Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.Tropengegenden erfahren hatten, das war durch schreibkundige Räupchen in jenen gewundenen Gängen aufgezeichnet, welche sie in dem grünen Marke der Blätter zwischen den Häuten ausgenagt hatten. Der Hirschkäfer studirte diese Sammlung vergilbter Familienpergamente und las der Gattin und der im Aste arbeitenden Larve die interessanten Stellen vor. Wenn die Sonne untergegangen war, so legte er das Blatt bei Seite, hob die schweren Flügeldecken, entfaltete die segelartigen Flügel und sauste, während das Weibchen zum Abschiede die Larve mit den Fühlhörnern liebkoste, hinaus nach dem See oder nach den großen Nußbäumen von Interlaken, wo er Freunde besuchte. Ihm nach schwirrte das Weibchen, ängstlich umherschauend nach Eulen oder Fledermäusen, welche ihnen zuweilen auf dem Spazierfluge nachstellten. In Interlaken freuten sie sich der vielen Lichter, der hellen Laternen vor den Pensionen, und nur sehr selten kehrten sie heim, ohne interessante Beobachtungen über langbeinige Engländer und Vogelscheuchen von Ladies gemacht zu haben, welche sie zuweilen durch heftiges Anprellen an die erleuchteten Fenster aus dem Studium ihrer "traveller-book's" oder aus noch intimeren Beschäftigungen aufschreckten. - Das Blatt, welches unser Hirschkäfer entziffert hatte, war von dem Aste gefallen. Es flog in unsere Barke im Augenblicke, wo wir von dem Lande abstießen. Ich entzifferte seine Hieroglyphen mit Aufmerksamkeit. Sie enthielten offenbar die Erzählung eines Verwandten aus dem Süden, zu welcher der Hirschkäfer hie und da Bemerkungen gemacht hatte. Ich theile sie mit, wie ich sie lesen konnte - ohne die Prätension, Neues gefunden zu haben. Vieles blieb Tropengegenden erfahren hatten, das war durch schreibkundige Räupchen in jenen gewundenen Gängen aufgezeichnet, welche sie in dem grünen Marke der Blätter zwischen den Häuten ausgenagt hatten. Der Hirschkäfer studirte diese Sammlung vergilbter Familienpergamente und las der Gattin und der im Aste arbeitenden Larve die interessanten Stellen vor. Wenn die Sonne untergegangen war, so legte er das Blatt bei Seite, hob die schweren Flügeldecken, entfaltete die segelartigen Flügel und sauste, während das Weibchen zum Abschiede die Larve mit den Fühlhörnern liebkoste, hinaus nach dem See oder nach den großen Nußbäumen von Interlaken, wo er Freunde besuchte. Ihm nach schwirrte das Weibchen, ängstlich umherschauend nach Eulen oder Fledermäusen, welche ihnen zuweilen auf dem Spazierfluge nachstellten. In Interlaken freuten sie sich der vielen Lichter, der hellen Laternen vor den Pensionen, und nur sehr selten kehrten sie heim, ohne interessante Beobachtungen über langbeinige Engländer und Vogelscheuchen von Ladies gemacht zu haben, welche sie zuweilen durch heftiges Anprellen an die erleuchteten Fenster aus dem Studium ihrer „traveller-book’s“ oder aus noch intimeren Beschäftigungen aufschreckten. – Das Blatt, welches unser Hirschkäfer entziffert hatte, war von dem Aste gefallen. Es flog in unsere Barke im Augenblicke, wo wir von dem Lande abstießen. Ich entzifferte seine Hieroglyphen mit Aufmerksamkeit. Sie enthielten offenbar die Erzählung eines Verwandten aus dem Süden, zu welcher der Hirschkäfer hie und da Bemerkungen gemacht hatte. Ich theile sie mit, wie ich sie lesen konnte – ohne die Prätension, Neues gefunden zu haben. Vieles blieb <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0152" n="124"/> Tropengegenden