Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Aber es riefen indeß die zerstreuten Kikonen die andernNahen Kikonen zu Hülfe, die tapferer waren und stärker, Aus der Mitte des Landes. Sie waren geübt, von den Wagen, Und wenn es nöthig war, zu Fuß mit dem Feinde zu kämpfen. 50 Zahllos schwärmten sie jezt, wie die Blätter und Blumem des Frühlings, Mit dem Morgen daher. Da suchte Gottes Verderben Uns Unglückliche heim, und überhäuft' uns mit Jammer. Bei den rüstigen Schiffen begann die wütende Feldschlacht, Und von Treffen zu Treffen entschwirrten die ehernen Lanzen. 55 Weil der heilige Tag noch mit dem Morgen emporstieg, Wehrten wir uns, und trozten der Uebermacht der Kikonen. Aber da nun die Sonne zur Stunde des Stierabspannens Sank, da siegte der Feind, und zwang die Achaier zum Weichen. Jedes der Schiffe verlor sechs wohlgeharnischte Männer; 60 Und wir andern entflohn dem schrecklichen Todesverhängniß. Also steuerten wir mit trauriger Seele von dannen, Oduͤßee. Aber es riefen indeß die zerſtreuten Kikonen die andernNahen Kikonen zu Huͤlfe, die tapferer waren und ſtaͤrker, Aus der Mitte des Landes. Sie waren geuͤbt, von den Wagen, Und wenn es noͤthig war, zu Fuß mit dem Feinde zu kaͤmpfen. 50 Zahllos ſchwaͤrmten ſie jezt, wie die Blaͤtter und Blumem des Fruͤhlings, Mit dem Morgen daher. Da ſuchte Gottes Verderben Uns Ungluͤckliche heim, und uͤberhaͤuft' uns mit Jammer. Bei den ruͤſtigen Schiffen begann die wuͤtende Feldſchlacht, Und von Treffen zu Treffen entſchwirrten die ehernen Lanzen. 55 Weil der heilige Tag noch mit dem Morgen emporſtieg, Wehrten wir uns, und trozten der Uebermacht der Kikonen. Aber da nun die Sonne zur Stunde des Stierabſpannens Sank, da ſiegte der Feind, und zwang die Achaier zum Weichen. Jedes der Schiffe verlor ſechs wohlgeharniſchte Maͤnner; 60 Und wir andern entflohn dem ſchrecklichen Todesverhaͤngniß. Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0170" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> Aber es riefen indeß die zerſtreuten Kikonen die andern<lb/> Nahen Kikonen zu Huͤlfe, die tapferer waren und ſtaͤrker,<lb/> Aus der Mitte des Landes. Sie waren geuͤbt, von den Wagen,<lb/> Und wenn es noͤthig war, zu Fuß mit dem Feinde zu kaͤmpfen. <note place="right">50</note><lb/> Zahllos ſchwaͤrmten ſie jezt, wie die Blaͤtter und Blumem des Fruͤhlings,<lb/> Mit dem Morgen daher. Da ſuchte Gottes Verderben<lb/> Uns Ungluͤckliche heim, und uͤberhaͤuft' uns mit Jammer.<lb/> Bei den ruͤſtigen Schiffen begann die wuͤtende Feldſchlacht,<lb/> Und von Treffen zu Treffen entſchwirrten die ehernen Lanzen. <note place="right">55</note><lb/> Weil der heilige Tag noch mit dem Morgen emporſtieg,<lb/> Wehrten wir uns, und trozten der Uebermacht der Kikonen.<lb/> Aber da nun die Sonne zur Stunde des Stierabſpannens<lb/> Sank, da ſiegte der Feind, und zwang die Achaier zum Weichen.<lb/> Jedes der Schiffe verlor ſechs wohlgeharniſchte Maͤnner; <note place="right">60</note><lb/> Und wir andern entflohn dem ſchrecklichen Todesverhaͤngniß.</p><lb/> <p>Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen,<lb/> Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten.<lb/> Doch nicht eher enteilten die gleichgeruderten Schiffe,<lb/> Ehe wir dreimal jedem der armen Freunde gerufen, <note place="right">65</note><lb/> Welche der ſiegende Feind auf dem Schlachtgefilde getoͤdtet.<lb/> Aber nun ſandt' auf die Schiffe der Wolkenverſammler des Nordwinds<lb/> Fuͤrchterlich heulenden Sturm, verhuͤllt in dicke Gewoͤlke<lb/> Meer und Erde zugleich; und dem duͤſtern Himmel entſank Nacht.<lb/> Schnell mit geſunkenen Maſten entflogen die Schiff'; und mit Einmal <note place="right">70</note><lb/> Raßelte rauſchend der Sturm, und zerriß die flatternden Segel.<lb/> Eilend zogen wir ſie, aus Furcht zu ſcheitern, herunter,<lb/> Und arbeiteten uns mit dem Ruder ans nahe Geſtade.<lb/> Zwo graunvolle Naͤchte und zween langwierige Tage<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0170]
Oduͤßee.
Aber es riefen indeß die zerſtreuten Kikonen die andern
Nahen Kikonen zu Huͤlfe, die tapferer waren und ſtaͤrker,
Aus der Mitte des Landes. Sie waren geuͤbt, von den Wagen,
Und wenn es noͤthig war, zu Fuß mit dem Feinde zu kaͤmpfen.
Zahllos ſchwaͤrmten ſie jezt, wie die Blaͤtter und Blumem des Fruͤhlings,
Mit dem Morgen daher. Da ſuchte Gottes Verderben
Uns Ungluͤckliche heim, und uͤberhaͤuft' uns mit Jammer.
Bei den ruͤſtigen Schiffen begann die wuͤtende Feldſchlacht,
Und von Treffen zu Treffen entſchwirrten die ehernen Lanzen.
Weil der heilige Tag noch mit dem Morgen emporſtieg,
Wehrten wir uns, und trozten der Uebermacht der Kikonen.
Aber da nun die Sonne zur Stunde des Stierabſpannens
Sank, da ſiegte der Feind, und zwang die Achaier zum Weichen.
Jedes der Schiffe verlor ſechs wohlgeharniſchte Maͤnner;
Und wir andern entflohn dem ſchrecklichen Todesverhaͤngniß.
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Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen,
Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten.
Doch nicht eher enteilten die gleichgeruderten Schiffe,
Ehe wir dreimal jedem der armen Freunde gerufen,
Welche der ſiegende Feind auf dem Schlachtgefilde getoͤdtet.
Aber nun ſandt' auf die Schiffe der Wolkenverſammler des Nordwinds
Fuͤrchterlich heulenden Sturm, verhuͤllt in dicke Gewoͤlke
Meer und Erde zugleich; und dem duͤſtern Himmel entſank Nacht.
Schnell mit geſunkenen Maſten entflogen die Schiff'; und mit Einmal
Raßelte rauſchend der Sturm, und zerriß die flatternden Segel.
Eilend zogen wir ſie, aus Furcht zu ſcheitern, herunter,
Und arbeiteten uns mit dem Ruder ans nahe Geſtade.
Zwo graunvolle Naͤchte und zween langwierige Tage
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