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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Wir haben das erste Rudiment eines Auges in der Gestalt einer
hohlen Blase gesehen, welche seitlich von dem vorderen Theile des
Mittelhirnes ausgeht. Dem äußeren Axenpunkte dieser Blase gegen-
über sieht man nun von der Außenfläche her eine beutelförmige Ein-
senkung sich bilden, welche mit den Zellen der äußeren Umhüllungs-
schicht des Embryos ausgekleidet ist und deren Tiefe rasch zunimmt,
während zugleich ihr äußerer Eingang sich nach und nach abschnürt
und zuletzt so vollständig verschwindet, daß statt des Beutels eine
rundum abgeschlossene Kugel vorhanden ist. Diese Kugel ist die Kry-
stalllinse, welche sich bei allen Wirbelthieren ebenso wie bei den Fischen
und den Kopffüßlern durch Einstülpung der Haut von außen her bil-
det. Hinter der Linse erscheint bald der becherförmige Glaskörper,
welcher die hintere Fläche der Linse umfaßt und mit dieser die vordere
Wand der ursprünglichen Augenblase so nach innen zurückdrängt, daß
zuletzt diese vordere Wand die innere Schicht der becherförmigen Netz-
haut bildet. Die Aderhaut des Auges wächst von oben und hinten
her um den Linsenapparat und die Nervenhaut so herum, daß sie in
der Fig. 1006 dargestellten Entwickelungsstufe wie ein Helm, der nach
unten weit geöffnet ist, über der Linse sitzt; nach und nach lagert sich
in der anfangs durchsichtigen Aderhaut der schwarze Farbstoff ab und
zugleich wachsen die Ränder des Helmes zusammen, doch in der Weise,
daß unten und innen lange Zeit noch ein Spalt bleibt, welcher zu-
letzt von der vorspringenden Falte bezeichnet wird, die sich bei dem
erwachsenen Fische von der Aderhaut nach der Linse begiebt. Die harte
Augenhaut und die Hornhaut differenziren sich nach und nach aus
der äußeren Umgebung der Augenblase hervor und erscheinen ursprüng-
lich beide von derselben Durchsichtigkeit. Was die Entwickelung des
Ohres anbetrifft, so zeigt sich dieses zuerst in Form eines durchaus
einfachen Säckchens, welches bald gänzlich von der knorpeligen Schä-
delgrundlage eingehüllt wird und mit dem Nachhirne durch den an-
fangs hohlen Gehörnerven in Verbindung steht. Sehr bald lagern
sich im Innern dieses Säckchens die krystallinischen Kalkmassen ab,
welche sich nach und nach zu den Gehörsteinchen ausbilden und zu-
gleich sieht man im Inneren des Säckchens durch Vorwachsen der
härteren knorpeligen Theile die halbzirkelförmigen Kanäle mehr und
mehr sich abscheiden, so daß die ursprünglich einfache Blase sich bald

Wir haben das erſte Rudiment eines Auges in der Geſtalt einer
hohlen Blaſe geſehen, welche ſeitlich von dem vorderen Theile des
Mittelhirnes ausgeht. Dem äußeren Axenpunkte dieſer Blaſe gegen-
über ſieht man nun von der Außenfläche her eine beutelförmige Ein-
ſenkung ſich bilden, welche mit den Zellen der äußeren Umhüllungs-
ſchicht des Embryos ausgekleidet iſt und deren Tiefe raſch zunimmt,
während zugleich ihr äußerer Eingang ſich nach und nach abſchnürt
und zuletzt ſo vollſtändig verſchwindet, daß ſtatt des Beutels eine
rundum abgeſchloſſene Kugel vorhanden iſt. Dieſe Kugel iſt die Kry-
ſtalllinſe, welche ſich bei allen Wirbelthieren ebenſo wie bei den Fiſchen
und den Kopffüßlern durch Einſtülpung der Haut von außen her bil-
det. Hinter der Linſe erſcheint bald der becherförmige Glaskörper,
welcher die hintere Fläche der Linſe umfaßt und mit dieſer die vordere
Wand der urſprünglichen Augenblaſe ſo nach innen zurückdrängt, daß
zuletzt dieſe vordere Wand die innere Schicht der becherförmigen Netz-
haut bildet. Die Aderhaut des Auges wächſt von oben und hinten
her um den Linſenapparat und die Nervenhaut ſo herum, daß ſie in
der Fig. 1006 dargeſtellten Entwickelungsſtufe wie ein Helm, der nach
unten weit geöffnet iſt, über der Linſe ſitzt; nach und nach lagert ſich
in der anfangs durchſichtigen Aderhaut der ſchwarze Farbſtoff ab und
zugleich wachſen die Ränder des Helmes zuſammen, doch in der Weiſe,
daß unten und innen lange Zeit noch ein Spalt bleibt, welcher zu-
letzt von der vorſpringenden Falte bezeichnet wird, die ſich bei dem
erwachſenen Fiſche von der Aderhaut nach der Linſe begiebt. Die harte
Augenhaut und die Hornhaut differenziren ſich nach und nach aus
der äußeren Umgebung der Augenblaſe hervor und erſcheinen urſprüng-
lich beide von derſelben Durchſichtigkeit. Was die Entwickelung des
Ohres anbetrifft, ſo zeigt ſich dieſes zuerſt in Form eines durchaus
einfachen Säckchens, welches bald gänzlich von der knorpeligen Schä-
delgrundlage eingehüllt wird und mit dem Nachhirne durch den an-
fangs hohlen Gehörnerven in Verbindung ſteht. Sehr bald lagern
ſich im Innern dieſes Säckchens die kryſtalliniſchen Kalkmaſſen ab,
welche ſich nach und nach zu den Gehörſteinchen ausbilden und zu-
gleich ſieht man im Inneren des Säckchens durch Vorwachſen der
härteren knorpeligen Theile die halbzirkelförmigen Kanäle mehr und
mehr ſich abſcheiden, ſo daß die urſprünglich einfache Blaſe ſich bald

