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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Zweiundzwanzigster Gesang.
Plözlich entschwand sie den Blicken, und gleich der Schwalbe von Ansehn
Flog sie empor, und saß auf dem rußichten Simse des Rauchfangs. 240

Aber die Freier reizte Damastors Sohn Agelaos,
Dämoptolemos, und Amsimedon, und der entschloßne
Polübos, und Eurünomos an, und der edle Peisandros:
Diese waren die ersten und tapfersten unter den Freiern,
Aller welche noch lebten und ihre Seele verfochten; 245
Jene lagen getödtet vom pfeileversendenden Bogen.
Und Agelaos begann, und sprach zu der Freier Versammlung:

Freunde, gewiß bald ruhn die schrecklichen Hände des Mannes!
Schon verließ ihn Mentor, nachdem er vergebens gepralet;
Und sie stehen allein an der großen Pforte des Saales! 250
Darum sendet nicht alle zugleich die langen Lanzen;
Sondern wohlan! ihr sechs werft erstlich, ob euch Kronion
Gnade verleiht, Odüßeus zu treffen, und Ruhm zu gewinnen!
Denn mit den andern hat es nicht Noth, wenn jener nur daliegt!

Also sprach er. Da warfen sie alle, wie er befohlen, 255
Wütend; doch aller Würfe vereitelte Pallas Athänä.
Einer durchborte die Pfoste der schöngebaueten Wohnung,
Jenes Lanze durchdrang die festeinfugende Pforte,
Jener traf in die Wand mit der erzgerüsteten Esche.
Und nachdem sie die Lanzen der Freier hatten vermieden, 260
Da begann zu ihnen der herliche Dulder Odüßeus:

Jezo wär' es an mir, ihr Lieben, euch zu befehlen,
Daß ihr die Schaar der Freier mit scharfen Lanzen begrüßet,
Die zu dem vorigen Frevel uns noch zu ermorden gedenken.

Also sprach er; da warfen sie alle zielend die Lanzen. 265
Dämoptolemos traf der göttergleiche Odüßeus,

Zweiundzwanzigſter Geſang.
Ploͤzlich entſchwand ſie den Blicken, und gleich der Schwalbe von Anſehn
Flog ſie empor, und ſaß auf dem rußichten Simſe des Rauchfangs. 240

Aber die Freier reizte Damaſtors Sohn Agelaos,
Daͤmoptolemos, und Amſimedon, und der entſchloßne
Poluͤbos, und Euruͤnomos an, und der edle Peiſandros:
Dieſe waren die erſten und tapferſten unter den Freiern,
Aller welche noch lebten und ihre Seele verfochten; 245
Jene lagen getoͤdtet vom pfeileverſendenden Bogen.
Und Agelaos begann, und ſprach zu der Freier Verſammlung:

Freunde, gewiß bald ruhn die ſchrecklichen Haͤnde des Mannes!
Schon verließ ihn Mentor, nachdem er vergebens gepralet;
Und ſie ſtehen allein an der großen Pforte des Saales! 250
Darum ſendet nicht alle zugleich die langen Lanzen;
Sondern wohlan! ihr ſechs werft erſtlich, ob euch Kronion
Gnade verleiht, Oduͤßeus zu treffen, und Ruhm zu gewinnen!
Denn mit den andern hat es nicht Noth, wenn jener nur daliegt!

Alſo ſprach er. Da warfen ſie alle, wie er befohlen, 255
Wuͤtend; doch aller Wuͤrfe vereitelte Pallas Athaͤnaͤ.
Einer durchborte die Pfoſte der ſchoͤngebaueten Wohnung,
Jenes Lanze durchdrang die feſteinfugende Pforte,
Jener traf in die Wand mit der erzgeruͤſteten Eſche.
Und nachdem ſie die Lanzen der Freier hatten vermieden, 260
Da begann zu ihnen der herliche Dulder Oduͤßeus:

Jezo waͤr' es an mir, ihr Lieben, euch zu befehlen,
Daß ihr die Schaar der Freier mit ſcharfen Lanzen begruͤßet,
Die zu dem vorigen Frevel uns noch zu ermorden gedenken.

Alſo ſprach er; da warfen ſie alle zielend die Lanzen. 265
Daͤmoptolemos traf der goͤttergleiche Oduͤßeus,

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[425/0431] Zweiundzwanzigſter Geſang. Ploͤzlich entſchwand ſie den Blicken, und gleich der Schwalbe von Anſehn Flog ſie empor, und ſaß auf dem rußichten Simſe des Rauchfangs. 240 Aber die Freier reizte Damaſtors Sohn Agelaos, Daͤmoptolemos, und Amſimedon, und der entſchloßne Poluͤbos, und Euruͤnomos an, und der edle Peiſandros: Dieſe waren die erſten und tapferſten unter den Freiern, Aller welche noch lebten und ihre Seele verfochten; Jene lagen getoͤdtet vom pfeileverſendenden Bogen. Und Agelaos begann, und ſprach zu der Freier Verſammlung: 245 Freunde, gewiß bald ruhn die ſchrecklichen Haͤnde des Mannes! Schon verließ ihn Mentor, nachdem er vergebens gepralet; Und ſie ſtehen allein an der großen Pforte des Saales! Darum ſendet nicht alle zugleich die langen Lanzen; Sondern wohlan! ihr ſechs werft erſtlich, ob euch Kronion Gnade verleiht, Oduͤßeus zu treffen, und Ruhm zu gewinnen! Denn mit den andern hat es nicht Noth, wenn jener nur daliegt! 250 Alſo ſprach er. Da warfen ſie alle, wie er befohlen, Wuͤtend; doch aller Wuͤrfe vereitelte Pallas Athaͤnaͤ. Einer durchborte die Pfoſte der ſchoͤngebaueten Wohnung, Jenes Lanze durchdrang die feſteinfugende Pforte, Jener traf in die Wand mit der erzgeruͤſteten Eſche. Und nachdem ſie die Lanzen der Freier hatten vermieden, Da begann zu ihnen der herliche Dulder Oduͤßeus: 255 260 Jezo waͤr' es an mir, ihr Lieben, euch zu befehlen, Daß ihr die Schaar der Freier mit ſcharfen Lanzen begruͤßet, Die zu dem vorigen Frevel uns noch zu ermorden gedenken. Alſo ſprach er; da warfen ſie alle zielend die Lanzen. Daͤmoptolemos traf der goͤttergleiche Oduͤßeus, 265

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/431>, abgerufen am 22.11.2024.