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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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sich die Unsterblichkeit errungen. Die kleinliche Seele des grossen Herrschers fand aber ein besonderes Vergnügen daran, der Herr dieses Halbgottes zu heissen; darum liess er zwei dieser zehn Arbeiten nicht gelten: den Kampf mit der lernäischen Hydra, weil er ihn nicht allein vollbracht, und die Reinigung der Augeasställe, weil sie um Lohn vollbracht war. So musste sich H. noch zu zwei andern bequemen, und diese waren: die Aepfel der Hesperiden dem König zu bringen, und den Höllenbund Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen; daher kam es, dass er zwölf Arbeiten statt zehn verrichtete. - Ein hundertköpfiger Drache hütete am Atlas die Gärten der Hesperiden (s. d.). Dorthin zog nunmehr H.; am Flusse Echedorus forderte Cycnus (s. d.) ihn zum Zweikampf heraus, er ward erschlagen, und nun nahm Mars selbst für seinen Sohn den Streit auf, bis Jupiter einen Blitz zwischen die Ringenden warf und sie trennte. H. kam nun durch Illyrien; dort erfuhr er von Nymphen, Töchtern des Jupiter und der Themis, auf welche Weise er sich des Nereus bemächtigen könne, der ihm dann sagen werde, wo die Hesperiden seien. Im Schlafe ward nämlich der hundertgestaltige Meeresgott gefesselt, und er musste nun dem Helden über Alles, was er wissen wollte, Aufschluss geben. H. zog durch Libyen; dort wohnte und herrschte ein Sohn des Neptun, Antäus, der die Fremden alle zum Ringen zwang, und sie stets überwand und tödtete, da er, ein Sohn der Erde, immer neue Kräfte von dieser bekam. Auch H. ward zum Kampfe gezwungen, und musste, obwohl er den fünfzig Ellen langen Riesen stets überwand, doch immer von Neuem mit dem kaum Niedergeworfenen ringen, bis er ihn in die Luft hob und zusammendrückte, bis er erstickt war. Von Libyen zum Atlas ging nun H. über Aegypten, durch ganz Asien, von da nach Arabien, von da nach dem Kaukasus, und nun zu den Hyperboreern am Atlas, an der westlichen Grenze des Oceanus. Ueber Aegypten herrschte damals Neptuns Sohn Busiris; dieser opferte, einem Orakelspruch zu Folge, alle Fremden dem Jupiter, und so sollte es H. auch gehen; er aber zerriss am Altare seine Bande, erschlug Busiris, dessen Sohn Amphidamus, den Herold Chalbes, opferte den Erstern dem Zeus, und schaffte hiemit die Menschenopfer ab. Hierauf durchzog er Asien, und kam dann nach Arabien, tödtete den Emathion, Sohn des Tithonus, gelangte zum Kaukasus, tödtete den Adler, der täglich die Leber des Prometheus zu verzehren kam, befreite den Titanen, stellte für ihn einen andern Unsterblichen, den Chiron, welcher, durch die vergiftete Pfeilwunde gequält, sich


Fig. 151.
