Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

die meist treffliche Erhaltung der Versteinerungen in den mergelichen
Lagen derselben machten den Jura von jeher zu einem vortrefflichen
Ausgangspunkte für die Forschung über Versteinerungen. Man hat
bei ihm viele einzelne Schichten unterschieden und jedenfalls so viel
festgestellt, daß in ihm wenigstens drei verschiedene vollkommen selbst-
ständige Epochen vorkommen, die man in Deutschland als Lias oder
schwarzer Jura, mit Oolith oder brauner Jura, Korallen-
kalk
oder weißer Jura unterschieden hat. In der Kreide, welche
besonders durch die massenhafte Entwickelung der Rhizopoden ausge-
zeichnet ist, unterscheidet man ebenfalls mehrere Schichten und zwar
namentlich: das Neocomien, den Grünsand, die untere chlori-
tische Kreide
und die obere weiße Kreide, welche besonders in
Norddeutschland, Nordfrankreich und Südengland entwickelt ist, wäh-
rend die unteren Schichten der Kreide vorzüglich in der Umgegend des
Mittelmeeres, in den Pyrenäen und Apenninen sich ausgebildet zeigen.

Die sogenannten Tertiärgebilde, welche in unsere jetzige
Schöpfung gewissermaßen allmählig übergehen und mit ihr zusammen
als Reich der Säugethiere bezeichnet werden können, bilden den Schluß-
stein für die Entwicklung der Erdgeschichte. Sie sind in einzelnen
Becken abgelagert, die zerstreut auf der ganzen Erde vorkommen und
schon den Einfluß der Climate erkennen lassen. Man unterscheidet bei
ihnen untere, mittlere und obere Tertiärgebilde (Eocen, Miocen,
Pliocen
) so wie die Diluvialgebilde. Da in der Tertiärzeit die
Anfangstypen der Säugethiere auftreten, so erscheinen die Versteine-
rungen derselben besonders für die Betrachtung dieser Klasse von un-
gemeiner Wichtigkeit.

Die einzelnen Perioden, welche wir in aufsteigender Reihenfolge
als Uebergangsgebirge, Kohlengebirge, permisches System, Trias,
Jura, Kreide, Tertiärgebilde, Diluvium und heutige Schöpfung kennen
lernten und in welchen noch einzelne, nicht minder unabhängige Le-
bensepochen unterschieden werden können, diese Perioden, sage ich,
wurden von einzelnen mächtigen Revolutionen unterbrochen, welche
die bestehenden Lebensformen durchaus vernichteten und nach deren
Vorübergehen neue Gattungen und Arten an die Stelle der frü-
her Vorhandenen traten. Es dauert freilich über diese Annahme noch
ein mit Heftigkeit geführter Streit unter den Geologen fort, indem
die Gegner keine sprungweise Entwickelungen durch Revolutionen, son-
dern nur eine allmählige Ausbildung und Umwandlung der einzelnen
Arten anerkennen wollen. Es wäre unmöglich, hier auf die Entwick-
lung dieser Streitigkeiten einzugehen, welche einem andern Zweige der

die meiſt treffliche Erhaltung der Verſteinerungen in den mergelichen
Lagen derſelben machten den Jura von jeher zu einem vortrefflichen
Ausgangspunkte für die Forſchung über Verſteinerungen. Man hat
bei ihm viele einzelne Schichten unterſchieden und jedenfalls ſo viel
feſtgeſtellt, daß in ihm wenigſtens drei verſchiedene vollkommen ſelbſt-
ſtändige Epochen vorkommen, die man in Deutſchland als Lias oder
ſchwarzer Jura, mit Oolith oder brauner Jura, Korallen-
kalk
oder weißer Jura unterſchieden hat. In der Kreide, welche
beſonders durch die maſſenhafte Entwickelung der Rhizopoden ausge-
zeichnet iſt, unterſcheidet man ebenfalls mehrere Schichten und zwar
namentlich: das Néocomien, den Grünſand, die untere chlori-
tiſche Kreide
und die obere weiße Kreide, welche beſonders in
Norddeutſchland, Nordfrankreich und Südengland entwickelt iſt, wäh-
rend die unteren Schichten der Kreide vorzüglich in der Umgegend des
Mittelmeeres, in den Pyrenäen und Apenninen ſich ausgebildet zeigen.

Die ſogenannten Tertiärgebilde, welche in unſere jetzige
Schöpfung gewiſſermaßen allmählig übergehen und mit ihr zuſammen
als Reich der Säugethiere bezeichnet werden können, bilden den Schluß-
ſtein für die Entwicklung der Erdgeſchichte. Sie ſind in einzelnen
Becken abgelagert, die zerſtreut auf der ganzen Erde vorkommen und
ſchon den Einfluß der Climate erkennen laſſen. Man unterſcheidet bei
ihnen untere, mittlere und obere Tertiärgebilde (Eocen, Miocen,
Pliocen
) ſo wie die Diluvialgebilde. Da in der Tertiärzeit die
Anfangstypen der Säugethiere auftreten, ſo erſcheinen die Verſteine-
rungen derſelben beſonders für die Betrachtung dieſer Klaſſe von un-
gemeiner Wichtigkeit.

