Unter dem Einflusse der Cirkulation, die sich mehr und mehr aus- dehnt, schreitet die Bildung des Embryos mit raschen Schritten vor. Der Embryo hebt sich von dem Dotter ab, die Darmrinne schließt sich von den Seiten her gegen den Dotter, und diesem Schluße folgen unmittelbar die Bauchwandungen nach, so daß ein anfangs weiter, dann stets enger werdender Nabel sich bildet, durch dessen Oeffnung hindurch der Dotter mit dem Darme kommunizirt. Die Schafhaut vervollständigt sich, indem die vorspringenden Falten der Kopf- und Schwanzkappe einander entgegenwachsen und sich so zu der häutigen Hülle vereinigen, welche anfangs dem Embryo sehr knapp anliegt, später aber sich sackförmig ausdehnt. An dem hinteren Ende des Lei- bes sproßt die Harnhaut hervor, fast zu gleicher Zeit mit den Anfangs flossenförmigen Extremitäten und dringt durch den ursprünglich weiten Nabel nach außen, wo sie sich birnförmig erweitert; -- auch später noch läßt sie sich leicht bis zur Kloake hin verfolgen, indem ihr langer Hals neben dem Dottergange durch den Nabel dringt. Sie umwächst das Ei nach und nach mehr und mehr, indem zugleich der Dotter, dessen Substanz zur Bildung des Embryos aufgebraucht wird, sich stets verkleinert. Ihre Gefäße, welche von Anfang an sehr bedeutend sind, entspringen zwar aus dem arteriellen Systeme des Embryos, vertreten aber dennoch die Stelle der Athemgefäße, da weder die ur- sprünglichen Kiemenbogen, noch die Lungen beim Embryo diese Funk- tion haben. Erst nach Anlegung dieser Theile entfernt sich der Em- bryo einigermaßen von dem Typus der Reptilien, namentlich dadurch, daß der Schwanz, der bei jenen eine ansehnliche Länge erhält, bei den Vogelembryonen nur rudimentär bleibt. Die verschiedene Ausbil- dung der Extremitäten des Kopfes und zuletzt die Bildung der Federn bringen dann nach und nach die vollständige Umwandlung in den Vogeltypus hervor. Zum Durchbrechen der Eischale erhält der junge Vogel auf der Spitze des Oberschnabels einen kegelförmigen spitzen Kalkdorn, der später spurlos verschwindet.
Die jungen Vögel zeigen bei dem Ausschlüpfen aus dem Eie zwei wesentlich verschiedene Typen. Bei den Einen, den sogenannten Nest- hockern, sind die Jungen nur mit spärlichem Flaume bedeckt und unfähig, ihrer Nahrung nachzugehen; -- sie werden von den Alten mit großer Sorgfalt und Ausdauer gefüttert und zwar gewöhnlich mit besonderen Stoffen, welche sie später verschmähen. So füttern die meisten Körnerfresser ihre Jungen anfangs mit Würmern, Raupen u. s. w. Es dauert oft geraume Zeit, bis die Jungen flügge werden
Unter dem Einfluſſe der Cirkulation, die ſich mehr und mehr aus- dehnt, ſchreitet die Bildung des Embryos mit raſchen Schritten vor. Der Embryo hebt ſich von dem Dotter ab, die Darmrinne ſchließt ſich von den Seiten her gegen den Dotter, und dieſem Schluße folgen unmittelbar die Bauchwandungen nach, ſo daß ein anfangs weiter, dann ſtets enger werdender Nabel ſich bildet, durch deſſen Oeffnung hindurch der Dotter mit dem Darme kommunizirt. Die Schafhaut vervollſtändigt ſich, indem die vorſpringenden Falten der Kopf- und Schwanzkappe einander entgegenwachſen und ſich ſo zu der häutigen Hülle vereinigen, welche anfangs dem Embryo ſehr knapp anliegt, ſpäter aber ſich ſackförmig ausdehnt. An dem hinteren Ende des Lei- bes ſproßt die Harnhaut hervor, faſt zu gleicher Zeit mit den Anfangs floſſenförmigen Extremitäten und dringt durch den urſprünglich weiten Nabel nach außen, wo ſie ſich birnförmig erweitert; — auch ſpäter noch läßt ſie ſich leicht bis zur Kloake hin verfolgen, indem ihr langer Hals neben dem Dottergange durch den Nabel dringt. Sie umwächſt das Ei nach und nach mehr und mehr, indem zugleich der Dotter, deſſen Subſtanz zur Bildung des Embryos aufgebraucht wird, ſich ſtets verkleinert. Ihre Gefäße, welche von Anfang an ſehr bedeutend ſind, entſpringen zwar aus dem arteriellen Syſteme des Embryos, vertreten aber dennoch die Stelle der Athemgefäße, da weder die ur- ſprünglichen Kiemenbogen, noch die Lungen beim Embryo dieſe Funk- tion haben. Erſt nach Anlegung dieſer Theile entfernt ſich der Em- bryo einigermaßen von dem Typus der Reptilien, namentlich dadurch, daß der Schwanz, der bei jenen eine anſehnliche Länge erhält, bei den Vogelembryonen nur rudimentär bleibt. Die verſchiedene Ausbil- dung der Extremitäten des Kopfes und zuletzt die Bildung der Federn bringen dann nach und nach die vollſtändige Umwandlung in den Vogeltypus hervor. Zum Durchbrechen der Eiſchale erhält der junge Vogel auf der Spitze des Oberſchnabels einen kegelförmigen ſpitzen Kalkdorn, der ſpäter ſpurlos verſchwindet.
