Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Gut und Blut einzusetzen und voran in den Kampf zu ziehen für Freiheit, Einheit, Macht und Größe des Ameisenhaufens. Sie würde kein Gehör finden! "Phrase! Langweilerei! Gehe hin und arbeite!" würden die zärtlichen Wärterinnen der Puppen, die kriegerischen Johannesritter, die Arbeiter und Vertheidiger, die praktischen Staatsmänner des Stockes rufen.

Aber laßt eine Andere herantreten, eine jener struppigen Ameisen aus der Kaste der Arbeiter und Wühler und ihren Kameraden zurufen: "Was schleppt Ihr Euch hier ab mit Hölzchen und Rindenschüppchen? Ihr quält Euch um ärmliche Nahrung in erbärmlichen Verhältnissen! Eure Puppen gedeihen nicht, weil der Wanzenstrauch drüben ihnen die Sonne nimmt, Euer Haufen wächst nicht, weil Ihr das Holz aus der Ferne herbeischleifen müßt. Drüben aber ist's anders! Alle Blätter sitzen voll von herrlichem Blattlaus-Melkvieh, alle Gräser sind von Honigthau überzogen. Zwar wehren uns die rothröckigen Wanzen den Uebergang, aber wir werden sie schlagen! Auf denn, eine Brücke gebaut, eine Flotte auf den Bach geschickt, Straßen angelegt zur Beischaffung des Kriegsmaterials - auf, drüben winkt ein sorgenfreies Leben, ein Leben voll Honig und süßer Blattlausmilch!" Nach solcher Rede würde die ganze Staatsgesellschaft ihre äußersten Kräfte anstrengen. In Laufgräben und bedeckten Wegen dringt sie zum Ufer vor; ihre Schiffe bedecken den Bach und bilden bald eine Brücke; ob auch Tausende der Pioniere vom Strome fortgerissen werden, die Reisigen stürzen in zahllosen Schaaren zum Angriff, wüthend fallen sie über die Rothröcke her und bald sind die Sträucher erobert, die Blattläuse dienstbar gemacht und

Gut und Blut einzusetzen und voran in den Kampf zu ziehen für Freiheit, Einheit, Macht und Größe des Ameisenhaufens. Sie würde kein Gehör finden! „Phrase! Langweilerei! Gehe hin und arbeite!“ würden die zärtlichen Wärterinnen der Puppen, die kriegerischen Johannesritter, die Arbeiter und Vertheidiger, die praktischen Staatsmänner des Stockes rufen.

Aber laßt eine Andere herantreten, eine jener struppigen Ameisen aus der Kaste der Arbeiter und Wühler und ihren Kameraden zurufen: „Was schleppt Ihr Euch hier ab mit Hölzchen und Rindenschüppchen? Ihr quält Euch um ärmliche Nahrung in erbärmlichen Verhältnissen! Eure Puppen gedeihen nicht, weil der Wanzenstrauch drüben ihnen die Sonne nimmt, Euer Haufen wächst nicht, weil Ihr das Holz aus der Ferne herbeischleifen müßt. Drüben aber ist’s anders! Alle Blätter sitzen voll von herrlichem Blattlaus-Melkvieh, alle Gräser sind von Honigthau überzogen. Zwar wehren uns die rothröckigen Wanzen den Uebergang, aber wir werden sie schlagen! Auf denn, eine Brücke gebaut, eine Flotte auf den Bach geschickt, Straßen angelegt zur Beischaffung des Kriegsmaterials – auf, drüben winkt ein sorgenfreies Leben, ein Leben voll Honig und süßer Blattlausmilch!“ Nach solcher Rede würde die ganze Staatsgesellschaft ihre äußersten Kräfte anstrengen. In Laufgräben und bedeckten Wegen dringt sie zum Ufer vor; ihre Schiffe bedecken den Bach und bilden bald eine Brücke; ob auch Tausende der Pioniere vom Strome fortgerissen werden, die Reisigen stürzen in zahllosen Schaaren zum Angriff, wüthend fallen sie über die Rothröcke her und bald sind die Sträucher erobert, die Blattläuse dienstbar gemacht und

