Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Fest mit dem starkgeflochtenen Seil, und stiegen dann selberAn das Gestad', und nahmen die schnellbereitete Mahlzeit. Aber die Götter lösten mir leicht die Knoten der Feßel. Und ich band um das Haupt die zusammengewickelten Lumpen, Ließ am geglätteten Steuer mich nieder, legte mich vorwärts 350 Auf das Waßer, und schwamm, mit beiden Händen mich rudernd, Hurtig von dannen, und bald war ich ferne von ihnen gekommen. Jezo stieg ich ans Land, kroch unter ein dickes Gebüsche, Schmiegte mich hin, und lag. Die andern suchten indeßen Mich lautkeuchend umher; allein sie fanden nicht rathsam, 355 Tiefer ins Land zu gehn. Sie kehrten zurück, und bestiegen Wieder das hohle Schiff; und mich entrißen die Götter Leicht der Gefahr, und führten zu eines verständigen Mannes Hütte mich hin. Denn noch verlängt das Schicksal mein Leben. Ihm antwortetest du, Eumaios, Hüter der Schweine: 360 Oduͤßee. Feſt mit dem ſtarkgeflochtenen Seil, und ſtiegen dann ſelberAn das Geſtad', und nahmen die ſchnellbereitete Mahlzeit. Aber die Goͤtter loͤſten mir leicht die Knoten der Feßel. Und ich band um das Haupt die zuſammengewickelten Lumpen, Ließ am geglaͤtteten Steuer mich nieder, legte mich vorwaͤrts 350 Auf das Waßer, und ſchwamm, mit beiden Haͤnden mich rudernd, Hurtig von dannen, und bald war ich ferne von ihnen gekommen. Jezo ſtieg ich ans Land, kroch unter ein dickes Gebuͤſche, Schmiegte mich hin, und lag. Die andern ſuchten indeßen Mich lautkeuchend umher; allein ſie fanden nicht rathſam, 355 Tiefer ins Land zu gehn. Sie kehrten zuruͤck, und beſtiegen Wieder das hohle Schiff; und mich entrißen die Goͤtter Leicht der Gefahr, und fuͤhrten zu eines verſtaͤndigen Mannes Huͤtte mich hin. Denn noch verlaͤngt das Schickſal mein Leben. Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: 360 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0282" n="276"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> Feſt mit dem ſtarkgeflochtenen Seil, und ſtiegen dann ſelber<lb/> An das Geſtad', und nahmen die ſchnellbereitete Mahlzeit.<lb/> Aber die Goͤtter loͤſten mir leicht die Knoten der Feßel.<lb/> Und ich band um das Haupt die zuſammengewickelten Lumpen,<lb/> Ließ am geglaͤtteten Steuer mich nieder, legte mich vorwaͤrts <note place="right">350</note><lb/> Auf das Waßer, und ſchwamm, mit beiden Haͤnden mich rudernd,<lb/> Hurtig von dannen, und bald war ich ferne von ihnen gekommen.<lb/> Jezo ſtieg ich ans Land, kroch unter ein dickes Gebuͤſche,<lb/> Schmiegte mich hin, und lag. Die andern ſuchten indeßen<lb/> Mich lautkeuchend umher; allein ſie fanden nicht rathſam, <note place="right">355</note><lb/> Tiefer ins Land zu gehn. Sie kehrten zuruͤck, und beſtiegen<lb/> Wieder das hohle Schiff; und mich entrißen die Goͤtter<lb/> Leicht der Gefahr, und fuͤhrten zu eines verſtaͤndigen Mannes<lb/> Huͤtte mich hin. Denn noch verlaͤngt das Schickſal mein Leben.</p><lb/> <p>Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: <note place="right">360</note><lb/> Ungluͤckſeliger Fremdling, ich fuͤhl' es im innerſten Herzen,<lb/> Was du von deinen Leiden und Irren mir alles erzaͤhlt haſt.<lb/> Eins nur ſcheinet mir nicht in der Ordnung, das von Oduͤßeus;<lb/> Nimmer glaub' ich es dir! Was zwingt dich, ehrlicher Alter,<lb/> So in den Wind zu luͤgen? Ich weiß zu gut von der Heimkehr <note place="right">365</note><lb/> Meines Herren Beſcheid! Er iſt den Unſterblichen allen<lb/> Ganz verhaßt! Nicht einmal vor Troja ließ man ihn ſterben,<lb/> Noch in den Armen der Freunde, nachdem er den Krieg vollendet;<lb/> Denn ein Denkmal haͤtt' ihm das Volk der Achaier errichtet,<lb/> Und ſo waͤre zugleich ſein Sohn bei den Enkeln verherlicht! <note place="right">370</note><lb/> Sondern er ward unruͤhmlich ein Raub der wilden Harpuͤen.<lb/> Aber ich lebe hier bei den Schweinen ſo einſam, und komme<lb/> Nie in die Stadt, wo nicht die kluge Paͤnelopeia<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [276/0282]
Oduͤßee.
Feſt mit dem ſtarkgeflochtenen Seil, und ſtiegen dann ſelber
An das Geſtad', und nahmen die ſchnellbereitete Mahlzeit.
Aber die Goͤtter loͤſten mir leicht die Knoten der Feßel.
Und ich band um das Haupt die zuſammengewickelten Lumpen,
Ließ am geglaͤtteten Steuer mich nieder, legte mich vorwaͤrts
Auf das Waßer, und ſchwamm, mit beiden Haͤnden mich rudernd,
Hurtig von dannen, und bald war ich ferne von ihnen gekommen.
Jezo ſtieg ich ans Land, kroch unter ein dickes Gebuͤſche,
Schmiegte mich hin, und lag. Die andern ſuchten indeßen
Mich lautkeuchend umher; allein ſie fanden nicht rathſam,
Tiefer ins Land zu gehn. Sie kehrten zuruͤck, und beſtiegen
Wieder das hohle Schiff; und mich entrißen die Goͤtter
Leicht der Gefahr, und fuͤhrten zu eines verſtaͤndigen Mannes
Huͤtte mich hin. Denn noch verlaͤngt das Schickſal mein Leben.
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Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:
Ungluͤckſeliger Fremdling, ich fuͤhl' es im innerſten Herzen,
Was du von deinen Leiden und Irren mir alles erzaͤhlt haſt.
Eins nur ſcheinet mir nicht in der Ordnung, das von Oduͤßeus;
Nimmer glaub' ich es dir! Was zwingt dich, ehrlicher Alter,
So in den Wind zu luͤgen? Ich weiß zu gut von der Heimkehr
Meines Herren Beſcheid! Er iſt den Unſterblichen allen
Ganz verhaßt! Nicht einmal vor Troja ließ man ihn ſterben,
Noch in den Armen der Freunde, nachdem er den Krieg vollendet;
Denn ein Denkmal haͤtt' ihm das Volk der Achaier errichtet,
Und ſo waͤre zugleich ſein Sohn bei den Enkeln verherlicht!
Sondern er ward unruͤhmlich ein Raub der wilden Harpuͤen.
Aber ich lebe hier bei den Schweinen ſo einſam, und komme
Nie in die Stadt, wo nicht die kluge Paͤnelopeia
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