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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Poseidaon kam, der Erdumgürter; und Hermäs
Kam, der Bringer des Heils; es kam der Schüze Apollon.
Aber die Göttinnen blieben vor Scham in ihren Gemächern.
Jezo standen die Götter, die Geber des Guten, im Vorsaal; 325
Und ein langes Gelächter erscholl bei den seligen Göttern,
Als sie die Künste sahn des klugen Erfinders Häfaistos.
Und man wendete sich zu seinem Nachbar, und sagte:

Böses gedeihet doch nicht; der Langsame haschet den Schnellen!
Also ertappt Häfaistos, der Langsame, jezo den Aräs, 330
Welcher am hurtigsten ist von den Göttern des hohen Olümpos,
Er der Lahme, durch Kunst. Nun büßt ihm der Ehebrecher!

Also besprachen sich die Himmlischen unter einander.
Aber zu Hermäs sprach Zeus Sohn, der Herscher Apollon:

Hermäs, Zeus Gesandter und Sohn, du Geber des Guten, 335
Hättest du auch wohl Lust, von so starken Banden gefeßelt,
In dem Bette zu ruhn bei der goldenen Afroditä?

Ihm erwiederte darauf der geschäftige Argosbesieger:
O geschähe doch das, ferntreffender Herscher Apollon!
Feßelten mich auch dreimal so viel unendliche Bande, 340
Und ihr Götter sähet es an, und die Göttinnen alle:
Siehe so schlief' ich doch bei der goldenen Afroditä!

Also sprach er; da lachten laut die unsterblichen Götter.
Nur Poseidon lachte nicht mit; er wandte sich bittend
Zum kunstreichen Häfaistos, den Kriegsgott wieder zu lösen. 345
Und er redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Lös' ihn! Ich stehe dafür: er soll, wie du es verlangest,
Vor den unsterblichen Göttern dir alles bezahlen, was recht ist.

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherscher:

Oduͤßee.
Poſeidaon kam, der Erdumguͤrter; und Hermaͤs
Kam, der Bringer des Heils; es kam der Schuͤze Apollon.
Aber die Goͤttinnen blieben vor Scham in ihren Gemaͤchern.
Jezo ſtanden die Goͤtter, die Geber des Guten, im Vorſaal; 325
Und ein langes Gelaͤchter erſcholl bei den ſeligen Goͤttern,
Als ſie die Kuͤnſte ſahn des klugen Erfinders Haͤfaiſtos.
Und man wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Boͤſes gedeihet doch nicht; der Langſame haſchet den Schnellen!
Alſo ertappt Haͤfaiſtos, der Langſame, jezo den Araͤs, 330
Welcher am hurtigſten iſt von den Goͤttern des hohen Oluͤmpos,
Er der Lahme, durch Kunſt. Nun buͤßt ihm der Ehebrecher!

Alſo beſprachen ſich die Himmliſchen unter einander.
Aber zu Hermaͤs ſprach Zeus Sohn, der Herſcher Apollon:

Hermaͤs, Zeus Geſandter und Sohn, du Geber des Guten, 335
Haͤtteſt du auch wohl Luſt, von ſo ſtarken Banden gefeßelt,
In dem Bette zu ruhn bei der goldenen Afroditaͤ?

Ihm erwiederte darauf der geſchaͤftige Argosbeſieger:
O geſchaͤhe doch das, ferntreffender Herſcher Apollon!
Feßelten mich auch dreimal ſo viel unendliche Bande, 340
Und ihr Goͤtter ſaͤhet es an, und die Goͤttinnen alle:
Siehe ſo ſchlief' ich doch bei der goldenen Afroditaͤ!

Alſo ſprach er; da lachten laut die unſterblichen Goͤtter.
Nur Poſeidon lachte nicht mit; er wandte ſich bittend
Zum kunſtreichen Haͤfaiſtos, den Kriegsgott wieder zu loͤſen. 345
Und er redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Loͤſ' ihn! Ich ſtehe dafuͤr: er ſoll, wie du es verlangeſt,
Vor den unſterblichen Goͤttern dir alles bezahlen, was recht iſt.

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherſcher:

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[152/0158] Oduͤßee. Poſeidaon kam, der Erdumguͤrter; und Hermaͤs Kam, der Bringer des Heils; es kam der Schuͤze Apollon. Aber die Goͤttinnen blieben vor Scham in ihren Gemaͤchern. Jezo ſtanden die Goͤtter, die Geber des Guten, im Vorſaal; Und ein langes Gelaͤchter erſcholl bei den ſeligen Goͤttern, Als ſie die Kuͤnſte ſahn des klugen Erfinders Haͤfaiſtos. Und man wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte: 325 Boͤſes gedeihet doch nicht; der Langſame haſchet den Schnellen! Alſo ertappt Haͤfaiſtos, der Langſame, jezo den Araͤs, Welcher am hurtigſten iſt von den Goͤttern des hohen Oluͤmpos, Er der Lahme, durch Kunſt. Nun buͤßt ihm der Ehebrecher! 330 Alſo beſprachen ſich die Himmliſchen unter einander. Aber zu Hermaͤs ſprach Zeus Sohn, der Herſcher Apollon: Hermaͤs, Zeus Geſandter und Sohn, du Geber des Guten, Haͤtteſt du auch wohl Luſt, von ſo ſtarken Banden gefeßelt, In dem Bette zu ruhn bei der goldenen Afroditaͤ? 335 Ihm erwiederte darauf der geſchaͤftige Argosbeſieger: O geſchaͤhe doch das, ferntreffender Herſcher Apollon! Feßelten mich auch dreimal ſo viel unendliche Bande, Und ihr Goͤtter ſaͤhet es an, und die Goͤttinnen alle: Siehe ſo ſchlief' ich doch bei der goldenen Afroditaͤ! 340 Alſo ſprach er; da lachten laut die unſterblichen Goͤtter. Nur Poſeidon lachte nicht mit; er wandte ſich bittend Zum kunſtreichen Haͤfaiſtos, den Kriegsgott wieder zu loͤſen. Und er redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte: 345 Loͤſ' ihn! Ich ſtehe dafuͤr: er ſoll, wie du es verlangeſt, Vor den unſterblichen Goͤttern dir alles bezahlen, was recht iſt. Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherſcher:

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/158>, abgerufen am 07.05.2024.