Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufgabe gelöst hat, alle Geister über einen einzigen Kamm zu scheeren und den Dümmsten, wie den Gescheidtesten in der bestimmten Anzahl von Semestern aus einem angehenden freien Menschen in einen Staatsdiener umzuprägen, in ein Lastthier der Staatsidee, das, dem grauen Freunde gleich, mit dem Kreuze der Sklaverei auf dem eingezogenen Rücken gezeichnet, tagtäglich die Säcke zur ministeriellen Mühle schleppt und die daraus gewonnene Spreu wieder abholt. In Folge der eigenthümlichen Sprachverwirrung, welche in dem babylonischen Thurme deutscher Gelehrsamkeit existirt, hat man diese Castrir-Anstalten männlicher Geister, diese Pferche zukünftiger Staatshämmel "Pflanzstätten freier Wissenschaft" genannt, während sie doch weiter nichts sind, als Dressuranstalten, in denen die Knospe, die sich frei nach allen Seiten hin entfalten möchte, nach den Examenbedürfnissen zugestutzt und eingerenkt wird. Der Blasenträgerstaat geht bei der Ausbildung seiner Beamten mit anerkennungswerther Offenheit zu Werke. Er verbrämt sein Handeln wenigstens nicht mit jenen banalen, pomphaften Phrasen, die bei unseren Wissenschaftsheuchlern gang und gäbe sind, sondern er pumpt seinen Beamten-Knospen auf die einfachste Weise von hinten her Alles ein, was sie zur Ausbildung und zum erquicklichen Gedeihen in ihrer zukünftigen Sphäre nöthig haben. Der Studirende, der Beamter werden will, muß in dem Blasenträger-Staate nothwendig ein Stipendium haben und dadurch an den Staat gefesselt sein. Wißbegierde um des Wissens willen, Studium um der Kenntniß willen erkennt der Staat gar nicht an - hält sie sogar für gefährlich und verderblich für die Jugend. Die vollendete Staatsidee läßt ihrem zukünftigen Organe nur gerade so viel zu an Kenntniß und Wissenschaft,

Aufgabe gelöst hat, alle Geister über einen einzigen Kamm zu scheeren und den Dümmsten, wie den Gescheidtesten in der bestimmten Anzahl von Semestern aus einem angehenden freien Menschen in einen Staatsdiener umzuprägen, in ein Lastthier der Staatsidee, das, dem grauen Freunde gleich, mit dem Kreuze der Sklaverei auf dem eingezogenen Rücken gezeichnet, tagtäglich die Säcke zur ministeriellen Mühle schleppt und die daraus gewonnene Spreu wieder abholt. In Folge der eigenthümlichen Sprachverwirrung, welche in dem babylonischen Thurme deutscher Gelehrsamkeit existirt, hat man diese Castrir-Anstalten männlicher Geister, diese Pferche zukünftiger Staatshämmel „Pflanzstätten freier Wissenschaft“ genannt, während sie doch weiter nichts sind, als Dressuranstalten, in denen die Knospe, die sich frei nach allen Seiten hin entfalten möchte, nach den Examenbedürfnissen zugestutzt und eingerenkt wird. Der Blasenträgerstaat geht bei der Ausbildung seiner Beamten mit anerkennungswerther Offenheit zu Werke. Er verbrämt sein Handeln wenigstens nicht mit jenen banalen, pomphaften Phrasen, die bei unseren Wissenschaftsheuchlern gang und gäbe sind, sondern er pumpt seinen Beamten-Knospen auf die einfachste Weise von hinten her Alles ein, was sie zur Ausbildung und zum erquicklichen Gedeihen in ihrer zukünftigen Sphäre nöthig haben. Der Studirende, der Beamter werden will, muß in dem Blasenträger-Staate nothwendig ein Stipendium haben und dadurch an den Staat gefesselt sein. Wißbegierde um des Wissens willen, Studium um der Kenntniß willen erkennt der Staat gar nicht an – hält sie sogar für gefährlich und verderblich für die Jugend. Die vollendete Staatsidee läßt ihrem zukünftigen Organe nur gerade so viel zu an Kenntniß und Wissenschaft,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="199"/>
