Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

gehören. Bei einigen Arten hat sich das Bürgerthum in jener feinen sittsamen Weise entwickelt, welche der Kölnischen Zeitung zufolge das wahre Merkmal germanischen Geistes ist. Eine Unzahl von bescheidenen, genügsamen Kleinbürgern hängt bei diesen Arten an dem Stamme fest; - sie sind schlank und schmächtig, nicht so aufgedunsen wie die Schluckmäuler, nett und sauber, zuweilen mit einem rothen Käppchen geziert und thun alle ihre Geschäfte selbst, ohne die Proletarier so zu mißbrauchen, wie wir es bei den Schluckmäulern gesehen haben. Betriebsam und zufrieden wuchern sie in stiller Ruhe langsam fort, scheinbar ohne weitere Wünsche, aber stets mit dem geheimen Bestreben, selbst Schluckmäuler zu werden. Denn sie sind nach allen Seiten hin geschlossen und werden nur von hinten her durch einen Kanal ernährt, durch welchen ihnen das nächste Schluckmaul einen Kredit auf die allgemeine Ernährungsflüssigkeit aussetzt. So vegetiren sie in ihrem geschlossenen Wesen fort, abhängig von der Gnade oder dem Zutrauen des Schluckmaules, unfähig von Außen her sich etwas anzueignen, bis endlich nach langem Harren und Dehnen, nach vielen fruchtlosen Anstrengungen sie ihre vordere Spitze öffnen und nun im Besitze eines selbstständigen Mundes mehr und mehr selbst das Wesen eines Schluckmaules sich aneignen können. Dieser Moment der Herstellung einer eigenen Firma hat etwas Feierliches und Beängstigendes zugleich. Eine ungemeine Thätigkeit entwickelt sich in dem geschlossenen Ende des Kleinbürgers; farbige Körner, welche lange in den Wandungen seiner inneren Höhlung aufgespeichert waren, werden plötzlich losgerissen und durch industrielle schwingende Wimperhaare in strudelnden Umlauf versetzt. Je stärker diese Cirkulation wird, desto mehr verdünnen sich die Wandungen

gehören. Bei einigen Arten hat sich das Bürgerthum in jener feinen sittsamen Weise entwickelt, welche der Kölnischen Zeitung zufolge das wahre Merkmal germanischen Geistes ist. Eine Unzahl von bescheidenen, genügsamen Kleinbürgern hängt bei diesen Arten an dem Stamme fest; – sie sind schlank und schmächtig, nicht so aufgedunsen wie die Schluckmäuler, nett und sauber, zuweilen mit einem rothen Käppchen geziert und thun alle ihre Geschäfte selbst, ohne die Proletarier so zu mißbrauchen, wie wir es bei den Schluckmäulern gesehen haben. Betriebsam und zufrieden wuchern sie in stiller Ruhe langsam fort, scheinbar ohne weitere Wünsche, aber stets mit dem geheimen Bestreben, selbst Schluckmäuler zu werden. Denn sie sind nach allen Seiten hin geschlossen und werden nur von hinten her durch einen Kanal ernährt, durch welchen ihnen das nächste Schluckmaul einen Kredit auf die allgemeine Ernährungsflüssigkeit aussetzt. So vegetiren sie in ihrem geschlossenen Wesen fort, abhängig von der Gnade oder dem Zutrauen des Schluckmaules, unfähig von Außen her sich etwas anzueignen, bis endlich nach langem Harren und Dehnen, nach vielen fruchtlosen Anstrengungen sie ihre vordere Spitze öffnen und nun im Besitze eines selbstständigen Mundes mehr und mehr selbst das Wesen eines Schluckmaules sich aneignen können. Dieser Moment der Herstellung einer eigenen Firma hat etwas Feierliches und Beängstigendes zugleich. Eine ungemeine Thätigkeit entwickelt sich in dem geschlossenen Ende des Kleinbürgers; farbige Körner, welche lange in den Wandungen seiner inneren Höhlung aufgespeichert waren, werden plötzlich losgerissen und durch industrielle schwingende Wimperhaare in strudelnden Umlauf versetzt. Je stärker diese Cirkulation wird, desto mehr verdünnen sich die Wandungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0264" n="234"/>