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[90/0096] Wir haben das erſte Rudiment eines Auges in der Geſtalt einer hohlen Blaſe geſehen, welche ſeitlich von dem vorderen Theile des Mittelhirnes ausgeht. Dem äußeren Axenpunkte dieſer Blaſe gegen- über ſieht man nun von der Außenfläche her eine beutelförmige Ein- ſenkung ſich bilden, welche mit den Zellen der äußeren Umhüllungs- ſchicht des Embryos ausgekleidet iſt und deren Tiefe raſch zunimmt, während zugleich ihr äußerer Eingang ſich nach und nach abſchnürt und zuletzt ſo vollſtändig verſchwindet, daß ſtatt des Beutels eine rundum abgeſchloſſene Kugel vorhanden iſt. Dieſe Kugel iſt die Kry- ſtalllinſe, welche ſich bei allen Wirbelthieren ebenſo wie bei den Fiſchen und den Kopffüßlern durch Einſtülpung der Haut von außen her bil- det. Hinter der Linſe erſcheint bald der becherförmige Glaskörper, welcher die hintere Fläche der Linſe umfaßt und mit dieſer die vordere Wand der urſprünglichen Augenblaſe ſo nach innen zurückdrängt, daß zuletzt dieſe vordere Wand die innere Schicht der becherförmigen Netz- haut bildet. Die Aderhaut des Auges wächſt von oben und hinten her um den Linſenapparat und die Nervenhaut ſo herum, daß ſie in der Fig. 1006 dargeſtellten Entwickelungsſtufe wie ein Helm, der nach unten weit geöffnet iſt, über der Linſe ſitzt; nach und nach lagert ſich in der anfangs durchſichtigen Aderhaut der ſchwarze Farbſtoff ab und zugleich wachſen die Ränder des Helmes zuſammen, doch in der Weiſe, daß unten und innen lange Zeit noch ein Spalt bleibt, welcher zu- letzt von der vorſpringenden Falte bezeichnet wird, die ſich bei dem erwachſenen Fiſche von der Aderhaut nach der Linſe begiebt. Die harte Augenhaut und die Hornhaut differenziren ſich nach und nach aus der äußeren Umgebung der Augenblaſe hervor und erſcheinen urſprüng- lich beide von derſelben Durchſichtigkeit. Was die Entwickelung des Ohres anbetrifft, ſo zeigt ſich dieſes zuerſt in Form eines durchaus einfachen Säckchens, welches bald gänzlich von der knorpeligen Schä- delgrundlage eingehüllt wird und mit dem Nachhirne durch den an- fangs hohlen Gehörnerven in Verbindung ſteht. Sehr bald lagern ſich im Innern dieſes Säckchens die kryſtalliniſchen Kalkmaſſen ab, welche ſich nach und nach zu den Gehörſteinchen ausbilden und zu- gleich ſieht man im Inneren des Säckchens durch Vorwachſen der härteren knorpeligen Theile die halbzirkelförmigen Kanäle mehr und mehr ſich abſcheiden, ſo daß die urſprünglich einfache Blaſe ſich bald

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/96>, abgerufen am 28.04.2024.