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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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und einigen Wasservögeln und Hühnern kommt eine einfache männ-
liche Ruthe vor, die aus einem vorderen ausstülpbarem Schlauche
und einem hinteren, erektilen Gewebe besteht, und eine Rinne zur
Fortleitung des Samens zeigt. Die weiblichen Geschlechts-
theile
sind bei den meisten Vögeln merkwürdiger Weise nur einfach,
indem der ursprünglich angelegte rechte Eierstock später vollkommen
rudimentär wird und nebst seinem Eileiter entweder gänzlich schwin-
det oder aber nur in Gestalt unförmlicher Bläschen überbleibt. Der
linke Eierstock, der über und vor der Niere liegt, erzeugt allein Eier
in häutigen Platten, die durch ihre Entwickelung ihm ein traubiges
Ansehen geben. Der Eileiter ist stets sehr lang, beträchtlich gewun-
den und zeigt oben einen weiten Trichter mit schlitzförmiger Oeffnung
zur Aufnahme der Dotter; seine Fortsetzung ist röhrenförmig eng,
mit vielen Drüsen besetzt, welche das Eiweiß absondern, das sich in
Schichten ablagert und bei der Drehung des Eies während seines
Durchganges durch diesen Theil die festeren Windungen bildet, die
man mit dem Namen der Hagelschnüre bezeichnet. Vor der Kloake
zeigt der Eileiter eine erweiterte Stelle, die ebenfalls mit reichlichen
Drüsen besetzt ist und in welcher die Kalkschale abgelagert wird. Zur
Bildung derselben sieht man häufig die Hausvögel Kalk an den
Mauern picken und es ist bekannt, daß man in der Gefangenschaft
gehaltenen Vögeln gegen die Paarungszeit hin Kalk liefern muß, um
ihnen die Bildung der Eischaale zu ermöglichen. Der Eileiter mün-
det in die Kloake auf der äußeren Seite des linken Harnleiters.

Die Paarungszeit tritt bei den meisten Vögeln nur periodisch
einmal im Jahre, im Frühling oder Sommer, ein und ist mit einer
außerordentlichen Erhöhung aller Lebensthätigkeiten verbunden. Die
meisten Vögel leben paarweise, nur wenige, wie unsere Hühnervögel,
in Polygamie und bei den meisten beschäftigen sich beide Gatten gleich-
mäßig mit dem Baue des Nestes und der späteren Sorge für die
Jungen. Sehr oft ändert namentlich das Männchen zur Paarungs-
zeit sein Gefieder und legt das sogenannte Hochzeitskleid an, welches
meist glänzendere, lebhaftere Farben zeigt. Viele Gattungen, die sonst
stumm sind, lassen zu dieser Zeit eine besondere Lockstimme hören;
andere verändern ihren Gesang in eigenthümlicher Weise. Der Bau
der Brutstätte, des Nestes, zeigt sehr auffallende Verschiedenheiten
und für jede Art einen ganz besonderen Typus, der sich stets wieder-
holt. Am kunstlosesten ist im Allgemeinen der Nestbau der Wasser-
und Sumpfvögel: viele höhlen sich nur Löcher am Strande aus, die

und einigen Waſſervögeln und Hühnern kommt eine einfache männ-
liche Ruthe vor, die aus einem vorderen ausſtülpbarem Schlauche
und einem hinteren, erektilen Gewebe beſteht, und eine Rinne zur
Fortleitung des Samens zeigt. Die weiblichen Geſchlechts-
theile
ſind bei den meiſten Vögeln merkwürdiger Weiſe nur einfach,
indem der urſprünglich angelegte rechte Eierſtock ſpäter vollkommen
rudimentär wird und nebſt ſeinem Eileiter entweder gänzlich ſchwin-
det oder aber nur in Geſtalt unförmlicher Bläschen überbleibt. Der
linke Eierſtock, der über und vor der Niere liegt, erzeugt allein Eier
in häutigen Platten, die durch ihre Entwickelung ihm ein traubiges
Anſehen geben. Der Eileiter iſt ſtets ſehr lang, beträchtlich gewun-
den und zeigt oben einen weiten Trichter mit ſchlitzförmiger Oeffnung
zur Aufnahme der Dotter; ſeine Fortſetzung iſt röhrenförmig eng,
mit vielen Drüſen beſetzt, welche das Eiweiß abſondern, das ſich in
Schichten ablagert und bei der Drehung des Eies während ſeines
Durchganges durch dieſen Theil die feſteren Windungen bildet, die
man mit dem Namen der Hagelſchnüre bezeichnet. Vor der Kloake
zeigt der Eileiter eine erweiterte Stelle, die ebenfalls mit reichlichen
Drüſen beſetzt iſt und in welcher die Kalkſchale abgelagert wird. Zur
Bildung derſelben ſieht man häufig die Hausvögel Kalk an den
Mauern picken und es iſt bekannt, daß man in der Gefangenſchaft
gehaltenen Vögeln gegen die Paarungszeit hin Kalk liefern muß, um
ihnen die Bildung der Eiſchaale zu ermöglichen. Der Eileiter mün-
det in die Kloake auf der äußeren Seite des linken Harnleiters.

