Warum reizet ihr diese? Mir wäre besser gerathen, Wenn ihr selber mein Gut und meine Heerden hinabschlängt! 75 Thätet ihrs, so wäre noch einst Erstatung zu hoffen! Denn wir würden so lange die Stadt durchwandern, so flehend Wiederfodern das Unsre, bis alles wäre vergütet! Aber nun häuft ihr mir unheilbaren Schmerz auf die Seele!
Also sprach er im Zorn, und warf den Zepter zur Erde, 80 Thränenvergießend, und rührte die ganze Versammlung zum Mitleid. Schweigend saßen sie all' umher, und keiner im Volke Wagte Tälemachos Rede mit Drohn entgegen zu wüten. Aber Eupeithas Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:
Jüngling von troziger Red' und verwegenem Mute, was sprachst du 85 Da vor Lästerung aus? Du machtest uns gerne zum Abscheu! Aber es haben die Freier an dir des keines verschuldet; Deine Mutter ist schuld, die Listigste unter den Weibern! Denn drei Jahre sind schon verflossen, und bald auch das vierte, Seit sie mit eitlem Wahne die edlen Achaier verspottet! 90 Allen verheißt sie Gunst, und sendet jedem besonders Schmeichelnde Botschaft; allein im Herzen denket sie anders! Unter anderen Listen ersann sie endlich auch diese: Trüglich zettelte sie in ihrer Kammer ein feines Uebergroßes Geweb', und sprach zu unsrer Versammlung: 95 Jünglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Odüßeus, Dringt auf meine Vermählung nicht eher, bis ich den Mantel Fertig gewirkt, (damit nicht umsonst das Garn mir verderbe!) Welcher dem Helden Laertäs zum Leichengewande bestimmt ist, Wann ihn die finstre Stunde mit Todesschlummer umschattet: 100 Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,
Oduͤßee.
Warum reizet ihr dieſe? Mir waͤre beſſer gerathen, Wenn ihr ſelber mein Gut und meine Heerden hinabſchlaͤngt! 75 Thaͤtet ihrs, ſo waͤre noch einſt Erſtatung zu hoffen! Denn wir wuͤrden ſo lange die Stadt durchwandern, ſo flehend Wiederfodern das Unſre, bis alles waͤre verguͤtet! Aber nun haͤuft ihr mir unheilbaren Schmerz auf die Seele!
Alſo ſprach er im Zorn, und warf den Zepter zur Erde, 80 Thraͤnenvergießend, und ruͤhrte die ganze Verſammlung zum Mitleid. Schweigend ſaßen ſie all' umher, und keiner im Volke Wagte Taͤlemachos Rede mit Drohn entgegen zu wuͤten. Aber Eupeithàs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:
Juͤngling von troziger Red' und verwegenem Mute, was ſprachſt du 85 Da vor Laͤſterung aus? Du machteſt uns gerne zum Abſcheu! Aber es haben die Freier an dir des keines verſchuldet; Deine Mutter iſt ſchuld, die Liſtigſte unter den Weibern! Denn drei Jahre ſind ſchon verfloſſen, und bald auch das vierte, Seit ſie mit eitlem Wahne die edlen Achaier verſpottet! 90 Allen verheißt ſie Gunſt, und ſendet jedem beſonders Schmeichelnde Botſchaft; allein im Herzen denket ſie anders! Unter anderen Liſten erſann ſie endlich auch dieſe: Truͤglich zettelte ſie in ihrer Kammer ein feines Uebergroßes Geweb', und ſprach zu unſrer Verſammlung: 95 Juͤnglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Oduͤßeus, Dringt auf meine Vermaͤhlung nicht eher, bis ich den Mantel Fertig gewirkt, (damit nicht umſonſt das Garn mir verderbe!) Welcher dem Helden Laertaͤs zum Leichengewande beſtimmt iſt, Wann ihn die finſtre Stunde mit Todesſchlummer umſchattet: 100 Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,
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Oduͤßee.
Warum reizet ihr dieſe? Mir waͤre beſſer gerathen,
Wenn ihr ſelber mein Gut und meine Heerden hinabſchlaͤngt!
Thaͤtet ihrs, ſo waͤre noch einſt Erſtatung zu hoffen!
Denn wir wuͤrden ſo lange die Stadt durchwandern, ſo flehend
Wiederfodern das Unſre, bis alles waͤre verguͤtet!
Aber nun haͤuft ihr mir unheilbaren Schmerz auf die Seele!
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Alſo ſprach er im Zorn, und warf den Zepter zur Erde,
Thraͤnenvergießend, und ruͤhrte die ganze Verſammlung zum Mitleid.
Schweigend ſaßen ſie all' umher, und keiner im Volke
Wagte Taͤlemachos Rede mit Drohn entgegen zu wuͤten.
Aber Eupeithàs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:
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Juͤngling von troziger Red' und verwegenem Mute, was ſprachſt du
Da vor Laͤſterung aus? Du machteſt uns gerne zum Abſcheu!
Aber es haben die Freier an dir des keines verſchuldet;
Deine Mutter iſt ſchuld, die Liſtigſte unter den Weibern!
Denn drei Jahre ſind ſchon verfloſſen, und bald auch das vierte,
Seit ſie mit eitlem Wahne die edlen Achaier verſpottet!
Allen verheißt ſie Gunſt, und ſendet jedem beſonders
Schmeichelnde Botſchaft; allein im Herzen denket ſie anders!
Unter anderen Liſten erſann ſie endlich auch dieſe:
Truͤglich zettelte ſie in ihrer Kammer ein feines
Uebergroßes Geweb', und ſprach zu unſrer Verſammlung:
Juͤnglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Oduͤßeus,
Dringt auf meine Vermaͤhlung nicht eher, bis ich den Mantel
Fertig gewirkt, (damit nicht umſonſt das Garn mir verderbe!)
Welcher dem Helden Laertaͤs zum Leichengewande beſtimmt iſt,
Wann ihn die finſtre Stunde mit Todesſchlummer umſchattet:
Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/36>, abgerufen am 18.12.2024.
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