Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Siebzehnter Gesang. Wahrlich er würde dein Herz durch seine Reden erfreuen!Denn ich hatt' ihn bei mir drei Tag' und Nächt' in der Hütte, 515 Wo er zuerst ankam, nachdem er vom Schiffe geflohn war; Und doch hat er mir nicht sein Leiden alles erzählet. So aufmerksam ein Mann den gottbegeisterten Sänger Anschaut, welcher die Menschen mit reizenden Liedern erfreuet; Voller Begierde horcht die Versammlung seinem Gesange: 520 Eben so rührt' er mein Herz, da er bei mir saß in der Hütte. Und er saget, er sei durch seinen Vater ein Gastfreund Von Odüßeus, und wohne in Kräta, Minos Geburtsland; Und von dannen komm' er nun hier, durch mancherlei Trübsal Weiter und weiter gewälzt; auch hab' er gehört, daß Odüßeus 525 Nahe bei uns im fetten Gebiet der thesprotischen Männer Leb', und mit großem Gut heimkehre zu seinem Palaste. Ihm antwortete drauf die kluge Pänelopeia: Also sprach sie; da nieste Tälemachos laut, und ringsum Siebzehnter Geſang. Wahrlich er wuͤrde dein Herz durch ſeine Reden erfreuen!Denn ich hatt' ihn bei mir drei Tag' und Naͤcht' in der Huͤtte, 515 Wo er zuerſt ankam, nachdem er vom Schiffe geflohn war; Und doch hat er mir nicht ſein Leiden alles erzaͤhlet. So aufmerkſam ein Mann den gottbegeiſterten Saͤnger Anſchaut, welcher die Menſchen mit reizenden Liedern erfreuet; Voller Begierde horcht die Verſammlung ſeinem Geſange: 520 Eben ſo ruͤhrt' er mein Herz, da er bei mir ſaß in der Huͤtte. Und er ſaget, er ſei durch ſeinen Vater ein Gaſtfreund Von Oduͤßeus, und wohne in Kraͤta, Minos Geburtsland; Und von dannen komm' er nun hier, durch mancherlei Truͤbſal Weiter und weiter gewaͤlzt; auch hab' er gehoͤrt, daß Oduͤßeus 525 Nahe bei uns im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner Leb', und mit großem Gut heimkehre zu ſeinem Palaſte. Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Alſo ſprach ſie; da nieſte Taͤlemachos laut, und ringsum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0347" n="341"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebzehnter Geſang.</hi></fw><lb/> Wahrlich er wuͤrde dein Herz durch ſeine Reden erfreuen!<lb/> Denn ich hatt' ihn bei mir drei Tag' und Naͤcht' in der Huͤtte, <note place="right">515</note><lb/> Wo er zuerſt ankam, nachdem er vom Schiffe geflohn war;<lb/> Und doch hat er mir nicht ſein Leiden alles erzaͤhlet.<lb/> So aufmerkſam ein Mann den gottbegeiſterten Saͤnger<lb/> Anſchaut, welcher die Menſchen mit reizenden Liedern erfreuet;<lb/> Voller Begierde horcht die Verſammlung ſeinem Geſange: <note place="right">520</note><lb/> Eben ſo ruͤhrt' er mein Herz, da er bei mir ſaß in der Huͤtte.<lb/> Und er ſaget, er ſei durch ſeinen Vater ein Gaſtfreund<lb/> Von Oduͤßeus, und wohne in Kraͤta, Minos Geburtsland;<lb/> Und von dannen komm' er nun hier, durch mancherlei Truͤbſal<lb/> Weiter und weiter gewaͤlzt; auch hab' er gehoͤrt, daß Oduͤßeus <note place="right">525</note><lb/> Nahe bei uns im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner<lb/> Leb', und mit großem Gut heimkehre zu ſeinem Palaſte.</p><lb/> <p>Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:<lb/> Geh, und ruf ihn hieher, damit er mir ſelber erzaͤhle.<lb/> Jene moͤgen indeß vor der Thuͤre ſizen und ſcherzen, <note place="right">530</note><lb/> Oder auch dort im Saale, da ihre Herzen vergnuͤgt ſind.<lb/> Denn ihr eigenes Gut liegt unverſehrt in den Haͤuſern,<lb/> Speiſe und ſuͤßer Wein, und naͤhret bloß <choice><sic>daß</sic><corr>das</corr></choice> Geſinde.<lb/> Aber ſie ſchalten von Tage zu Tag' in unſerem Hauſe,<lb/> Schlachten unſere Rinder und Schaf' und gemaͤſteten Ziegen <note place="right">535</note><lb/> Fuͤr den uͤppigen Schmaus, und ſchwelgen im funkelnden Weine<lb/> Ohne Scheu; und alles wird leer: denn es fehlt uns ein ſolcher<lb/> Mann, wie Oduͤßeus war, die Plage vom Hauſe zu wenden.<lb/> Kaͤm' Oduͤßeus zuruͤck in ſeine Heimat, er wuͤrde<lb/> Bald mit ſeinem Sohne den Frevel der Maͤnner beſtrafen! <note place="right">540</note></p><lb/> <p>Alſo ſprach ſie; da nieſte Taͤlemachos laut, und ringsum<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [341/0347]
Siebzehnter Geſang.
Wahrlich er wuͤrde dein Herz durch ſeine Reden erfreuen!
Denn ich hatt' ihn bei mir drei Tag' und Naͤcht' in der Huͤtte,
Wo er zuerſt ankam, nachdem er vom Schiffe geflohn war;
Und doch hat er mir nicht ſein Leiden alles erzaͤhlet.
So aufmerkſam ein Mann den gottbegeiſterten Saͤnger
Anſchaut, welcher die Menſchen mit reizenden Liedern erfreuet;
Voller Begierde horcht die Verſammlung ſeinem Geſange:
Eben ſo ruͤhrt' er mein Herz, da er bei mir ſaß in der Huͤtte.
Und er ſaget, er ſei durch ſeinen Vater ein Gaſtfreund
Von Oduͤßeus, und wohne in Kraͤta, Minos Geburtsland;
Und von dannen komm' er nun hier, durch mancherlei Truͤbſal
Weiter und weiter gewaͤlzt; auch hab' er gehoͤrt, daß Oduͤßeus
Nahe bei uns im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner
Leb', und mit großem Gut heimkehre zu ſeinem Palaſte.
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Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:
Geh, und ruf ihn hieher, damit er mir ſelber erzaͤhle.
Jene moͤgen indeß vor der Thuͤre ſizen und ſcherzen,
Oder auch dort im Saale, da ihre Herzen vergnuͤgt ſind.
Denn ihr eigenes Gut liegt unverſehrt in den Haͤuſern,
Speiſe und ſuͤßer Wein, und naͤhret bloß das Geſinde.
Aber ſie ſchalten von Tage zu Tag' in unſerem Hauſe,
Schlachten unſere Rinder und Schaf' und gemaͤſteten Ziegen
Fuͤr den uͤppigen Schmaus, und ſchwelgen im funkelnden Weine
Ohne Scheu; und alles wird leer: denn es fehlt uns ein ſolcher
Mann, wie Oduͤßeus war, die Plage vom Hauſe zu wenden.
Kaͤm' Oduͤßeus zuruͤck in ſeine Heimat, er wuͤrde
Bald mit ſeinem Sohne den Frevel der Maͤnner beſtrafen!
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Alſo ſprach ſie; da nieſte Taͤlemachos laut, und ringsum
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