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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Auf denn, und treibt die beßten der Sonnenrinder zum Opfer
Für die Unsterblichen her, die den weiten Himmel bewohnen.
Kommen wir einst zurück in Ithaka's heimische Fluren, 345
Seht dann weihen wir schnell dem hohen Sonnenbeherscher
Einen prächtigen Tempel, mit köstlichem Schmucke gezieret.
Aber beschließt der Gott, um gehörnete Rinder entrüstet,
Unser Schiff zu verderben, und ihm willfahren die Götter;
Lieber will ich mit Einmal den Geist in den Fluten verhauchen, 350
Als noch lang' hinschmachten auf dieser einsamen Insel!

Also sprach er, und laut rief jeder Eurülochos Beifall.
Und sie trieben die beßten der Sonnenrinder zum Opfer
Eilend daher; denn nahe dem blaugeschnäbelten Schiffe
Weideten jezt, breitstirnig und schön, die heiligen Rinder. 355
Diese umstanden die Freunde, den Göttern flehend, und streuten
Zarte Blätter, gepflückt von der hochgewipfelten Eiche;
Denn an Gerste gebrach es im schöngebordeten Schiffe.
Also fleheten sie, und schlachteten, zogen die Haut ab,
Schnitten die Lenden aus, umwickelten diese mit Fette, 360
Und bedeckten sie drauf mit blutigen Stücken der Glieder.
Auch an Weine gebrach es, das brennende Opfer zu sprengen;
Aber sie weihten mit Waßer die röstenden Eingeweide.
Als sie die Lenden verbrannt, und die Eingeweide gekostet,
Schnitten sie auch das Uebrige klein, und stecktens an Spieße. 365

Meinen Augen entfloh nunmehr der liebliche Schlummer,
Und ich ging zu dem rüstigen Schiff am Ufer des Meeres.
Aber sobald ich mich nahte dem gleichgeruderten Schiffe,
Kam mir der süße Duft des Opferrauches entgegen.
Da erschrack ich, und rief wehklagend den ewigen Göttern: 370

Oduͤßee.
Auf denn, und treibt die beßten der Sonnenrinder zum Opfer
Fuͤr die Unſterblichen her, die den weiten Himmel bewohnen.
Kommen wir einſt zuruͤck in Ithaka's heimiſche Fluren, 345
Seht dann weihen wir ſchnell dem hohen Sonnenbeherſcher
Einen praͤchtigen Tempel, mit koͤſtlichem Schmucke gezieret.
Aber beſchließt der Gott, um gehoͤrnete Rinder entruͤſtet,
Unſer Schiff zu verderben, und ihm willfahren die Goͤtter;
Lieber will ich mit Einmal den Geiſt in den Fluten verhauchen, 350
Als noch lang' hinſchmachten auf dieſer einſamen Inſel!

Alſo ſprach er, und laut rief jeder Euruͤlochos Beifall.
Und ſie trieben die beßten der Sonnenrinder zum Opfer
Eilend daher; denn nahe dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe
Weideten jezt, breitſtirnig und ſchoͤn, die heiligen Rinder. 355
Dieſe umſtanden die Freunde, den Goͤttern flehend, und ſtreuten
Zarte Blaͤtter, gepfluͤckt von der hochgewipfelten Eiche;
Denn an Gerſte gebrach es im ſchoͤngebordeten Schiffe.
Alſo fleheten ſie, und ſchlachteten, zogen die Haut ab,
Schnitten die Lenden aus, umwickelten dieſe mit Fette, 360
Und bedeckten ſie drauf mit blutigen Stuͤcken der Glieder.
Auch an Weine gebrach es, das brennende Opfer zu ſprengen;
Aber ſie weihten mit Waßer die roͤſtenden Eingeweide.
Als ſie die Lenden verbrannt, und die Eingeweide gekoſtet,
Schnitten ſie auch das Uebrige klein, und ſtecktens an Spieße. 365

Meinen Augen entfloh nunmehr der liebliche Schlummer,
Und ich ging zu dem ruͤſtigen Schiff am Ufer des Meeres.
Aber ſobald ich mich nahte dem gleichgeruderten Schiffe,
Kam mir der ſuͤße Duft des Opferrauches entgegen.
Da erſchrack ich, und rief wehklagend den ewigen Goͤttern: 370

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[242/0248] Oduͤßee. Auf denn, und treibt die beßten der Sonnenrinder zum Opfer Fuͤr die Unſterblichen her, die den weiten Himmel bewohnen. Kommen wir einſt zuruͤck in Ithaka's heimiſche Fluren, Seht dann weihen wir ſchnell dem hohen Sonnenbeherſcher Einen praͤchtigen Tempel, mit koͤſtlichem Schmucke gezieret. Aber beſchließt der Gott, um gehoͤrnete Rinder entruͤſtet, Unſer Schiff zu verderben, und ihm willfahren die Goͤtter; Lieber will ich mit Einmal den Geiſt in den Fluten verhauchen, Als noch lang' hinſchmachten auf dieſer einſamen Inſel! 345 350 Alſo ſprach er, und laut rief jeder Euruͤlochos Beifall. Und ſie trieben die beßten der Sonnenrinder zum Opfer Eilend daher; denn nahe dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe Weideten jezt, breitſtirnig und ſchoͤn, die heiligen Rinder. Dieſe umſtanden die Freunde, den Goͤttern flehend, und ſtreuten Zarte Blaͤtter, gepfluͤckt von der hochgewipfelten Eiche; Denn an Gerſte gebrach es im ſchoͤngebordeten Schiffe. Alſo fleheten ſie, und ſchlachteten, zogen die Haut ab, Schnitten die Lenden aus, umwickelten dieſe mit Fette, Und bedeckten ſie drauf mit blutigen Stuͤcken der Glieder. Auch an Weine gebrach es, das brennende Opfer zu ſprengen; Aber ſie weihten mit Waßer die roͤſtenden Eingeweide. Als ſie die Lenden verbrannt, und die Eingeweide gekoſtet, Schnitten ſie auch das Uebrige klein, und ſtecktens an Spieße. 355 360 365 Meinen Augen entfloh nunmehr der liebliche Schlummer, Und ich ging zu dem ruͤſtigen Schiff am Ufer des Meeres. Aber ſobald ich mich nahte dem gleichgeruderten Schiffe, Kam mir der ſuͤße Duft des Opferrauches entgegen. Da erſchrack ich, und rief wehklagend den ewigen Goͤttern: 370

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/248>, abgerufen am 03.05.2024.