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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Zehnter Gesang.
Jezo sann ich umher, und erwog den wankenden Vorsaz,
Hin nach dem dunkeln Rauche zu gehn, und weiter zu forschen.
Dieser Gedanke schien mir Zweifelnden endlich der beßte:
Erst zu dem schnellen Schiffe zu gehn am Strande des Meeres,
Meine Genoßen mit Speise zu stärken, und Späher zu senden. 155
Als ich schon nahe war dem gleichberuderten Schiffe,
Da erbarmte sich mein, des Einsamen, einer der Götter.
Und es lief ein gewaltiger Hirsch mit hohem Geweihe
Mir auf den Weg; er sprang aus der Weide des Waldes zum Bache
Lechzend hinab, denn ihn brannten bereits die Stralen der Sonne. 160
Diesen schoß ich im Lauf, und traf ihm die Mitte des Rückgrats,
Daß die eherne Lanz' am Bauche wieder herausfuhr;
Schreiend stürzt' er dahin in den Staub, und das Leben entflog ihm.
Hierauf zog ich, den Fuß anstemmend, die eherne Lanze
Aus der Wunde zurück, und legte sie dort auf den Boden 165
Nieder. Dann brach ich am Bache mir schwanke weidene Ruten,
Drehete links und rechts ein klafterlanges Geflechte,
Und verband die Füße des mächtigen Ungeheuers,
Hängt' es mir über den Hals, und trug es zum schwärzlichen Schiffe,
Auf die Lanze gestüzt; denn Einer Schulter und Hand war 170
Viel zu schwer die Last des riesenmäßigen Thieres.
Vor dem Schiffe warf ich es hin, und redete jedem
Meiner Genoßen zu mit diesen freundlichen Worten:

Lieben, wir werden ja doch, troz unserm Grame, nicht früher
Sinken in Aidäs Reich, eh der Tag des Schicksals uns abruft! V. 175. 175
Auf denn, so lange das Schiff noch Trank und Speise verwahret,

V. 175. Aidäs, Pluto.

Zehnter Geſang.
Jezo ſann ich umher, und erwog den wankenden Vorſaz,
Hin nach dem dunkeln Rauche zu gehn, und weiter zu forſchen.
Dieſer Gedanke ſchien mir Zweifelnden endlich der beßte:
Erſt zu dem ſchnellen Schiffe zu gehn am Strande des Meeres,
Meine Genoßen mit Speiſe zu ſtaͤrken, und Spaͤher zu ſenden. 155
Als ich ſchon nahe war dem gleichberuderten Schiffe,
Da erbarmte ſich mein, des Einſamen, einer der Goͤtter.
Und es lief ein gewaltiger Hirſch mit hohem Geweihe
Mir auf den Weg; er ſprang aus der Weide des Waldes zum Bache
Lechzend hinab, denn ihn brannten bereits die Stralen der Sonne. 160
Dieſen ſchoß ich im Lauf, und traf ihm die Mitte des Ruͤckgrats,
Daß die eherne Lanz' am Bauche wieder herausfuhr;
Schreiend ſtuͤrzt' er dahin in den Staub, und das Leben entflog ihm.
Hierauf zog ich, den Fuß anſtemmend, die eherne Lanze
Aus der Wunde zuruͤck, und legte ſie dort auf den Boden 165
Nieder. Dann brach ich am Bache mir ſchwanke weidene Ruten,
Drehete links und rechts ein klafterlanges Geflechte,
Und verband die Fuͤße des maͤchtigen Ungeheuers,
Haͤngt' es mir uͤber den Hals, und trug es zum ſchwaͤrzlichen Schiffe,
Auf die Lanze geſtuͤzt; denn Einer Schulter und Hand war 170
Viel zu ſchwer die Laſt des rieſenmaͤßigen Thieres.
Vor dem Schiffe warf ich es hin, und redete jedem
Meiner Genoßen zu mit dieſen freundlichen Worten:

Lieben, wir werden ja doch, troz unſerm Grame, nicht fruͤher
Sinken in Aïdaͤs Reich, eh der Tag des Schickſals uns abruft! V. 175. 175
Auf denn, ſo lange das Schiff noch Trank und Speiſe verwahret,

V. 175. Aïdaͤs, Pluto.
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[189/0195] Zehnter Geſang. Jezo ſann ich umher, und erwog den wankenden Vorſaz, Hin nach dem dunkeln Rauche zu gehn, und weiter zu forſchen. Dieſer Gedanke ſchien mir Zweifelnden endlich der beßte: Erſt zu dem ſchnellen Schiffe zu gehn am Strande des Meeres, Meine Genoßen mit Speiſe zu ſtaͤrken, und Spaͤher zu ſenden. Als ich ſchon nahe war dem gleichberuderten Schiffe, Da erbarmte ſich mein, des Einſamen, einer der Goͤtter. Und es lief ein gewaltiger Hirſch mit hohem Geweihe Mir auf den Weg; er ſprang aus der Weide des Waldes zum Bache Lechzend hinab, denn ihn brannten bereits die Stralen der Sonne. Dieſen ſchoß ich im Lauf, und traf ihm die Mitte des Ruͤckgrats, Daß die eherne Lanz' am Bauche wieder herausfuhr; Schreiend ſtuͤrzt' er dahin in den Staub, und das Leben entflog ihm. Hierauf zog ich, den Fuß anſtemmend, die eherne Lanze Aus der Wunde zuruͤck, und legte ſie dort auf den Boden Nieder. Dann brach ich am Bache mir ſchwanke weidene Ruten, Drehete links und rechts ein klafterlanges Geflechte, Und verband die Fuͤße des maͤchtigen Ungeheuers, Haͤngt' es mir uͤber den Hals, und trug es zum ſchwaͤrzlichen Schiffe, Auf die Lanze geſtuͤzt; denn Einer Schulter und Hand war Viel zu ſchwer die Laſt des rieſenmaͤßigen Thieres. Vor dem Schiffe warf ich es hin, und redete jedem Meiner Genoßen zu mit dieſen freundlichen Worten: 155 160 165 170 Lieben, wir werden ja doch, troz unſerm Grame, nicht fruͤher Sinken in Aïdaͤs Reich, eh der Tag des Schickſals uns abruft! V. 175. Auf denn, ſo lange das Schiff noch Trank und Speiſe verwahret, 175 V. 175. Aïdaͤs, Pluto.

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/195>, abgerufen am 21.11.2024.