Aufgabe gelöst hat, alle Geister über einen einzigen Kamm zu scheeren und den Dümmsten, wie den Gescheidtesten in der bestimmten Anzahl von Semestern aus einem angehenden freien Menschen in einen Staatsdiener umzuprägen, in ein Lastthier der Staatsidee, das, dem grauen Freunde gleich, mit dem Kreuze der Sklaverei auf dem eingezogenen Rücken gezeichnet, tagtäglich die Säcke zur ministeriellen Mühle schleppt und die daraus gewonnene Spreu wieder abholt. In Folge der eigenthümlichen Sprachverwirrung, welche in dem babylonischen Thurme deutscher Gelehrsamkeit existirt, hat man diese Castrir-Anstalten männlicher Geister, diese Pferche zukünftiger Staatshämmel &#x201E;Pflanzstätten freier Wissenschaft&#x201C; genannt, während sie doch weiter nichts sind, als Dressuranstalten, in denen die Knospe, die sich frei nach allen Seiten hin entfalten möchte, nach den Examenbedürfnissen zugestutzt und eingerenkt wird. Der Blasenträgerstaat geht bei der Ausbildung seiner Beamten mit anerkennungswerther Offenheit zu Werke. Er verbrämt sein Handeln wenigstens nicht mit jenen banalen, pomphaften Phrasen, die bei unseren Wissenschaftsheuchlern gang und gäbe sind, sondern er pumpt seinen Beamten-Knospen auf die einfachste Weise von hinten her Alles ein, was sie zur Ausbildung und zum erquicklichen Gedeihen in ihrer zukünftigen Sphäre nöthig haben. Der Studirende, der Beamter werden will, muß in dem Blasenträger-Staate nothwendig ein Stipendium haben und dadurch an den Staat gefesselt sein. Wißbegierde um des Wissens willen, Studium um der Kenntniß willen erkennt der Staat gar nicht an &#x2013; hält sie sogar für gefährlich und verderblich für die Jugend. Die vollendete Staatsidee läßt ihrem zukünftigen Organe nur gerade so viel zu an Kenntniß und Wissenschaft,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0229] Aufgabe gelöst hat, alle Geister über einen einzigen Kamm zu scheeren und den Dümmsten, wie den Gescheidtesten in der bestimmten Anzahl von Semestern aus einem angehenden freien Menschen in einen Staatsdiener umzuprägen, in ein Lastthier der Staatsidee, das, dem grauen Freunde gleich, mit dem Kreuze der Sklaverei auf dem eingezogenen Rücken gezeichnet, tagtäglich die Säcke zur ministeriellen Mühle schleppt und die daraus gewonnene Spreu wieder abholt. In Folge der eigenthümlichen Sprachverwirrung, welche in dem babylonischen Thurme deutscher Gelehrsamkeit existirt, hat man diese Castrir-Anstalten männlicher Geister, diese Pferche zukünftiger Staatshämmel „Pflanzstätten freier Wissenschaft“ genannt, während sie doch weiter nichts sind, als Dressuranstalten, in denen die Knospe, die sich frei nach allen Seiten hin entfalten möchte, nach den Examenbedürfnissen zugestutzt und eingerenkt wird. Der Blasenträgerstaat geht bei der Ausbildung seiner Beamten mit anerkennungswerther Offenheit zu Werke. Er verbrämt sein Handeln wenigstens nicht mit jenen banalen, pomphaften Phrasen, die bei unseren Wissenschaftsheuchlern gang und gäbe sind, sondern er pumpt seinen Beamten-Knospen auf die einfachste Weise von hinten her Alles ein, was sie zur Ausbildung und zum erquicklichen Gedeihen in ihrer zukünftigen Sphäre nöthig haben. Der Studirende, der Beamter werden will, muß in dem Blasenträger-Staate nothwendig ein Stipendium haben und dadurch an den Staat gefesselt sein. Wißbegierde um des Wissens willen, Studium um der Kenntniß willen erkennt der Staat gar nicht an – hält sie sogar für gefährlich und verderblich für die Jugend. Die vollendete Staatsidee läßt ihrem zukünftigen Organe nur gerade so viel zu an Kenntniß und Wissenschaft,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/229
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/229>, abgerufen am 07.05.2024.