hatte zu vielen poetischen Anstrich. Entzückt sein, hieß ihm noch oft Bemerken. Gelino beruhigte sich aber dabei, indem er wohl wußte, aus dem jugendlichen Genie könne erst die Gründlichkeit als eine Frucht der Jahre hervorkeimen. Laß uns jetze eine andere Wohnung suchen, sagte Gelino.
"Schon wieder? Ich meinte, diese sei dir bequem?"
Eine noch bequemere.
"Wie du willst, ich will ohnehin ein wenig ins Freie. Seit drei Tagen kam ich nicht unter dem Dache weg."
Sie traten hinaus. Guido sah einen großen schönen Platz, ihm unbekannt. Was ist das? fragte er, den Platz sah ich noch nicht, und glaubte doch ganz Moskau durchirrt zu haben. Auch schien mir, unser Haus läge in einer en¬ gen Gasse, da wir es neulich am Abend be¬ zogen.
O wir sind nicht in Moskau, rief Gelino lächelnd.
Guido blickte ihn verwundert an.
Jener fuhr fort: Du bist in Petersburg. Das Haus war ein Schlitten. Du hast nur
hatte zu vielen poetiſchen Anſtrich. Entzuͤckt ſein, hieß ihm noch oft Bemerken. Gelino beruhigte ſich aber dabei, indem er wohl wußte, aus dem jugendlichen Genie koͤnne erſt die Gruͤndlichkeit als eine Frucht der Jahre hervorkeimen. Laß uns jetze eine andere Wohnung ſuchen, ſagte Gelino.
„Schon wieder? Ich meinte, dieſe ſei dir bequem?“
Eine noch bequemere.
„Wie du willſt, ich will ohnehin ein wenig ins Freie. Seit drei Tagen kam ich nicht unter dem Dache weg.“
Sie traten hinaus. Guido ſah einen großen ſchoͤnen Platz, ihm unbekannt. Was iſt das? fragte er, den Platz ſah ich noch nicht, und glaubte doch ganz Moskau durchirrt zu haben. Auch ſchien mir, unſer Haus laͤge in einer en¬ gen Gaſſe, da wir es neulich am Abend be¬ zogen.
O wir ſind nicht in Moskau, rief Gelino laͤchelnd.
Guido blickte ihn verwundert an.
Jener fuhr fort: Du biſt in Petersburg. Das Haus war ein Schlitten. Du haſt nur
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hatte zu vielen poetiſchen Anſtrich. Entzuͤckt ſein,
hieß ihm noch oft Bemerken. Gelino beruhigte
ſich aber dabei, indem er wohl wußte, aus dem
jugendlichen Genie koͤnne erſt die Gruͤndlichkeit
als eine Frucht der Jahre hervorkeimen. Laß
uns jetze eine andere Wohnung ſuchen, ſagte
Gelino.
„Schon wieder? Ich meinte, dieſe ſei dir
bequem?“
Eine noch bequemere.
„Wie du willſt, ich will ohnehin ein wenig
ins Freie. Seit drei Tagen kam ich nicht unter
dem Dache weg.“
Sie traten hinaus. Guido ſah einen großen
ſchoͤnen Platz, ihm unbekannt. Was iſt das?
fragte er, den Platz ſah ich noch nicht, und
glaubte doch ganz Moskau durchirrt zu haben.
Auch ſchien mir, unſer Haus laͤge in einer en¬
gen Gaſſe, da wir es neulich am Abend be¬
zogen.
O wir ſind nicht in Moskau, rief Gelino
laͤchelnd.
Guido blickte ihn verwundert an.
Jener fuhr fort: Du biſt in Petersburg.
Das Haus war ein Schlitten. Du haſt nur
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/144>, abgerufen am 24.11.2024.
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