den Tod wünschte, und kam endlich zum Atlas, zu den Hyperboreern. Dort gab ihm der befreite Prometheus den Rath, die Aepfel nicht selbst zu holen, sondern diess dem Atlas zu übertragen, welcher, auf dem Gipfel des Gebirges stehend, den Himmel trug. Der Greis fand sich dazu willig, wenn H., bis er zurückkomme, an seine Stelle treten wolle, was auch geschah, worauf Atlas drei der goldenen Aepfel holte. Allein nun wollte er selbst sie zu Eurystheus bringen, und H. stehen lassen; dieser schien sich in sein Schicksal zu ergeben, und sprach, wenn er denn einmal bestimmt dazu sei, wolle er sich's wenigstens bequem machen, und sich ein Polster unter das Knie legen, auf welchem er ruhete. Atlas unterstützte nun den Himmel, bis H. diess gethan hätte; dieser aber nahm, sobald der Greis wieder an seinem Posten stand, die Aepfel, und ging mit ihnen davon. Eurystheus überliess sie dem tapfern Sohne Jupiters, dieser schenkte sie der Minerva, welche sie an den vorigen Ort zurückbrachte. Um den Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen, liess sich H. zuerst vom Morde der Centauren entsündigen, dann in die eleusinischen Geheimnisse aufnehmen, und ging nun zur Unterwelt, die er in Laconien, bei der Stadt Tänarus, durch eine Höhle betrat. Alle Schatten, ausser dem des muthigen Meleager und der Gorgone Medusa, entflohen; gegen Letztere zog H. das Schwert, bis Mercur ihm sagte, dass es ein blosses Phantom sei. An den Pforten des Hades fand er Theseus und Pirithous, welche Proserpina hatten rauben wollen, und desshalb an einen Felsen mit dem Hintertheil angewachsen waren. Sie streckten nach H. die Hände aus. Den Theseus erhob der Halbgott mit Zurücklassung eines Theiles von seinem Gesässe, aber als er die Hand auch nach Pirithous ausstreckte, erbebte die Erde. Den Stein, den Ceres auf den Ascalaphus gewälzt, als dieser verrathen, dass Proserpina bereits mit Pluto einen Granatapfel gegessen, wälzte H. von dem Frevler ab, doch verwandelte Ceres ihn in eine Nachteule; eines der Rinder des Pluto schlachtete er auch, um die Seelen mit Blut zu tränken, und brach dem Menötius, der diess ihm wehren wollte, die Rippen entzwei, worauf ihn Proserpina losbat. Nun sagte er dem Pluto seinen Auftrag, und dieser erlaubte ihm, denselben zu vollziehen, wenn er es ohne Waffen thun könne. Nur mit der Löwenhaut bedeckt, umschlang der Held das dreiköpfige Ungeheuer, und trotz der Bisse des Drachens, in den sein Schwanz endigte, brachte er es doch an's Tageslicht, was dem Cerberus so entsetzlich war, dass er aus allen drei Rachen spie, wovon die Giftpflanze Aconitum erwuchs; dann

sich die Unsterblichkeit errungen. Die kleinliche Seele des grossen Herrschers fand aber ein besonderes Vergnügen daran, der Herr dieses Halbgottes zu heissen; darum liess er zwei dieser zehn Arbeiten nicht gelten: den Kampf mit der lernäischen Hydra, weil er ihn nicht allein vollbracht, und die Reinigung der Augeasställe, weil sie um Lohn vollbracht war. So musste sich H. noch zu zwei andern bequemen, und diese waren: die Aepfel der Hesperiden dem König zu bringen, und den Höllenbund Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen; daher kam es, dass er zwölf Arbeiten statt zehn verrichtete. – Ein hundertköpfiger Drache hütete am Atlas die Gärten der Hesperiden (s. d.). Dorthin zog nunmehr H.; am Flusse Echedorus forderte Cycnus (s. d.) ihn zum Zweikampf heraus, er ward erschlagen, und nun nahm Mars selbst für seinen Sohn den Streit auf, bis Jupiter einen Blitz zwischen die Ringenden warf und sie trennte. H. kam nun durch Illyrien; dort erfuhr er von Nymphen, Töchtern des Jupiter und der Themis, auf welche Weise er sich des Nereus bemächtigen könne, der ihm dann sagen werde, wo die Hesperiden seien. Im Schlafe ward nämlich der hundertgestaltige Meeresgott gefesselt, und er musste nun dem Helden über Alles, was er wissen wollte, Aufschluss geben. H. zog durch Libyen; dort wohnte und herrschte ein Sohn des Neptun, Antäus, der die Fremden alle zum Ringen zwang, und sie stets überwand und tödtete, da er, ein Sohn der Erde, immer neue Kräfte von dieser bekam. Auch H. ward zum Kampfe gezwungen, und musste, obwohl er den fünfzig Ellen langen Riesen stets überwand, doch immer von Neuem mit dem kaum Niedergeworfenen ringen, bis er ihn in die Luft hob und zusammendrückte, bis er erstickt war. Von Libyen zum Atlas ging nun H. über Aegypten, durch ganz Asien, von da nach Arabien, von da nach dem Kaukasus, und nun zu den Hyperboreern am Atlas, an der westlichen Grenze des Oceanus. Ueber Aegypten herrschte damals Neptuns Sohn Busiris; dieser opferte, einem Orakelspruch zu Folge, alle Fremden dem Jupiter, und so sollte es H. auch gehen; er aber zerriss am Altare seine Bande, erschlug Busiris, dessen Sohn Amphidamus, den Herold Chalbes, opferte den Erstern dem Zeus, und schaffte hiemit die Menschenopfer ab. Hierauf durchzog er Asien, und kam dann nach Arabien, tödtete den Emathion, Sohn des Tithonus, gelangte zum Kaukasus, tödtete den Adler, der täglich die Leber des Prometheus zu verzehren kam, befreite den Titanen, stellte für ihn einen andern Unsterblichen, den Chiron, welcher, durch die vergiftete Pfeilwunde gequält, sich


Fig. 151.