gehören. Bei einigen Arten hat sich das Bürgerthum in jener feinen sittsamen Weise entwickelt, welche der Kölnischen Zeitung zufolge das wahre Merkmal germanischen Geistes ist. Eine Unzahl von bescheidenen, genügsamen Kleinbürgern hängt bei diesen Arten an dem Stamme fest; &#x2013; sie sind schlank und schmächtig, nicht so aufgedunsen wie die Schluckmäuler, nett und sauber, zuweilen mit einem rothen Käppchen geziert und thun alle ihre Geschäfte selbst, ohne die Proletarier so zu mißbrauchen, wie wir es bei den Schluckmäulern gesehen haben. Betriebsam und zufrieden wuchern sie in stiller Ruhe langsam fort, scheinbar ohne weitere Wünsche, aber stets mit dem geheimen Bestreben, selbst Schluckmäuler zu werden. Denn sie sind nach allen Seiten hin geschlossen und werden nur von hinten her durch einen Kanal ernährt, durch welchen ihnen das nächste Schluckmaul einen Kredit auf die allgemeine Ernährungsflüssigkeit aussetzt. So vegetiren sie in ihrem geschlossenen Wesen fort, abhängig von der Gnade oder dem Zutrauen des Schluckmaules, unfähig von Außen her sich etwas anzueignen, bis endlich nach langem Harren und Dehnen, nach vielen fruchtlosen Anstrengungen sie ihre vordere Spitze öffnen und nun im Besitze eines selbstständigen Mundes mehr und mehr selbst das Wesen eines Schluckmaules sich aneignen können. Dieser Moment der Herstellung einer eigenen Firma hat etwas Feierliches und Beängstigendes zugleich. Eine ungemeine Thätigkeit entwickelt sich in dem geschlossenen Ende des Kleinbürgers; farbige Körner, welche lange in den Wandungen seiner inneren Höhlung aufgespeichert waren, werden plötzlich losgerissen und durch industrielle schwingende Wimperhaare in strudelnden Umlauf versetzt. Je stärker diese Cirkulation wird, desto mehr verdünnen sich die Wandungen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0264] gehören. Bei einigen Arten hat sich das Bürgerthum in jener feinen sittsamen Weise entwickelt, welche der Kölnischen Zeitung zufolge das wahre Merkmal germanischen Geistes ist. Eine Unzahl von bescheidenen, genügsamen Kleinbürgern hängt bei diesen Arten an dem Stamme fest; – sie sind schlank und schmächtig, nicht so aufgedunsen wie die Schluckmäuler, nett und sauber, zuweilen mit einem rothen Käppchen geziert und thun alle ihre Geschäfte selbst, ohne die Proletarier so zu mißbrauchen, wie wir es bei den Schluckmäulern gesehen haben. Betriebsam und zufrieden wuchern sie in stiller Ruhe langsam fort, scheinbar ohne weitere Wünsche, aber stets mit dem geheimen Bestreben, selbst Schluckmäuler zu werden. Denn sie sind nach allen Seiten hin geschlossen und werden nur von hinten her durch einen Kanal ernährt, durch welchen ihnen das nächste Schluckmaul einen Kredit auf die allgemeine Ernährungsflüssigkeit aussetzt. So vegetiren sie in ihrem geschlossenen Wesen fort, abhängig von der Gnade oder dem Zutrauen des Schluckmaules, unfähig von Außen her sich etwas anzueignen, bis endlich nach langem Harren und Dehnen, nach vielen fruchtlosen Anstrengungen sie ihre vordere Spitze öffnen und nun im Besitze eines selbstständigen Mundes mehr und mehr selbst das Wesen eines Schluckmaules sich aneignen können. Dieser Moment der Herstellung einer eigenen Firma hat etwas Feierliches und Beängstigendes zugleich. Eine ungemeine Thätigkeit entwickelt sich in dem geschlossenen Ende des Kleinbürgers; farbige Körner, welche lange in den Wandungen seiner inneren Höhlung aufgespeichert waren, werden plötzlich losgerissen und durch industrielle schwingende Wimperhaare in strudelnden Umlauf versetzt. Je stärker diese Cirkulation wird, desto mehr verdünnen sich die Wandungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/264
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/264>, abgerufen am 05.05.2024.