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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Funfzehnter Gesang.
Und man warf sie, den Fischen und Ungeheuern zur Beute,
Ueber den Bord; allein ich blieb mit traurigem Herzen. 480
Wind und Woge trieben sie jezt an Ithaka's Ufer,
Wo Laertäs mich mit seinem Vermögen erkaufte.
Also hab' ich dies Land zuerst mit Augen gesehen.

Und der göttliche Held Odüßeus gab ihm zur Antwort:
Wahrlich, Eumaios, ich fühl' es im Innersten meines Herzens, 485
Alles, was du mir jezo von deinen Leiden erzählt hast!
Aber dir hat doch Zeus bei dem Bösen auch Gutes verliehen,
Da du, nach großen Leiden, in dieses gütigen Mannes
Wohnung kamst, der dir sorgfältig zu eßen und trinken
Reicht; denn du lebst hier ganz gemächlich. Aber ich Armer 490
Irre, von Stadt zu Stadt vertrieben, Hülfe zu suchen!

Also besprachen diese sich jezo unter einander,
Legten sich dann zur Ruh, nicht lange, sondern ein wenig;
Denn bald röthete sich der Morgen. Aber am Ufer
Lösten Tälemachos Freunde die Segel, senkten den Mastbaum 495
Eilend herab, vollendeten dann mit Rudern die Landung,
Warfen die Anker aus, und banden mit Seilen das Schiff an.
Und nun stiegen sie selbst ans krumme Gestade des Meeres,
Eilten das Mahl zu bereiten, und mischten des funkelnden Weines.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war, 500
Sprach der verständige Jüngling Tälemachos zu der Versammlung:

Rudert, ihr andern, jezt nach der Stadt mit dem schwärzlichem Schiffe;
Ich will erst ein wenig zu meinen Hirten aufs Land gehn.
Abends komm' ich zur Stadt, sobald ich das Meine besehen.
Morgen dächt' ich euch wohl ein gutes Mahl nach der Reise 505
Vorzusezen, von Fleisch und herzerfreuendem Weine.

Funfzehnter Geſang.
Und man warf ſie, den Fiſchen und Ungeheuern zur Beute,
Ueber den Bord; allein ich blieb mit traurigem Herzen. 480
Wind und Woge trieben ſie jezt an Ithaka's Ufer,
Wo Laertaͤs mich mit ſeinem Vermoͤgen erkaufte.
Alſo hab' ich dies Land zuerſt mit Augen geſehen.

Und der goͤttliche Held Oduͤßeus gab ihm zur Antwort:
Wahrlich, Eumaios, ich fuͤhl' es im Innerſten meines Herzens, 485
Alles, was du mir jezo von deinen Leiden erzaͤhlt haſt!
Aber dir hat doch Zeus bei dem Boͤſen auch Gutes verliehen,
Da du, nach großen Leiden, in dieſes guͤtigen Mannes
Wohnung kamſt, der dir ſorgfaͤltig zu eßen und trinken
Reicht; denn du lebſt hier ganz gemaͤchlich. Aber ich Armer 490
Irre, von Stadt zu Stadt vertrieben, Huͤlfe zu ſuchen!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander,
Legten ſich dann zur Ruh, nicht lange, ſondern ein wenig;
Denn bald roͤthete ſich der Morgen. Aber am Ufer
Loͤſten Taͤlemachos Freunde die Segel, ſenkten den Maſtbaum 495
Eilend herab, vollendeten dann mit Rudern die Landung,
Warfen die Anker aus, und banden mit Seilen das Schiff an.
Und nun ſtiegen ſie ſelbſt ans krumme Geſtade des Meeres,
Eilten das Mahl zu bereiten, und miſchten des funkelnden Weines.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, 500
Sprach der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos zu der Verſammlung:

Rudert, ihr andern, jezt nach der Stadt mit dem ſchwaͤrzlichem Schiffe;
Ich will erſt ein wenig zu meinen Hirten aufs Land gehn.
Abends komm' ich zur Stadt, ſobald ich das Meine beſehen.
Morgen daͤcht' ich euch wohl ein gutes Mahl nach der Reiſe 505
Vorzuſezen, von Fleiſch und herzerfreuendem Weine.

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[301/0307] Funfzehnter Geſang. Und man warf ſie, den Fiſchen und Ungeheuern zur Beute, Ueber den Bord; allein ich blieb mit traurigem Herzen. Wind und Woge trieben ſie jezt an Ithaka's Ufer, Wo Laertaͤs mich mit ſeinem Vermoͤgen erkaufte. Alſo hab' ich dies Land zuerſt mit Augen geſehen. 480 Und der goͤttliche Held Oduͤßeus gab ihm zur Antwort: Wahrlich, Eumaios, ich fuͤhl' es im Innerſten meines Herzens, Alles, was du mir jezo von deinen Leiden erzaͤhlt haſt! Aber dir hat doch Zeus bei dem Boͤſen auch Gutes verliehen, Da du, nach großen Leiden, in dieſes guͤtigen Mannes Wohnung kamſt, der dir ſorgfaͤltig zu eßen und trinken Reicht; denn du lebſt hier ganz gemaͤchlich. Aber ich Armer Irre, von Stadt zu Stadt vertrieben, Huͤlfe zu ſuchen! 485 490 Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander, Legten ſich dann zur Ruh, nicht lange, ſondern ein wenig; Denn bald roͤthete ſich der Morgen. Aber am Ufer Loͤſten Taͤlemachos Freunde die Segel, ſenkten den Maſtbaum Eilend herab, vollendeten dann mit Rudern die Landung, Warfen die Anker aus, und banden mit Seilen das Schiff an. Und nun ſtiegen ſie ſelbſt ans krumme Geſtade des Meeres, Eilten das Mahl zu bereiten, und miſchten des funkelnden Weines. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Sprach der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos zu der Verſammlung: 495 500 Rudert, ihr andern, jezt nach der Stadt mit dem ſchwaͤrzlichem Schiffe; Ich will erſt ein wenig zu meinen Hirten aufs Land gehn. Abends komm' ich zur Stadt, ſobald ich das Meine beſehen. Morgen daͤcht' ich euch wohl ein gutes Mahl nach der Reiſe Vorzuſezen, von Fleiſch und herzerfreuendem Weine. 505

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/307>, abgerufen am 23.11.2024.