Die einzelnen Perioden, welche wir in aufſteigender Reihenfolge
als Uebergangsgebirge, Kohlengebirge, permiſches Syſtem, Trias,
Jura, Kreide, Tertiärgebilde, Diluvium und heutige Schöpfung kennen
lernten und in welchen noch einzelne, nicht minder unabhängige Le-
bensepochen unterſchieden werden können, dieſe Perioden, ſage ich,
wurden von einzelnen mächtigen Revolutionen unterbrochen, welche
die beſtehenden Lebensformen durchaus vernichteten und nach deren
Vorübergehen neue Gattungen und Arten an die Stelle der frü-
her Vorhandenen traten. Es dauert freilich über dieſe Annahme noch
ein mit Heftigkeit geführter Streit unter den Geologen fort, indem
die Gegner keine ſprungweiſe Entwickelungen durch Revolutionen, ſon-
dern nur eine allmählige Ausbildung und Umwandlung der einzelnen
Arten anerkennen wollen. Es wäre unmöglich, hier auf die Entwick-
lung dieſer Streitigkeiten einzugehen, welche einem andern Zweige der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="74"/>
die mei&#x017F;t treffliche Erhaltung der Ver&#x017F;teinerungen in den mergelichen<lb/>
Lagen der&#x017F;elben machten den Jura von jeher zu einem vortrefflichen<lb/>
Ausgangspunkte für die For&#x017F;chung über Ver&#x017F;teinerungen. Man hat<lb/>
bei ihm viele einzelne Schichten unter&#x017F;chieden und jedenfalls &#x017F;o viel<lb/>
fe&#x017F;tge&#x017F;tellt, daß in ihm wenig&#x017F;tens drei ver&#x017F;chiedene vollkommen &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tändige Epochen vorkommen, die man in Deut&#x017F;chland als <hi rendition="#g">Lias</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;chwarzer Jura</hi>, mit <hi rendition="#g">Oolith</hi> oder <hi rendition="#g">brauner Jura, Korallen-<lb/>
kalk</hi> oder <hi rendition="#g">weißer Jura</hi> unter&#x017F;chieden hat. In der <hi rendition="#g">Kreide</hi>, welche<lb/>
be&#x017F;onders durch die ma&#x017F;&#x017F;enhafte Entwickelung der Rhizopoden ausge-<lb/>
zeichnet i&#x017F;t, unter&#x017F;cheidet man ebenfalls mehrere Schichten und zwar<lb/>
namentlich: das <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Néocomien</hi></hi>, den <hi rendition="#g">Grün&#x017F;and</hi>, die untere <hi rendition="#g">chlori-<lb/>
ti&#x017F;che Kreide</hi> und die obere <hi rendition="#g">weiße Kreide</hi>, welche be&#x017F;onders in<lb/>
Norddeut&#x017F;chland, Nordfrankreich und Südengland entwickelt i&#x017F;t, wäh-<lb/>
rend die unteren Schichten der Kreide vorzüglich in der Umgegend des<lb/>
Mittelmeeres, in den Pyrenäen und Apenninen &#x017F;ich ausgebildet zeigen.</p><lb/>
        <p>Die &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">Tertiärgebilde</hi>, welche in un&#x017F;ere jetzige<lb/>
Schöpfung gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen allmählig übergehen und mit ihr zu&#x017F;ammen<lb/>
als Reich der Säugethiere bezeichnet werden können, bilden den Schluß-<lb/>
&#x017F;tein für die Entwicklung der Erdge&#x017F;chichte. Sie &#x017F;ind in einzelnen<lb/>
Becken abgelagert, die zer&#x017F;treut auf der ganzen Erde vorkommen und<lb/>
&#x017F;chon den Einfluß der Climate erkennen la&#x017F;&#x017F;en. Man unter&#x017F;cheidet bei<lb/>
ihnen untere, mittlere und obere Tertiärgebilde (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Eocen, Miocen</hi>,<lb/>
Pliocen</hi>) &#x017F;o wie die <hi rendition="#g">Diluvialgebilde</hi>. Da in der Tertiärzeit die<lb/>
Anfangstypen der Säugethiere auftreten, &#x017F;o er&#x017F;cheinen die Ver&#x017F;teine-<lb/>
rungen der&#x017F;elben be&#x017F;onders für die Betrachtung die&#x017F;er Kla&#x017F;&#x017F;e von un-<lb/>
gemeiner Wichtigkeit.</p><lb/>
        <p>Die einzelnen Perioden, welche wir in auf&#x017F;teigender Reihenfolge<lb/>