den Tod wünschte, und kam endlich zum Atlas, zu den Hyperboreern. Dort gab ihm der befreite Prometheus den Rath, die Aepfel nicht selbst zu holen, sondern diess dem Atlas zu übertragen, welcher, auf dem Gipfel des Gebirges stehend, den Himmel trug. Der Greis fand sich dazu willig, wenn H., bis er zurückkomme, an seine Stelle treten wolle, was auch geschah, worauf Atlas drei der goldenen Aepfel holte. Allein nun wollte er selbst sie zu Eurystheus bringen, und H. stehen lassen; dieser schien sich in sein Schicksal zu ergeben, und sprach, wenn er denn einmal bestimmt dazu sei, wolle er sich's wenigstens bequem machen, und sich ein Polster unter das Knie legen, auf welchem er ruhete. Atlas unterstützte nun den Himmel, bis H. diess gethan hätte; dieser aber nahm, sobald der Greis wieder an seinem Posten stand, die Aepfel, und ging mit ihnen davon. Eurystheus überliess sie dem tapfern Sohne Jupiters, dieser schenkte sie der Minerva, welche sie an den vorigen Ort zurückbrachte. Um den Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen, liess sich H. zuerst vom Morde der Centauren entsündigen, dann in die eleusinischen Geheimnisse aufnehmen, und ging nun zur Unterwelt, die er in Laconien, bei der Stadt Tänarus, durch eine Höhle betrat. Alle Schatten, ausser dem des muthigen Meleager und der Gorgone Medusa, entflohen; gegen Letztere zog H. das Schwert, bis Mercur ihm sagte, dass es ein blosses Phantom sei. An den Pforten des Hades fand er Theseus und Pirithous, welche Proserpina hatten rauben wollen, und desshalb an einen Felsen mit dem Hintertheil angewachsen waren. Sie streckten nach H. die Hände aus. Den Theseus erhob der Halbgott mit Zurücklassung eines Theiles von seinem Gesässe, aber als er die Hand auch nach Pirithous ausstreckte, erbebte die Erde. Den Stein, den Ceres auf den Ascalaphus gewälzt, als dieser verrathen, dass Proserpina bereits mit Pluto einen Granatapfel gegessen, wälzte H. von dem Frevler ab, doch verwandelte Ceres ihn in eine Nachteule; eines der Rinder des Pluto schlachtete er auch, um die Seelen mit Blut zu tränken, und brach dem Menötius, der diess ihm wehren wollte, die Rippen entzwei, worauf ihn Proserpina losbat. Nun sagte er dem Pluto seinen Auftrag, und dieser erlaubte ihm, denselben zu vollziehen, wenn er es ohne Waffen thun könne. Nur mit der Löwenhaut bedeckt, umschlang der Held das dreiköpfige Ungeheuer, und trotz der Bisse des Drachens, in den sein Schwanz endigte, brachte er es doch an's Tageslicht, was dem Cerberus so entsetzlich war, dass er aus allen drei Rachen spie, wovon die Giftpflanze Aconitum erwuchs; dann

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sich die Unsterblichkeit errungen. Die kleinliche Seele des grossen Herrschers fand aber ein besonderes Vergnügen daran, der Herr dieses Halbgottes zu heissen; darum liess er zwei dieser zehn Arbeiten nicht gelten: den Kampf mit der lernäischen Hydra, weil er ihn nicht allein vollbracht, und die Reinigung der Augeasställe, weil sie um Lohn vollbracht war. So musste sich H. noch zu zwei andern bequemen, und diese waren: die Aepfel der Hesperiden dem König zu bringen, und den Höllenbund Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen; daher kam es, dass er <hi rendition="#g">zwölf</hi> Arbeiten statt <hi rendition="#g">zehn</hi> verrichtete. &#x2013; Ein hundertköpfiger Drache hütete am Atlas die Gärten der Hesperiden (s. d.). Dorthin zog nunmehr H.; am Flusse Echedorus forderte Cycnus (s. d.) ihn zum Zweikampf heraus, er ward erschlagen, und nun nahm Mars selbst für seinen Sohn den Streit auf, bis Jupiter einen Blitz zwischen die Ringenden warf und sie trennte. H. kam nun durch Illyrien; dort erfuhr er von Nymphen, Töchtern des Jupiter und der Themis, auf welche Weise er sich des Nereus bemächtigen könne, der ihm dann sagen werde, wo die Hesperiden seien. Im Schlafe ward nämlich der hundertgestaltige Meeresgott gefesselt, und er musste nun dem Helden über Alles, was er wissen wollte, Aufschluss geben. H. zog durch Libyen; dort wohnte und herrschte ein Sohn des Neptun, Antäus, der die Fremden alle zum Ringen zwang, und sie stets überwand und tödtete, da er, ein Sohn der Erde, immer neue Kräfte von dieser bekam. Auch H. ward zum Kampfe gezwungen, und musste, obwohl er den fünfzig Ellen langen Riesen stets überwand, doch immer von Neuem mit dem kaum Niedergeworfenen ringen, bis er ihn in die Luft hob und zusammendrückte, bis er erstickt war. Von Libyen zum Atlas ging nun H. über Aegypten, durch ganz Asien, von da nach Arabien, von da nach dem Kaukasus, und nun zu den Hyperboreern am Atlas, an der westlichen Grenze des Oceanus. Ueber Aegypten herrschte damals Neptuns Sohn Busiris; dieser opferte, einem Orakelspruch zu Folge, alle Fremden dem Jupiter, und so sollte es H. auch gehen; er aber zerriss am Altare seine Bande, erschlug Busiris, dessen Sohn Amphidamus, den Herold Chalbes, opferte den Erstern dem Zeus, und schaffte hiemit die Menschenopfer ab. Hierauf durchzog er Asien, und kam dann nach Arabien, tödtete den Emathion, Sohn des Tithonus, gelangte zum Kaukasus, tödtete den Adler, der täglich die Leber des Prometheus zu verzehren kam, befreite den Titanen, stellte für ihn einen andern Unsterblichen, den Chiron, welcher, durch die vergiftete Pfeilwunde gequält, sich<lb/><figure facs="https://media.dwds.de/dta/images/vollmer_mythologie_1874/figures/vollmer_mythologie_1874_figure-0151.jpg" rendition="#c"><head>Fig. 151.</head><lb/></figure><lb/>
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[241/0311] sich die Unsterblichkeit errungen. Die kleinliche Seele des grossen Herrschers fand aber ein besonderes Vergnügen daran, der Herr dieses Halbgottes zu heissen; darum liess er zwei dieser zehn Arbeiten nicht gelten: den Kampf mit der lernäischen Hydra, weil er ihn nicht allein vollbracht, und die Reinigung der Augeasställe, weil sie um Lohn vollbracht war. So musste sich H. noch zu zwei andern bequemen, und diese waren: die Aepfel der Hesperiden dem König zu bringen, und den Höllenbund Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen; daher kam es, dass er zwölf Arbeiten statt zehn verrichtete. – Ein hundertköpfiger Drache hütete am Atlas die Gärten der Hesperiden (s. d.). Dorthin zog nunmehr H.; am Flusse Echedorus forderte Cycnus (s. d.) ihn zum Zweikampf heraus, er ward erschlagen, und nun nahm Mars selbst für seinen Sohn den Streit auf, bis Jupiter einen Blitz zwischen die Ringenden warf und sie trennte. H. kam nun durch Illyrien; dort erfuhr er von Nymphen, Töchtern des Jupiter und der Themis, auf welche Weise er sich des Nereus bemächtigen könne, der ihm dann sagen werde, wo die Hesperiden seien. Im Schlafe ward nämlich der hundertgestaltige Meeresgott gefesselt, und er musste nun dem Helden über Alles, was er wissen wollte, Aufschluss geben. H. zog durch Libyen; dort wohnte und herrschte ein Sohn des Neptun, Antäus, der die Fremden alle zum Ringen zwang, und sie stets überwand und tödtete, da er, ein Sohn der Erde, immer neue Kräfte von dieser bekam. Auch H. ward zum Kampfe gezwungen, und musste, obwohl er den fünfzig Ellen langen Riesen stets überwand, doch immer von Neuem mit dem kaum Niedergeworfenen ringen, bis er ihn in die Luft hob und zusammendrückte, bis er erstickt war. Von Libyen zum Atlas ging nun H. über Aegypten, durch ganz Asien, von da nach Arabien, von da nach dem Kaukasus, und nun zu den Hyperboreern am Atlas, an der westlichen Grenze des Oceanus. Ueber Aegypten herrschte damals Neptuns Sohn Busiris; dieser opferte, einem Orakelspruch zu Folge, alle Fremden dem Jupiter, und so sollte es H. auch gehen; er aber zerriss am Altare seine Bande, erschlug Busiris, dessen Sohn Amphidamus, den Herold Chalbes, opferte den Erstern dem Zeus, und schaffte hiemit die Menschenopfer ab. Hierauf durchzog er Asien, und kam dann nach Arabien, tödtete den Emathion, Sohn des Tithonus, gelangte zum Kaukasus, tödtete den Adler, der täglich die Leber des Prometheus zu verzehren kam, befreite den Titanen, stellte für ihn einen andern Unsterblichen, den Chiron, welcher, durch die vergiftete Pfeilwunde gequält, sich [Abbildung Fig. 151. ] den Tod wünschte, und kam endlich zum Atlas, zu den Hyperboreern. Dort gab ihm der befreite Prometheus den Rath, die Aepfel nicht selbst zu holen, sondern diess dem Atlas zu übertragen, welcher, auf dem Gipfel des Gebirges stehend, den Himmel trug. Der Greis fand sich dazu willig, wenn H., bis er zurückkomme, an seine Stelle treten wolle, was auch geschah, worauf Atlas drei der goldenen Aepfel holte. Allein nun wollte er selbst sie zu Eurystheus bringen, und H. stehen lassen; dieser schien sich in sein Schicksal zu ergeben, und sprach, wenn er denn einmal bestimmt dazu sei, wolle er sich's wenigstens bequem machen, und sich ein Polster unter das Knie legen, auf welchem er ruhete. Atlas unterstützte nun den Himmel, bis H. diess gethan hätte; dieser aber nahm, sobald der Greis wieder an seinem Posten stand, die Aepfel, und ging mit ihnen davon. Eurystheus überliess sie dem tapfern Sohne Jupiters, dieser schenkte sie der Minerva, welche sie an den vorigen Ort zurückbrachte. Um den Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen, liess sich H. zuerst vom Morde der Centauren entsündigen, dann in die eleusinischen Geheimnisse aufnehmen, und ging nun zur Unterwelt, die er in Laconien, bei der Stadt Tänarus, durch eine Höhle betrat. Alle Schatten, ausser dem des muthigen Meleager und der Gorgone Medusa, entflohen; gegen Letztere zog H. das Schwert, bis Mercur ihm sagte, dass es ein blosses Phantom sei. An den Pforten des Hades fand er Theseus und Pirithous, welche Proserpina hatten rauben wollen, und desshalb an einen Felsen mit dem Hintertheil angewachsen waren. Sie streckten nach H. die Hände aus. Den Theseus erhob der Halbgott mit Zurücklassung eines Theiles von seinem Gesässe, aber als er die Hand auch nach Pirithous ausstreckte, erbebte die Erde. Den Stein, den Ceres auf den Ascalaphus gewälzt, als dieser verrathen, dass Proserpina bereits mit Pluto einen Granatapfel gegessen, wälzte H. von dem Frevler ab, doch verwandelte Ceres ihn in eine Nachteule; eines der Rinder des Pluto schlachtete er auch, um die Seelen mit Blut zu tränken, und brach dem Menötius, der diess ihm wehren wollte, die Rippen entzwei, worauf ihn Proserpina losbat. Nun sagte er dem Pluto seinen Auftrag, und dieser erlaubte ihm, denselben zu vollziehen, wenn er es ohne Waffen thun könne. Nur mit der Löwenhaut bedeckt, umschlang der Held das dreiköpfige Ungeheuer, und trotz der Bisse des Drachens, in den sein Schwanz endigte, brachte er es doch an's Tageslicht, was dem Cerberus so entsetzlich war, dass er aus allen drei Rachen spie, wovon die Giftpflanze Aconitum erwuchs; dann

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/311>, abgerufen am 24.11.2024.