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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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len die Leber und das Herz. Diese Lagerung der Theile und nament-
lich die Stellung, welche das Nervensystem einnimmt, ist außerordentlich
charakteristisch für die Wirbelthiere, indem bei dem Kreise, welchem
ebenfalls ein zusammenhängendes, in der Mittellinie des Körpers lie-
gendes Nervensystem zukommt, bei den Gliederthieren, dieses gerade
in umgekehrter Weise, nämlich auf der Bauchfläche unter allen Einge-
weiden gelagert ist, während das Herz die höchste Stelle an der
Rückenfläche einnimmt und keinerlei Trennung durch ein inneres Ske-
lett, wie bei den Wirbelthieren, vorhanden ist.

Nicht minder charakteristisch erscheint die Bildung der Bewe-
gungsorgane
für den Kreis der Wirbelthiere. Dieselben können
gänzlich fehlen, so daß gar keine Glieder vorhanden sind und der
Körper selbst mit der Fortsetzung der Wirbelsäule, dem Schwanze, der
Ortsbewegung vorsteht, die stets möglich ist, indem es kein einziges
Wirbelthier giebt, welches zu irgend einer Zeit seines Lebens an den
Boden festgeheftet wäre. Bei den meisten sind indessen eigene Extre-
mitäten entwickelt, welche stets paarig vorhanden, niemals die Zahl von
vier überschreiten, zwei vordere, die Brustglieder, unmittelbar hinter
dem Halse angebracht und zwei hintere, die Beckenglieder, welche ge-
wöhnlich an dem Ende der Bauchhöhle befestigt sind und durch ihren
Gürtel, das Becken, dieselbe abschließen. Die Modificationen, welche
diese Glieder theils durch das Medium, in welchem die Thiere leben,
theils durch die verschiedene Bestimmung derselben erleiden, sind außer-
ordentlich mannigfaltig und können sowohl zur Begrenzung der Klas-
sen, wie zur Umschreibung kleinerer Gruppen oft mit Vortheil benutzt
werden. So mannigfach diese Bestimmungen auch sein mögen, ob
die Extremität als Flosse, als Flugwerkzeug, als Stütze oder als
Greiforgan benutzt wird, stets ist doch der Plan ihrer Bildung der-
selbe und auch für beide Gliederpaare identisch. Beide zeigen eine
Gürtelbildung, Schulter oder Becken, welche die Extremität in ihrer
Lage erhält und mehr oder minder fest an die Wirbelsäule befestigt;
beide zeigen dann dieselbe Zusammensetzung, indem an den Gürtel
zuerst ein einziger Knochen, Oberarm oder Oberschenkel eingelenkt ist,
welcher meist zwei Knochen des Vorderarmes oder Vorderschenkels
trägt; auch dann, wenn diese beiden Knochen in einen verschmolzen
sind, läßt sich gewöhnlich ihre ursprüngliche Trennung nachweisen.
Weit schwankender sind die Verhältnisse in der letzten Abtheilung der
Extremitäten, der Hand oder dem Fuße, welche zwar bei den höheren
Formen aus drei Abtheilungen, der Wurzel, dem Mittelstücke und den

len die Leber und das Herz. Dieſe Lagerung der Theile und nament-
lich die Stellung, welche das Nervenſyſtem einnimmt, iſt außerordentlich
charakteriſtiſch für die Wirbelthiere, indem bei dem Kreiſe, welchem
ebenfalls ein zuſammenhängendes, in der Mittellinie des Körpers lie-
gendes Nervenſyſtem zukommt, bei den Gliederthieren, dieſes gerade
in umgekehrter Weiſe, nämlich auf der Bauchfläche unter allen Einge-
weiden gelagert iſt, während das Herz die höchſte Stelle an der
Rückenfläche einnimmt und keinerlei Trennung durch ein inneres Ske-
lett, wie bei den Wirbelthieren, vorhanden iſt.