erfahren hatten, das war durch schreibkundige Räupchen in jenen gewundenen Gängen aufgezeichnet, welche sie in dem grünen Marke der Blätter zwischen den Häuten ausgenagt hatten. Der Hirschkäfer studirte diese Sammlung vergilbter Familienpergamente und las der Gattin und der im Aste arbeitenden Larve die interessanten Stellen vor. Wenn die Sonne untergegangen war, so legte er das Blatt bei Seite, hob die schweren Flügeldecken, entfaltete die segelartigen Flügel und sauste, während das Weibchen zum Abschiede die Larve mit den Fühlhörnern liebkoste, hinaus nach dem See oder nach den großen Nußbäumen von Interlaken, wo er Freunde besuchte. Ihm nach schwirrte das Weibchen, ängstlich umherschauend nach Eulen oder Fledermäusen, welche ihnen zuweilen auf dem Spazierfluge nachstellten. In Interlaken freuten sie sich der vielen Lichter, der hellen Laternen vor den Pensionen, und nur sehr selten kehrten sie heim, ohne interessante Beobachtungen über langbeinige Engländer und Vogelscheuchen von Ladies gemacht zu haben, welche sie zuweilen durch heftiges Anprellen an die erleuchteten Fenster aus dem Studium ihrer <hi rendition="#aq">„traveller-book’s“</hi> oder aus noch intimeren Beschäftigungen aufschreckten. –</p> <p>Das Blatt, welches unser Hirschkäfer entziffert hatte, war von dem Aste gefallen. Es flog in unsere Barke im Augenblicke, wo wir von dem Lande abstießen. Ich entzifferte seine Hieroglyphen mit Aufmerksamkeit. Sie enthielten offenbar die Erzählung eines Verwandten aus dem Süden, zu welcher der Hirschkäfer hie und da Bemerkungen gemacht hatte. Ich theile sie mit, wie ich sie lesen konnte – ohne die Prätension, Neues gefunden zu haben. Vieles blieb </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0152]
Tropengegenden erfahren hatten, das war durch schreibkundige Räupchen in jenen gewundenen Gängen aufgezeichnet, welche sie in dem grünen Marke der Blätter zwischen den Häuten ausgenagt hatten. Der Hirschkäfer studirte diese Sammlung vergilbter Familienpergamente und las der Gattin und der im Aste arbeitenden Larve die interessanten Stellen vor. Wenn die Sonne untergegangen war, so legte er das Blatt bei Seite, hob die schweren Flügeldecken, entfaltete die segelartigen Flügel und sauste, während das Weibchen zum Abschiede die Larve mit den Fühlhörnern liebkoste, hinaus nach dem See oder nach den großen Nußbäumen von Interlaken, wo er Freunde besuchte. Ihm nach schwirrte das Weibchen, ängstlich umherschauend nach Eulen oder Fledermäusen, welche ihnen zuweilen auf dem Spazierfluge nachstellten. In Interlaken freuten sie sich der vielen Lichter, der hellen Laternen vor den Pensionen, und nur sehr selten kehrten sie heim, ohne interessante Beobachtungen über langbeinige Engländer und Vogelscheuchen von Ladies gemacht zu haben, welche sie zuweilen durch heftiges Anprellen an die erleuchteten Fenster aus dem Studium ihrer „traveller-book’s“ oder aus noch intimeren Beschäftigungen aufschreckten. –
Das Blatt, welches unser Hirschkäfer entziffert hatte, war von dem Aste gefallen. Es flog in unsere Barke im Augenblicke, wo wir von dem Lande abstießen. Ich entzifferte seine Hieroglyphen mit Aufmerksamkeit. Sie enthielten offenbar die Erzählung eines Verwandten aus dem Süden, zu welcher der Hirschkäfer hie und da Bemerkungen gemacht hatte. Ich theile sie mit, wie ich sie lesen konnte – ohne die Prätension, Neues gefunden zu haben. Vieles blieb
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |