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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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gewöhnlich von zwei senkrechten Löchern durchbohrt, welche von der
Schleimhaut überzogen sind. Die Oberkieferbeine (18) bilden stets die
Seitentheile der Schnauze und besitzen einen senkrecht stehenden An-
tlitztheil und einen horizontalen Gaumentheil, deren Gränze von dem
zahntragenden Rande des Knochens gebildet wird. Von dem Antlitz-
theile erhebt sich gewöhnlich ein Fortsatz, an welchen sich nach hinten
das Jochbein (19) anschließt, um so mit dem Jochfortsatze des Schläfen-
beines den Jochbogen zu vervollständigen, dessen Entwickelung sehr
auffallende Verschiedenheiten zeigt, indem er zuweilen unvollständig,
in anderen Fällen aber ganz ungeheuer entwickelt und selbst mit einem
abwärts gerichteten Fortsatze versehen ist, der sich über den Unter-
kiefer herabsenkt. Das Gaumengewölbe, welches die Nasenhöhle von
der Mundhöhle abtrennt, wird in seiner hinteren Partie von den
eigentlichen Gaumenbeinen (22) und von den Flügelbeinen (25)
gebildet, die bei dem Menschen schon frühzeitig mit dem Keilbeine ver-
wachsen. Eine ähnliche Verwachsung findet bei dem Menschen mit
dem obersten Theile des großen Zungenbeinhornes statt, das bei ihm,
dem Orangutang und einigen Dickhäutern mit dem Schläfenbeine ver-
wächst und dort den sogenannten Griffelfortsatz (29) darstellt, wäh-
rend es bei allen übrigen Säugethieren nur durch Bandmasse mit
dem Schädel verbunden ist. Der Unterkiefer (34) der Säugethiere ent-
steht überall nur aus zwei Hälften, nie aus mehreren Knochenstücken,
ein großer Unterschied von demjenigen der Reptilien, wo dieser Kno-
chen, wie wir gesehen haben, stets aus vielen Stücken zusammengesetzt
ist. Zuweilen sind die Unterkieferstücke an der Spitze nur durch Band-
masse, gewöhnlich indessen durch Naht mit einander verbunden;
bei den Kameelen, den Faulthieren, den Walrossen, den Einhufern,
Dickhäutern, Fledermäusen, Affen und Menschen verwachsen die beiden
Hälften sehr frühzeitig miteinander und bei dem Menschen allein wölbt
sich an dieser Stelle der untere Rand hervor, so daß ein vorspringen-
des Kinn gebildet wird. An seinem aufsteigenden Aste, der nur bei
einigen Walthieren ganz fehlt, so daß der Knochen hier einer Rippe
gleicht und der auch bei den Zahnlosen kaum sichtbar ist, trägt der Unter-
kiefer stets den converen Gelenkkopf, dessen Form sehr verschieden je
nach der Nahrung und den Ordnungen der Säugethiere ist. So steht
bei den Fleischfressern, wo nur die hebelartige Bewegung des Unter-
kiefers, diese aber sehr stark entwickelt ist, der rollenförmige Gelenkkopf quer
zu der Achse des Schädels und ist eine tiefe, quere Grube des Schläfen-
beines fest eingefügt, während bei den Wiederkäuern, wo die reibende

gewöhnlich von zwei ſenkrechten Löchern durchbohrt, welche von der
Schleimhaut überzogen ſind. Die Oberkieferbeine (18) bilden ſtets die
Seitentheile der Schnauze und beſitzen einen ſenkrecht ſtehenden An-
tlitztheil und einen horizontalen Gaumentheil, deren Gränze von dem
zahntragenden Rande des Knochens gebildet wird. Von dem Antlitz-
theile erhebt ſich gewöhnlich ein Fortſatz, an welchen ſich nach hinten
das Jochbein (19) anſchließt, um ſo mit dem Jochfortſatze des Schläfen-
beines den Jochbogen zu vervollſtändigen, deſſen Entwickelung ſehr
auffallende Verſchiedenheiten zeigt, indem er zuweilen unvollſtändig,
in anderen Fällen aber ganz ungeheuer entwickelt und ſelbſt mit einem
abwärts gerichteten Fortſatze verſehen iſt, der ſich über den Unter-
kiefer herabſenkt. Das Gaumengewölbe, welches die Naſenhöhle von
der Mundhöhle abtrennt, wird in ſeiner hinteren Partie von den
eigentlichen Gaumenbeinen (22) und von den Flügelbeinen (25)
gebildet, die bei dem Menſchen ſchon frühzeitig mit dem Keilbeine ver-
wachſen. Eine ähnliche Verwachſung findet bei dem Menſchen mit
dem oberſten Theile des großen Zungenbeinhornes ſtatt, das bei ihm,
dem Orangutang und einigen Dickhäutern mit dem Schläfenbeine ver-
wächst und dort den ſogenannten Griffelfortſatz (29) darſtellt, wäh-
rend es bei allen übrigen Säugethieren nur durch Bandmaſſe mit
dem Schädel verbunden iſt. Der Unterkiefer (34) der Säugethiere ent-
ſteht überall nur aus zwei Hälften, nie aus mehreren Knochenſtücken,
ein großer Unterſchied von demjenigen der Reptilien, wo dieſer Kno-
chen, wie wir geſehen haben, ſtets aus vielen Stücken zuſammengeſetzt
iſt. Zuweilen ſind die Unterkieferſtücke an der Spitze nur durch Band-
maſſe, gewöhnlich indeſſen durch Naht mit einander verbunden;
bei den Kameelen, den Faulthieren, den Walroſſen, den Einhufern,
Dickhäutern, Fledermäuſen, Affen und Menſchen verwachſen die beiden
Hälften ſehr frühzeitig miteinander und bei dem Menſchen allein wölbt
ſich an dieſer Stelle der untere Rand hervor, ſo daß ein vorſpringen-
des Kinn gebildet wird. An ſeinem aufſteigenden Aſte, der nur bei
einigen Walthieren ganz fehlt, ſo daß der Knochen hier einer Rippe
gleicht und der auch bei den Zahnloſen kaum ſichtbar iſt, trägt der Unter-
kiefer ſtets den converen Gelenkkopf, deſſen Form ſehr verſchieden je
nach der Nahrung und den Ordnungen der Säugethiere iſt. So ſteht
bei den Fleiſchfreſſern, wo nur die hebelartige Bewegung des Unter-
kiefers, dieſe aber ſehr ſtark entwickelt iſt, der rollenförmige Gelenkkopf quer
zu der Achſe des Schädels und iſt eine tiefe, quere Grube des Schläfen-
beines feſt eingefügt, während bei den Wiederkäuern, wo die reibende