als Uebergangsgebirge, Kohlengebirge, permi&#x017F;ches Sy&#x017F;tem, Trias,<lb/>
Jura, Kreide, Tertiärgebilde, Diluvium und heutige Schöpfung kennen<lb/>
lernten und in welchen noch einzelne, nicht minder unabhängige Le-<lb/>
bensepochen unter&#x017F;chieden werden können, die&#x017F;e Perioden, &#x017F;age ich,<lb/>
wurden von einzelnen mächtigen Revolutionen unterbrochen, welche<lb/>
die be&#x017F;tehenden Lebensformen durchaus vernichteten und nach deren<lb/>
Vorübergehen neue Gattungen und Arten an die Stelle der frü-<lb/>
her Vorhandenen traten. Es dauert freilich über die&#x017F;e Annahme noch<lb/>
ein mit Heftigkeit geführter Streit unter den Geologen fort, indem<lb/>
die Gegner keine &#x017F;prungwei&#x017F;e Entwickelungen durch Revolutionen, &#x017F;on-<lb/>
dern nur eine allmählige Ausbildung und Umwandlung der einzelnen<lb/>
Arten anerkennen wollen. Es wäre unmöglich, hier auf die Entwick-<lb/>
lung die&#x017F;er Streitigkeiten einzugehen, welche einem andern Zweige der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0080] die meiſt treffliche Erhaltung der Verſteinerungen in den mergelichen Lagen derſelben machten den Jura von jeher zu einem vortrefflichen Ausgangspunkte für die Forſchung über Verſteinerungen. Man hat bei ihm viele einzelne Schichten unterſchieden und jedenfalls ſo viel feſtgeſtellt, daß in ihm wenigſtens drei verſchiedene vollkommen ſelbſt- ſtändige Epochen vorkommen, die man in Deutſchland als Lias oder ſchwarzer Jura, mit Oolith oder brauner Jura, Korallen- kalk oder weißer Jura unterſchieden hat. In der Kreide, welche beſonders durch die maſſenhafte Entwickelung der Rhizopoden ausge- zeichnet iſt, unterſcheidet man ebenfalls mehrere Schichten und zwar namentlich: das Néocomien, den Grünſand, die untere chlori- tiſche Kreide und die obere weiße Kreide, welche beſonders in Norddeutſchland, Nordfrankreich und Südengland entwickelt iſt, wäh- rend die unteren Schichten der Kreide vorzüglich in der Umgegend des Mittelmeeres, in den Pyrenäen und Apenninen ſich ausgebildet zeigen. Die ſogenannten Tertiärgebilde, welche in unſere jetzige Schöpfung gewiſſermaßen allmählig übergehen und mit ihr zuſammen als Reich der Säugethiere bezeichnet werden können, bilden den Schluß- ſtein für die Entwicklung der Erdgeſchichte. Sie ſind in einzelnen Becken abgelagert, die zerſtreut auf der ganzen Erde vorkommen und ſchon den Einfluß der Climate erkennen laſſen. Man unterſcheidet bei ihnen untere, mittlere und obere Tertiärgebilde (Eocen, Miocen, Pliocen) ſo wie die Diluvialgebilde. Da in der Tertiärzeit die Anfangstypen der Säugethiere auftreten, ſo erſcheinen die Verſteine- rungen derſelben beſonders für die Betrachtung dieſer Klaſſe von un- gemeiner Wichtigkeit. Die einzelnen Perioden, welche wir in aufſteigender Reihenfolge als Uebergangsgebirge, Kohlengebirge, permiſches Syſtem, Trias, Jura, Kreide, Tertiärgebilde, Diluvium und heutige Schöpfung kennen lernten und in welchen noch einzelne, nicht minder unabhängige Le- bensepochen unterſchieden werden können, dieſe Perioden, ſage ich, wurden von einzelnen mächtigen Revolutionen unterbrochen, welche die beſtehenden Lebensformen durchaus vernichteten und nach deren Vorübergehen neue Gattungen und Arten an die Stelle der frü- her Vorhandenen traten. Es dauert freilich über dieſe Annahme noch ein mit Heftigkeit geführter Streit unter den Geologen fort, indem die Gegner keine ſprungweiſe Entwickelungen durch Revolutionen, ſon- dern nur eine allmählige Ausbildung und Umwandlung der einzelnen Arten anerkennen wollen. Es wäre unmöglich, hier auf die Entwick- lung dieſer Streitigkeiten einzugehen, welche einem andern Zweige der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/80
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/80>, abgerufen am 01.05.2024.