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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Die Eigenthümlichkeit des angeführten Schädelbaues zeigt sich auch
bei der Vertikalansicht des Schädels von oben dadurch, daß bei den
prognathen Schädeln die Kiefer über den Stirnrand hervorspringend
sich zeigen. Bei dieser Ansicht und bei der Vergleichung des Längen-
und Querdurchmessers des Schädels lassen sich indeß noch andere
Haupttypen der Conformation auffinden. Bei den Einen übertrifft
der Längsdurchmesser den Querdurchmesser um ein Bedeutendes, so
daß sich beide wenigstens zu einander verhalten, wie 9:7. Die hin-
teren Lappen des Gehirnes erstrecken sich so weit nach hinten, daß sie
das kleine Gehirn noch um ein Gewisses überragen. Die Schädel
von oben gesehen, bilden ein Oval, das zuweilen sehr in die Länge
gestreckt ist, in anderen Fällen mehr einer rundlichen Form sich nä-
hert. Man hat diese Gestaltung des Schädels die Dolichocephale
Form
genannt, als deren Endpunkte man einerseits den Neger, anderer-
seits den Westeuropäer bezeichnen kann. Vielleicht dürfte es zweckmäßig
sein, unter diesen Langköpfen noch strenger, als man bisher gethan,
zwischen der gestreckten ausgezogenen Form, wie sie dem Neger eigen-
thümlich ist, und der ovalen Form der Europäer zu unterscheiden.
Den Langköpfen gegenüber stehen die Kurzköpfe oder Brachyce-
phalen
, bei welchen der Längsdurchmesser zum Querdurchmesser sich
höchstens verhält wie 8:7 und wo die hinteren Lappen der Hemi-
sphären das kleine Gehirn nur bedecken, nicht aber überragen. Von
oben betrachtet zeigen diese Schädel eine rundliche oder selbst viereckige
Gestalt mit abgerundeten Ecken und der ganze Schädel erscheint, wie
begreiflich, mehr in die Breite gezogen. Es ist diese Schädelform
namentlich den Turanern, sowie unter den europäischen Völkerschaften
den Slaven eigenthümlich und man dürfte auch hier wieder zwei Un-
tergruppen unterscheiden. Betrachtet man nämlich die Schädel kurz-
köpfiger Völker von vorn, so zeigen sich, namentlich bei den nomadi-
schen Völkerschaften die Backenknochen und Jochbogen seitlich bedeutend
vorstehend, die Seitenflächen des Schädels dagegen nach oben im
Winkel zusammen laufend, so daß eine pyramidale Form des Schä-
dels hergestellt wird, während die Gesichtsform statt wie bei den
meisten Europäern senkrecht oval zu seyn, vierseitig und fast breiter
als lang erscheint. Diese pyramidale Schädelform kommt, wie
schon bemerkt, hauptsächlich bei den nomadischen Völkerschaften der
Kurzköpfe vor, während die Anderen einen rundlichen Schädelbau
besitzen. Nicht minder wichtig erscheint die Untersuchung der Schädel-
basis und ihre Vergleichung bei den verschiedenen Typen, doch sind
hierüber noch keine speziellen Untersuchungen gemacht worden. Es

Die Eigenthümlichkeit des angeführten Schädelbaues zeigt ſich auch
bei der Vertikalanſicht des Schädels von oben dadurch, daß bei den
prognathen Schädeln die Kiefer über den Stirnrand hervorſpringend
ſich zeigen. Bei dieſer Anſicht und bei der Vergleichung des Längen-
und Querdurchmeſſers des Schädels laſſen ſich indeß noch andere
Haupttypen der Conformation auffinden. Bei den Einen übertrifft
der Längsdurchmeſſer den Querdurchmeſſer um ein Bedeutendes, ſo
daß ſich beide wenigſtens zu einander verhalten, wie 9:7. Die hin-
teren Lappen des Gehirnes erſtrecken ſich ſo weit nach hinten, daß ſie
das kleine Gehirn noch um ein Gewiſſes überragen. Die Schädel
von oben geſehen, bilden ein Oval, das zuweilen ſehr in die Länge
geſtreckt iſt, in anderen Fällen mehr einer rundlichen Form ſich nä-
hert. Man hat dieſe Geſtaltung des Schädels die Dolichocephale
Form
genannt, als deren Endpunkte man einerſeits den Neger, anderer-
ſeits den Weſteuropäer bezeichnen kann. Vielleicht dürfte es zweckmäßig
ſein, unter dieſen Langköpfen noch ſtrenger, als man bisher gethan,
zwiſchen der geſtreckten ausgezogenen Form, wie ſie dem Neger eigen-
thümlich iſt, und der ovalen Form der Europäer zu unterſcheiden.
Den Langköpfen gegenüber ſtehen die Kurzköpfe oder Brachyce-
phalen
, bei welchen der Längsdurchmeſſer zum Querdurchmeſſer ſich
höchſtens verhält wie 8:7 und wo die hinteren Lappen der Hemi-
ſphären das kleine Gehirn nur bedecken, nicht aber überragen. Von
oben betrachtet zeigen dieſe Schädel eine rundliche oder ſelbſt viereckige
Geſtalt mit abgerundeten Ecken und der ganze Schädel erſcheint, wie
begreiflich, mehr in die Breite gezogen. Es iſt dieſe Schädelform
namentlich den Turanern, ſowie unter den europäiſchen Völkerſchaften
den Slaven eigenthümlich und man dürfte auch hier wieder zwei Un-
tergruppen unterſcheiden. Betrachtet man nämlich die Schädel kurz-
köpfiger Völker von vorn, ſo zeigen ſich, namentlich bei den nomadi-
ſchen Völkerſchaften die Backenknochen und Jochbogen ſeitlich bedeutend
vorſtehend, die Seitenflächen des Schädels dagegen nach oben im
Winkel zuſammen laufend, ſo daß eine pyramidale Form des Schä-
dels hergeſtellt wird, während die Geſichtsform ſtatt wie bei den
meiſten Europäern ſenkrecht oval zu ſeyn, vierſeitig und faſt breiter
als lang erſcheint. Dieſe pyramidale Schädelform kommt, wie
ſchon bemerkt, hauptſächlich bei den nomadiſchen Völkerſchaften der
Kurzköpfe vor, während die Anderen einen rundlichen Schädelbau
beſitzen. Nicht minder wichtig erſcheint die Unterſuchung der Schädel-
baſis und ihre Vergleichung bei den verſchiedenen Typen, doch ſind
hierüber noch keine ſpeziellen Unterſuchungen gemacht worden. Es