Die Paarungszeit tritt bei den meiſten Vögeln nur periodiſch
einmal im Jahre, im Frühling oder Sommer, ein und iſt mit einer
außerordentlichen Erhöhung aller Lebensthätigkeiten verbunden. Die
meiſten Vögel leben paarweiſe, nur wenige, wie unſere Hühnervögel,
in Polygamie und bei den meiſten beſchäftigen ſich beide Gatten gleich-
mäßig mit dem Baue des Neſtes und der ſpäteren Sorge für die
Jungen. Sehr oft ändert namentlich das Männchen zur Paarungs-
zeit ſein Gefieder und legt das ſogenannte Hochzeitskleid an, welches
meiſt glänzendere, lebhaftere Farben zeigt. Viele Gattungen, die ſonſt
ſtumm ſind, laſſen zu dieſer Zeit eine beſondere Lockſtimme hören;
andere verändern ihren Geſang in eigenthümlicher Weiſe. Der Bau
der Brutſtätte, des Neſtes, zeigt ſehr auffallende Verſchiedenheiten
und für jede Art einen ganz beſonderen Typus, der ſich ſtets wieder-
holt. Am kunſtloſeſten iſt im Allgemeinen der Neſtbau der Waſſer-
und Sumpfvögel: viele höhlen ſich nur Löcher am Strande aus, die

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[319/0325] und einigen Waſſervögeln und Hühnern kommt eine einfache männ- liche Ruthe vor, die aus einem vorderen ausſtülpbarem Schlauche und einem hinteren, erektilen Gewebe beſteht, und eine Rinne zur Fortleitung des Samens zeigt. Die weiblichen Geſchlechts- theile ſind bei den meiſten Vögeln merkwürdiger Weiſe nur einfach, indem der urſprünglich angelegte rechte Eierſtock ſpäter vollkommen rudimentär wird und nebſt ſeinem Eileiter entweder gänzlich ſchwin- det oder aber nur in Geſtalt unförmlicher Bläschen überbleibt. Der linke Eierſtock, der über und vor der Niere liegt, erzeugt allein Eier in häutigen Platten, die durch ihre Entwickelung ihm ein traubiges Anſehen geben. Der Eileiter iſt ſtets ſehr lang, beträchtlich gewun- den und zeigt oben einen weiten Trichter mit ſchlitzförmiger Oeffnung zur Aufnahme der Dotter; ſeine Fortſetzung iſt röhrenförmig eng, mit vielen Drüſen beſetzt, welche das Eiweiß abſondern, das ſich in Schichten ablagert und bei der Drehung des Eies während ſeines Durchganges durch dieſen Theil die feſteren Windungen bildet, die man mit dem Namen der Hagelſchnüre bezeichnet. Vor der Kloake zeigt der Eileiter eine erweiterte Stelle, die ebenfalls mit reichlichen Drüſen beſetzt iſt und in welcher die Kalkſchale abgelagert wird. Zur Bildung derſelben ſieht man häufig die Hausvögel Kalk an den Mauern picken und es iſt bekannt, daß man in der Gefangenſchaft gehaltenen Vögeln gegen die Paarungszeit hin Kalk liefern muß, um ihnen die Bildung der Eiſchaale zu ermöglichen. Der Eileiter mün- det in die Kloake auf der äußeren Seite des linken Harnleiters. Die Paarungszeit tritt bei den meiſten Vögeln nur periodiſch einmal im Jahre, im Frühling oder Sommer, ein und iſt mit einer außerordentlichen Erhöhung aller Lebensthätigkeiten verbunden. Die meiſten Vögel leben paarweiſe, nur wenige, wie unſere Hühnervögel, in Polygamie und bei den meiſten beſchäftigen ſich beide Gatten gleich- mäßig mit dem Baue des Neſtes und der ſpäteren Sorge für die Jungen. Sehr oft ändert namentlich das Männchen zur Paarungs- zeit ſein Gefieder und legt das ſogenannte Hochzeitskleid an, welches meiſt glänzendere, lebhaftere Farben zeigt. Viele Gattungen, die ſonſt ſtumm ſind, laſſen zu dieſer Zeit eine beſondere Lockſtimme hören; andere verändern ihren Geſang in eigenthümlicher Weiſe. Der Bau der Brutſtätte, des Neſtes, zeigt ſehr auffallende Verſchiedenheiten und für jede Art einen ganz beſonderen Typus, der ſich ſtets wieder- holt. Am kunſtloſeſten iſt im Allgemeinen der Neſtbau der Waſſer- und Sumpfvögel: viele höhlen ſich nur Löcher am Strande aus, die

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/325>, abgerufen am 22.11.2024.