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[388/0394] gewöhnlich von zwei ſenkrechten Löchern durchbohrt, welche von der Schleimhaut überzogen ſind. Die Oberkieferbeine (18) bilden ſtets die Seitentheile der Schnauze und beſitzen einen ſenkrecht ſtehenden An- tlitztheil und einen horizontalen Gaumentheil, deren Gränze von dem zahntragenden Rande des Knochens gebildet wird. Von dem Antlitz- theile erhebt ſich gewöhnlich ein Fortſatz, an welchen ſich nach hinten das Jochbein (19) anſchließt, um ſo mit dem Jochfortſatze des Schläfen- beines den Jochbogen zu vervollſtändigen, deſſen Entwickelung ſehr auffallende Verſchiedenheiten zeigt, indem er zuweilen unvollſtändig, in anderen Fällen aber ganz ungeheuer entwickelt und ſelbſt mit einem abwärts gerichteten Fortſatze verſehen iſt, der ſich über den Unter- kiefer herabſenkt. Das Gaumengewölbe, welches die Naſenhöhle von der Mundhöhle abtrennt, wird in ſeiner hinteren Partie von den eigentlichen Gaumenbeinen (22) und von den Flügelbeinen (25) gebildet, die bei dem Menſchen ſchon frühzeitig mit dem Keilbeine ver- wachſen. Eine ähnliche Verwachſung findet bei dem Menſchen mit dem oberſten Theile des großen Zungenbeinhornes ſtatt, das bei ihm, dem Orangutang und einigen Dickhäutern mit dem Schläfenbeine ver- wächst und dort den ſogenannten Griffelfortſatz (29) darſtellt, wäh- rend es bei allen übrigen Säugethieren nur durch Bandmaſſe mit dem Schädel verbunden iſt. Der Unterkiefer (34) der Säugethiere ent- ſteht überall nur aus zwei Hälften, nie aus mehreren Knochenſtücken, ein großer Unterſchied von demjenigen der Reptilien, wo dieſer Kno- chen, wie wir geſehen haben, ſtets aus vielen Stücken zuſammengeſetzt iſt. Zuweilen ſind die Unterkieferſtücke an der Spitze nur durch Band- maſſe, gewöhnlich indeſſen durch Naht mit einander verbunden; bei den Kameelen, den Faulthieren, den Walroſſen, den Einhufern, Dickhäutern, Fledermäuſen, Affen und Menſchen verwachſen die beiden Hälften ſehr frühzeitig miteinander und bei dem Menſchen allein wölbt ſich an dieſer Stelle der untere Rand hervor, ſo daß ein vorſpringen- des Kinn gebildet wird. An ſeinem aufſteigenden Aſte, der nur bei einigen Walthieren ganz fehlt, ſo daß der Knochen hier einer Rippe gleicht und der auch bei den Zahnloſen kaum ſichtbar iſt, trägt der Unter- kiefer ſtets den converen Gelenkkopf, deſſen Form ſehr verſchieden je nach der Nahrung und den Ordnungen der Säugethiere iſt. So ſteht bei den Fleiſchfreſſern, wo nur die hebelartige Bewegung des Unter- kiefers, dieſe aber ſehr ſtark entwickelt iſt, der rollenförmige Gelenkkopf quer zu der Achſe des Schädels und iſt eine tiefe, quere Grube des Schläfen- beines feſt eingefügt, während bei den Wiederkäuern, wo die reibende

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/394>, abgerufen am 22.11.2024.