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[556/0562] Die Eigenthümlichkeit des angeführten Schädelbaues zeigt ſich auch bei der Vertikalanſicht des Schädels von oben dadurch, daß bei den prognathen Schädeln die Kiefer über den Stirnrand hervorſpringend ſich zeigen. Bei dieſer Anſicht und bei der Vergleichung des Längen- und Querdurchmeſſers des Schädels laſſen ſich indeß noch andere Haupttypen der Conformation auffinden. Bei den Einen übertrifft der Längsdurchmeſſer den Querdurchmeſſer um ein Bedeutendes, ſo daß ſich beide wenigſtens zu einander verhalten, wie 9:7. Die hin- teren Lappen des Gehirnes erſtrecken ſich ſo weit nach hinten, daß ſie das kleine Gehirn noch um ein Gewiſſes überragen. Die Schädel von oben geſehen, bilden ein Oval, das zuweilen ſehr in die Länge geſtreckt iſt, in anderen Fällen mehr einer rundlichen Form ſich nä- hert. Man hat dieſe Geſtaltung des Schädels die Dolichocephale Form genannt, als deren Endpunkte man einerſeits den Neger, anderer- ſeits den Weſteuropäer bezeichnen kann. Vielleicht dürfte es zweckmäßig ſein, unter dieſen Langköpfen noch ſtrenger, als man bisher gethan, zwiſchen der geſtreckten ausgezogenen Form, wie ſie dem Neger eigen- thümlich iſt, und der ovalen Form der Europäer zu unterſcheiden. Den Langköpfen gegenüber ſtehen die Kurzköpfe oder Brachyce- phalen, bei welchen der Längsdurchmeſſer zum Querdurchmeſſer ſich höchſtens verhält wie 8:7 und wo die hinteren Lappen der Hemi- ſphären das kleine Gehirn nur bedecken, nicht aber überragen. Von oben betrachtet zeigen dieſe Schädel eine rundliche oder ſelbſt viereckige Geſtalt mit abgerundeten Ecken und der ganze Schädel erſcheint, wie begreiflich, mehr in die Breite gezogen. Es iſt dieſe Schädelform namentlich den Turanern, ſowie unter den europäiſchen Völkerſchaften den Slaven eigenthümlich und man dürfte auch hier wieder zwei Un- tergruppen unterſcheiden. Betrachtet man nämlich die Schädel kurz- köpfiger Völker von vorn, ſo zeigen ſich, namentlich bei den nomadi- ſchen Völkerſchaften die Backenknochen und Jochbogen ſeitlich bedeutend vorſtehend, die Seitenflächen des Schädels dagegen nach oben im Winkel zuſammen laufend, ſo daß eine pyramidale Form des Schä- dels hergeſtellt wird, während die Geſichtsform ſtatt wie bei den meiſten Europäern ſenkrecht oval zu ſeyn, vierſeitig und faſt breiter als lang erſcheint. Dieſe pyramidale Schädelform kommt, wie ſchon bemerkt, hauptſächlich bei den nomadiſchen Völkerſchaften der Kurzköpfe vor, während die Anderen einen rundlichen Schädelbau beſitzen. Nicht minder wichtig erſcheint die Unterſuchung der Schädel- baſis und ihre Vergleichung bei den verſchiedenen Typen, doch ſind hierüber noch keine ſpeziellen Unterſuchungen gemacht worden. Es

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/562>, abgerufen am 23.05.2024.