Nicht minder charakteriſtiſch erſcheint die Bildung der Bewe-
gungsorgane
für den Kreis der Wirbelthiere. Dieſelben können
gänzlich fehlen, ſo daß gar keine Glieder vorhanden ſind und der
Körper ſelbſt mit der Fortſetzung der Wirbelſäule, dem Schwanze, der
Ortsbewegung vorſteht, die ſtets möglich iſt, indem es kein einziges
Wirbelthier giebt, welches zu irgend einer Zeit ſeines Lebens an den
Boden feſtgeheftet wäre. Bei den meiſten ſind indeſſen eigene Extre-
mitäten entwickelt, welche ſtets paarig vorhanden, niemals die Zahl von
vier überſchreiten, zwei vordere, die Bruſtglieder, unmittelbar hinter
dem Halſe angebracht und zwei hintere, die Beckenglieder, welche ge-
wöhnlich an dem Ende der Bauchhöhle befeſtigt ſind und durch ihren
Gürtel, das Becken, dieſelbe abſchließen. Die Modificationen, welche
dieſe Glieder theils durch das Medium, in welchem die Thiere leben,
theils durch die verſchiedene Beſtimmung derſelben erleiden, ſind außer-
ordentlich mannigfaltig und können ſowohl zur Begrenzung der Klaſ-
ſen, wie zur Umſchreibung kleinerer Gruppen oft mit Vortheil benutzt
werden. So mannigfach dieſe Beſtimmungen auch ſein mögen, ob
die Extremität als Floſſe, als Flugwerkzeug, als Stütze oder als
Greiforgan benutzt wird, ſtets iſt doch der Plan ihrer Bildung der-
ſelbe und auch für beide Gliederpaare identiſch. Beide zeigen eine
Gürtelbildung, Schulter oder Becken, welche die Extremität in ihrer
Lage erhält und mehr oder minder feſt an die Wirbelſäule befeſtigt;
beide zeigen dann dieſelbe Zuſammenſetzung, indem an den Gürtel
zuerſt ein einziger Knochen, Oberarm oder Oberſchenkel eingelenkt iſt,
welcher meiſt zwei Knochen des Vorderarmes oder Vorderſchenkels
trägt; auch dann, wenn dieſe beiden Knochen in einen verſchmolzen
ſind, läßt ſich gewöhnlich ihre urſprüngliche Trennung nachweiſen.
Weit ſchwankender ſind die Verhältniſſe in der letzten Abtheilung der
Extremitäten, der Hand oder dem Fuße, welche zwar bei den höheren
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[7/0013] len die Leber und das Herz. Dieſe Lagerung der Theile und nament- lich die Stellung, welche das Nervenſyſtem einnimmt, iſt außerordentlich charakteriſtiſch für die Wirbelthiere, indem bei dem Kreiſe, welchem ebenfalls ein zuſammenhängendes, in der Mittellinie des Körpers lie- gendes Nervenſyſtem zukommt, bei den Gliederthieren, dieſes gerade in umgekehrter Weiſe, nämlich auf der Bauchfläche unter allen Einge- weiden gelagert iſt, während das Herz die höchſte Stelle an der Rückenfläche einnimmt und keinerlei Trennung durch ein inneres Ske- lett, wie bei den Wirbelthieren, vorhanden iſt. Nicht minder charakteriſtiſch erſcheint die Bildung der Bewe- gungsorgane für den Kreis der Wirbelthiere. Dieſelben können gänzlich fehlen, ſo daß gar keine Glieder vorhanden ſind und der Körper ſelbſt mit der Fortſetzung der Wirbelſäule, dem Schwanze, der Ortsbewegung vorſteht, die ſtets möglich iſt, indem es kein einziges Wirbelthier giebt, welches zu irgend einer Zeit ſeines Lebens an den Boden feſtgeheftet wäre. Bei den meiſten ſind indeſſen eigene Extre- mitäten entwickelt, welche ſtets paarig vorhanden, niemals die Zahl von vier überſchreiten, zwei vordere, die Bruſtglieder, unmittelbar hinter dem Halſe angebracht und zwei hintere, die Beckenglieder, welche ge- wöhnlich an dem Ende der Bauchhöhle befeſtigt ſind und durch ihren Gürtel, das Becken, dieſelbe abſchließen. Die Modificationen, welche dieſe Glieder theils durch das Medium, in welchem die Thiere leben, theils durch die verſchiedene Beſtimmung derſelben erleiden, ſind außer- ordentlich mannigfaltig und können ſowohl zur Begrenzung der Klaſ- ſen, wie zur Umſchreibung kleinerer Gruppen oft mit Vortheil benutzt werden. So mannigfach dieſe Beſtimmungen auch ſein mögen, ob die Extremität als Floſſe, als Flugwerkzeug, als Stütze oder als Greiforgan benutzt wird, ſtets iſt doch der Plan ihrer Bildung der- ſelbe und auch für beide Gliederpaare identiſch. Beide zeigen eine Gürtelbildung, Schulter oder Becken, welche die Extremität in ihrer Lage erhält und mehr oder minder feſt an die Wirbelſäule befeſtigt; beide zeigen dann dieſelbe Zuſammenſetzung, indem an den Gürtel zuerſt ein einziger Knochen, Oberarm oder Oberſchenkel eingelenkt iſt, welcher meiſt zwei Knochen des Vorderarmes oder Vorderſchenkels trägt; auch dann, wenn dieſe beiden Knochen in einen verſchmolzen ſind, läßt ſich gewöhnlich ihre urſprüngliche Trennung nachweiſen. Weit ſchwankender ſind die Verhältniſſe in der letzten Abtheilung der Extremitäten, der Hand oder dem Fuße, welche zwar bei den höheren Formen aus drei Abtheilungen, der Wurzel, dem Mittelſtücke und den

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/13>, abgerufen am 24.04.2024.