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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee. Neunter Gesang.
Trieben die Fluten das Schiff, und warfen es an das Gestade.

Also erreichten wir des Eilands Bucht, wo die andern
Schöngebordeten Schiffe beisammen ruhten, und ringsum
Traurend die Freunde saßen, und uns beständig erwartend. 545
Jezo landeten wir am sandigen Ufer des Eilands,
Stiegen dann aus dem Schiff ans krumme Gestade des Meeres,
Nahmen vom hohlen Schiffe die Heerd', und theilten sie alle
Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging.
Aber den Widder schenkten die schöngeharnischteu Freunde 550
Mir bei der Theilung voraus. Ihn opfert' ich an dem Gestade
Zeus Kronion, dem Wolkenversammler, der alles beherschet,
Und verbrannte die Lenden. Doch er verschmähte das Opfer;
Unversöhnt beschloß er in seinem Rathe Vertilgung
Aller rüstigen Schiff' und meiner lieben Gefährten. 555

Also saßen wir dort den Tag, bis die Sonne sich neigte,
An der Fülle des Fleisches und süßen Weines uns labend.
Als die Sonne nun sank, und Dunkel die Erde bedeckte,
Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauschenden Meeres.
Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, 560
Trat ich selber ins Schiff, und ermahnete meine Gefährten,
Einzusteigen, und schnell die Seile vom Ufer zu lösen.
Und sie traten ins Schiff, und sezten sich hin auf die Bänke,
Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern.

Also steuerten wir mit trauriger Seele von dannen, 565
Froh der bestandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefährten.



Oduͤßee. Neunter Geſang.
Trieben die Fluten das Schiff, und warfen es an das Geſtade.

Alſo erreichten wir des Eilands Bucht, wo die andern
Schoͤngebordeten Schiffe beiſammen ruhten, und ringsum
Traurend die Freunde ſaßen, und uns beſtaͤndig erwartend. 545
Jezo landeten wir am ſandigen Ufer des Eilands,
Stiegen dann aus dem Schiff ans krumme Geſtade des Meeres,
Nahmen vom hohlen Schiffe die Heerd', und theilten ſie alle
Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging.
Aber den Widder ſchenkten die ſchoͤngeharniſchteu Freunde 550
Mir bei der Theilung voraus. Ihn opfert' ich an dem Geſtade
Zeus Kronion, dem Wolkenverſammler, der alles beherſchet,
Und verbrannte die Lenden. Doch er verſchmaͤhte das Opfer;
Unverſoͤhnt beſchloß er in ſeinem Rathe Vertilgung
Aller ruͤſtigen Schiff' und meiner lieben Gefaͤhrten. 555

Alſo ſaßen wir dort den Tag, bis die Sonne ſich neigte,
An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend.
Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte,
Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauſchenden Meeres.
Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, 560
Trat ich ſelber ins Schiff, und ermahnete meine Gefaͤhrten,
Einzuſteigen, und ſchnell die Seile vom Ufer zu loͤſen.
Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke,
Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern.

Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen, 565
Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten.



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[182/0188] Oduͤßee. Neunter Geſang. Trieben die Fluten das Schiff, und warfen es an das Geſtade. Alſo erreichten wir des Eilands Bucht, wo die andern Schoͤngebordeten Schiffe beiſammen ruhten, und ringsum Traurend die Freunde ſaßen, und uns beſtaͤndig erwartend. Jezo landeten wir am ſandigen Ufer des Eilands, Stiegen dann aus dem Schiff ans krumme Geſtade des Meeres, Nahmen vom hohlen Schiffe die Heerd', und theilten ſie alle Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging. Aber den Widder ſchenkten die ſchoͤngeharniſchteu Freunde Mir bei der Theilung voraus. Ihn opfert' ich an dem Geſtade Zeus Kronion, dem Wolkenverſammler, der alles beherſchet, Und verbrannte die Lenden. Doch er verſchmaͤhte das Opfer; Unverſoͤhnt beſchloß er in ſeinem Rathe Vertilgung Aller ruͤſtigen Schiff' und meiner lieben Gefaͤhrten. 545 550 555 Alſo ſaßen wir dort den Tag, bis die Sonne ſich neigte, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauſchenden Meeres. Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Trat ich ſelber ins Schiff, und ermahnete meine Gefaͤhrten, Einzuſteigen, und ſchnell die Seile vom Ufer zu loͤſen. Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern. 560 Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen, Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten. 565

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/188>, abgerufen am 21.11.2024.