Die jungen Vögel zeigen bei dem Ausſchlüpfen aus dem Eie zwei weſentlich verſchiedene Typen. Bei den Einen, den ſogenannten Neſt- hockern, ſind die Jungen nur mit ſpärlichem Flaume bedeckt und unfähig, ihrer Nahrung nachzugehen; — ſie werden von den Alten mit großer Sorgfalt und Ausdauer gefüttert und zwar gewöhnlich mit beſonderen Stoffen, welche ſie ſpäter verſchmähen. So füttern die meiſten Körnerfreſſer ihre Jungen anfangs mit Würmern, Raupen u. ſ. w. Es dauert oft geraume Zeit, bis die Jungen flügge werden
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Unter dem Einfluſſe der Cirkulation, die ſich mehr und mehr aus-
dehnt, ſchreitet die Bildung des Embryos mit raſchen Schritten vor.
Der Embryo hebt ſich von dem Dotter ab, die Darmrinne ſchließt
ſich von den Seiten her gegen den Dotter, und dieſem Schluße folgen
unmittelbar die Bauchwandungen nach, ſo daß ein anfangs weiter,
dann ſtets enger werdender Nabel ſich bildet, durch deſſen Oeffnung
hindurch der Dotter mit dem Darme kommunizirt. Die Schafhaut
vervollſtändigt ſich, indem die vorſpringenden Falten der Kopf- und
Schwanzkappe einander entgegenwachſen und ſich ſo zu der häutigen
Hülle vereinigen, welche anfangs dem Embryo ſehr knapp anliegt,
ſpäter aber ſich ſackförmig ausdehnt. An dem hinteren Ende des Lei-
bes ſproßt die Harnhaut hervor, faſt zu gleicher Zeit mit den Anfangs
floſſenförmigen Extremitäten und dringt durch den urſprünglich weiten
Nabel nach außen, wo ſie ſich birnförmig erweitert; — auch ſpäter
noch läßt ſie ſich leicht bis zur Kloake hin verfolgen, indem ihr langer
Hals neben dem Dottergange durch den Nabel dringt. Sie umwächſt
das Ei nach und nach mehr und mehr, indem zugleich der Dotter,
deſſen Subſtanz zur Bildung des Embryos aufgebraucht wird, ſich
ſtets verkleinert. Ihre Gefäße, welche von Anfang an ſehr bedeutend
ſind, entſpringen zwar aus dem arteriellen Syſteme des Embryos,
vertreten aber dennoch die Stelle der Athemgefäße, da weder die ur-
ſprünglichen Kiemenbogen, noch die Lungen beim Embryo dieſe Funk-
tion haben. Erſt nach Anlegung dieſer Theile entfernt ſich der Em-
bryo einigermaßen von dem Typus der Reptilien, namentlich dadurch,
daß der Schwanz, der bei jenen eine anſehnliche Länge erhält, bei
den Vogelembryonen nur rudimentär bleibt. Die verſchiedene Ausbil-
dung der Extremitäten des Kopfes und zuletzt die Bildung der Federn
bringen dann nach und nach die vollſtändige Umwandlung in den
Vogeltypus hervor. Zum Durchbrechen der Eiſchale erhält der junge
Vogel auf der Spitze des Oberſchnabels einen kegelförmigen ſpitzen
Kalkdorn, der ſpäter ſpurlos verſchwindet.
Die jungen Vögel zeigen bei dem Ausſchlüpfen aus dem Eie zwei
weſentlich verſchiedene Typen. Bei den Einen, den ſogenannten Neſt-
hockern, ſind die Jungen nur mit ſpärlichem Flaume bedeckt und
unfähig, ihrer Nahrung nachzugehen; — ſie werden von den Alten
mit großer Sorgfalt und Ausdauer gefüttert und zwar gewöhnlich mit
beſonderen Stoffen, welche ſie ſpäter verſchmähen. So füttern die
meiſten Körnerfreſſer ihre Jungen anfangs mit Würmern, Raupen
u. ſ. w. Es dauert oft geraume Zeit, bis die Jungen flügge werden
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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