An ſein Herz; ihn hielt der herliche Dulder Oduͤßeus. Als er zu athmen begann, und ſein Geiſt dem Herzen zuruͤckkam; Da erhub er die Stimme, und rief mit lautem Entzuͤcken: 345 Vater Zeus! ja noch lebt ihr Goͤtter im hohen Oluͤmpos, Wenn doch endlich die Graͤuel der uͤppigen Freier beſtraft ſind! Aber nun fuͤrcht' ich ſehr in meinem Herzen, daß ploͤzlich Alle Ithaker hier uns uͤberfallen, und Botſchaft Ringsumher in die Staͤdte der Kefallaͤnier ſenden! V. 354. 350 Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern! Folge mir jetzt in das Haus, hier nahe am Ende des Gartens: Dort iſt Taͤlemachos auch, und der Rinderhirt und der Sauhirt; Denn ich ſandte ſie hin, uns eilend das Mahl zu bereiten. 355 Alſo beſprachen ſie ſich, und gingen zur praͤchtigen Wohnung. Und ſie traten jezt in die ſchoͤnen Zimmer des Hauſes, Wo Taͤlemachos ſchon, und der Rinderhirt und der Sauhirt, Theilten die Menge des Fleiſches, und Wein mit Waßer vermiſchten. Aber den edelgeſinnten Laertaͤs in ſeinem Palaſte Badete jezo die treue Sikelerin, ſalbte mit Oel ihn, Und umhuͤllt' ihn dann mit dem praͤchtigen Mantel; Athaͤnaͤ Schmuͤckt' unſichtbar mit Kraft und Groͤße den Hirten der Voͤlker, 360 365 V. 354. Kefallaͤnier hießen allgemein die Unterthanen Oduͤßeus in Ithaka, Samaͤ, Zakuͤnthos und der Halbinſel Naͤrikos oder Leukas, die nachher eine In- ſel ward, und jetzt Maura heißt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/468
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/468>, abgerufen am 22.05.2024.