Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.Gelbe Lichter, die Vorboten der Abendröthe spielten auf der spiegelglatten Fläche des Brienzersee's und verloren sich in tiefblauer Unbestimmtheit am Fuße des Rothhornes. Die steilen Matten des Augstmatthornes, die Felsabstürze des Faulhornes leuchteten über das Thal von Interlaken hinaus und um den Gipfel der Schwalmeren spielten einige leichte, duftige Wölkchen. Die Schnaken und Hafte am Ufer begannen sich zum Tanze zu rüsten. Ihre Puppen krochen über das feuchte Gelände hervor und zogen Leib, Füße und Flügel aus den unbeweglichen Hornscheiden, von welchen sie vorher umschlossen waren. Schon sah man hier und da über den Gesträuchen jene auf und ab wogenden Gesellschaften leichter Eintagsfliegen, die wie unbestimmte Rauchwölkchen an den Hecken hinschwebten und im Glanze der Abendsonne vergaßen, daß ein schneller Tod ihrer kurzen Freude ein Ende machen werde. Der Hirschkäfer wartete der Dämmerung, um in Gesellschaft der Gattin seinen Abendflug machen zu können. Er lebte ehrsam und still auf dem Nußbaume, in dessen Mark er seine Jugendjahre zugebracht hatte. Morgens kletterte er auf den Zweigen umher und leckte mit seiner pinselartigen Unterlippe den Honigthau und den süßen Saft, der aus einigen Wunden des Baumes quoll; Nachmittags las er in alten Blättern, welche von Spanner- und Blattwickler-Raupen mit seltsamen Hieroglyphen beschrieben waren. Was Hirschkäfer aus entfernten Gegenden bei ihren einsamen Zügen in der Fremde den Verwandten berichtet hatten, was die Vorältern von befreundeten Familien, von Walkerkäfern aus dem Wallis, Nashornkäfern aus Norditalien, und weither kommenden Lucaniden aus den Gelbe Lichter, die Vorboten der Abendröthe spielten auf der spiegelglatten Fläche des Brienzersee’s und verloren sich in tiefblauer Unbestimmtheit am Fuße des Rothhornes. Die steilen Matten des Augstmatthornes, die Felsabstürze des Faulhornes leuchteten über das Thal von Interlaken hinaus und um den Gipfel der Schwalmeren spielten einige leichte, duftige Wölkchen. Die Schnaken und Hafte am Ufer begannen sich zum Tanze zu rüsten. Ihre Puppen krochen über das feuchte Gelände hervor und zogen Leib, Füße und Flügel aus den unbeweglichen Hornscheiden, von welchen sie vorher umschlossen waren. Schon sah man hier und da über den Gesträuchen jene auf und ab wogenden Gesellschaften leichter Eintagsfliegen, die wie unbestimmte Rauchwölkchen an den Hecken hinschwebten und im Glanze der Abendsonne vergaßen, daß ein schneller Tod ihrer kurzen Freude ein Ende machen werde. Der Hirschkäfer wartete der Dämmerung, um in Gesellschaft der Gattin seinen Abendflug machen zu können. Er lebte ehrsam und still auf dem Nußbaume, in dessen Mark er seine Jugendjahre zugebracht hatte. Morgens kletterte er auf den Zweigen umher und leckte mit seiner pinselartigen Unterlippe den Honigthau und den süßen Saft, der aus einigen Wunden des Baumes quoll; Nachmittags las er in alten Blättern, welche von Spanner- und Blattwickler-Raupen mit seltsamen Hieroglyphen beschrieben waren. Was Hirschkäfer aus entfernten Gegenden bei ihren einsamen Zügen in der Fremde den Verwandten berichtet hatten, was die Vorältern von befreundeten Familien, von Walkerkäfern aus dem Wallis, Nashornkäfern aus Norditalien, und weither kommenden Lucaniden aus den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0151" n="123"/> <p>Gelbe Lichter, die Vorboten der Abendröthe spielten auf der spiegelglatten Fläche des Brienzersee’s und verloren sich in tiefblauer Unbestimmtheit am Fuße des Rothhornes. Die steilen Matten des Augstmatthornes, die Felsabstürze des Faulhornes leuchteten über das Thal von Interlaken hinaus und um den Gipfel der Schwalmeren spielten einige leichte, duftige Wölkchen. Die Schnaken und Hafte am Ufer begannen sich zum Tanze zu rüsten. Ihre Puppen krochen über das feuchte Gelände hervor und zogen Leib, Füße und Flügel aus den unbeweglichen Hornscheiden, von welchen sie vorher umschlossen waren. Schon sah man hier und da über den Gesträuchen jene auf und ab wogenden Gesellschaften leichter Eintagsfliegen, die wie unbestimmte Rauchwölkchen an den Hecken hinschwebten und im Glanze der Abendsonne vergaßen, daß ein schneller Tod ihrer kurzen Freude ein Ende machen werde.</p> <p>Der Hirschkäfer wartete der Dämmerung, um in Gesellschaft der Gattin seinen Abendflug machen zu können. Er lebte ehrsam und still auf dem Nußbaume, in dessen Mark er seine Jugendjahre zugebracht hatte. 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Gelbe Lichter, die Vorboten der Abendröthe spielten auf der spiegelglatten Fläche des Brienzersee’s und verloren sich in tiefblauer Unbestimmtheit am Fuße des Rothhornes. Die steilen Matten des Augstmatthornes, die Felsabstürze des Faulhornes leuchteten über das Thal von Interlaken hinaus und um den Gipfel der Schwalmeren spielten einige leichte, duftige Wölkchen. Die Schnaken und Hafte am Ufer begannen sich zum Tanze zu rüsten. Ihre Puppen krochen über das feuchte Gelände hervor und zogen Leib, Füße und Flügel aus den unbeweglichen Hornscheiden, von welchen sie vorher umschlossen waren. Schon sah man hier und da über den Gesträuchen jene auf und ab wogenden Gesellschaften leichter Eintagsfliegen, die wie unbestimmte Rauchwölkchen an den Hecken hinschwebten und im Glanze der Abendsonne vergaßen, daß ein schneller Tod ihrer kurzen Freude ein Ende machen werde.
Der Hirschkäfer wartete der Dämmerung, um in Gesellschaft der Gattin seinen Abendflug machen zu können. Er lebte ehrsam und still auf dem Nußbaume, in dessen Mark er seine Jugendjahre zugebracht hatte. Morgens kletterte er auf den Zweigen umher und leckte mit seiner pinselartigen Unterlippe den Honigthau und den süßen Saft, der aus einigen Wunden des Baumes quoll; Nachmittags las er in alten Blättern, welche von Spanner- und Blattwickler-Raupen mit seltsamen Hieroglyphen beschrieben waren. Was Hirschkäfer aus entfernten Gegenden bei ihren einsamen Zügen in der Fremde den Verwandten berichtet hatten, was die Vorältern von befreundeten Familien, von Walkerkäfern aus dem Wallis, Nashornkäfern aus Norditalien, und weither kommenden Lucaniden aus den
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