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="14"/>
Gut und Blut einzusetzen und voran in den Kampf zu ziehen für Freiheit, Einheit, Macht und Größe des Ameisenhaufens. Sie würde kein Gehör finden! &#x201E;Phrase! Langweilerei! Gehe hin und arbeite!&#x201C; würden die zärtlichen Wärterinnen der Puppen, die kriegerischen Johannesritter, die Arbeiter und Vertheidiger, die praktischen Staatsmänner des Stockes rufen.</p>
        <p>Aber laßt eine Andere herantreten, eine jener struppigen Ameisen aus der Kaste der Arbeiter und Wühler und ihren Kameraden zurufen: &#x201E;Was schleppt Ihr Euch hier ab mit Hölzchen und Rindenschüppchen? Ihr quält Euch um ärmliche Nahrung in erbärmlichen Verhältnissen! Eure Puppen gedeihen nicht, weil der Wanzenstrauch drüben ihnen die Sonne nimmt, Euer Haufen wächst nicht, weil Ihr das Holz aus der Ferne herbeischleifen müßt. Drüben aber ist&#x2019;s anders! Alle Blätter sitzen voll von herrlichem Blattlaus-Melkvieh, alle Gräser sind von Honigthau überzogen. Zwar wehren uns die rothröckigen Wanzen den Uebergang, aber wir werden sie schlagen! Auf denn, eine Brücke gebaut, eine Flotte auf den Bach geschickt, Straßen angelegt zur Beischaffung des Kriegsmaterials &#x2013; auf, drüben winkt ein sorgenfreies Leben, ein Leben voll Honig und süßer Blattlausmilch!&#x201C; Nach solcher Rede würde die ganze Staatsgesellschaft ihre äußersten Kräfte anstrengen. In Laufgräben und bedeckten Wegen dringt sie zum Ufer vor; ihre Schiffe bedecken den Bach und bilden bald eine Brücke; ob auch Tausende der Pioniere vom Strome fortgerissen werden, die Reisigen stürzen in zahllosen Schaaren zum Angriff, wüthend fallen sie über die Rothröcke her und bald sind die Sträucher erobert, die Blattläuse dienstbar gemacht und
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[14/0040] Gut und Blut einzusetzen und voran in den Kampf zu ziehen für Freiheit, Einheit, Macht und Größe des Ameisenhaufens. Sie würde kein Gehör finden! „Phrase! Langweilerei! Gehe hin und arbeite!“ würden die zärtlichen Wärterinnen der Puppen, die kriegerischen Johannesritter, die Arbeiter und Vertheidiger, die praktischen Staatsmänner des Stockes rufen. Aber laßt eine Andere herantreten, eine jener struppigen Ameisen aus der Kaste der Arbeiter und Wühler und ihren Kameraden zurufen: „Was schleppt Ihr Euch hier ab mit Hölzchen und Rindenschüppchen? Ihr quält Euch um ärmliche Nahrung in erbärmlichen Verhältnissen! Eure Puppen gedeihen nicht, weil der Wanzenstrauch drüben ihnen die Sonne nimmt, Euer Haufen wächst nicht, weil Ihr das Holz aus der Ferne herbeischleifen müßt. Drüben aber ist’s anders! Alle Blätter sitzen voll von herrlichem Blattlaus-Melkvieh, alle Gräser sind von Honigthau überzogen. Zwar wehren uns die rothröckigen Wanzen den Uebergang, aber wir werden sie schlagen! Auf denn, eine Brücke gebaut, eine Flotte auf den Bach geschickt, Straßen angelegt zur Beischaffung des Kriegsmaterials – auf, drüben winkt ein sorgenfreies Leben, ein Leben voll Honig und süßer Blattlausmilch!“ Nach solcher Rede würde die ganze Staatsgesellschaft ihre äußersten Kräfte anstrengen. In Laufgräben und bedeckten Wegen dringt sie zum Ufer vor; ihre Schiffe bedecken den Bach und bilden bald eine Brücke; ob auch Tausende der Pioniere vom Strome fortgerissen werden, die Reisigen stürzen in zahllosen Schaaren zum Angriff, wüthend fallen sie über die Rothröcke her und bald sind die Sträucher erobert, die Blattläuse dienstbar gemacht und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/40
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/40>, abgerufen am 27.11.2024.