Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite


[Abbildung] Fig. 682.

Flügellose Amme derselben Art.

streicheln und klopfen, bis sie den Honigsaft aus
den Röhren lassen, welchen die Ameisen gierig
einschlucken. Die Fortpflanzungsweise dieser
Thiere ist eigenthümlich. Im Herbste giebt es
geflügelte Männchen und Weibchen, die sich be-
gatten, wonach das Männchen stirbt, das
Weibchen seine Eier in Rinden legt oder auch
unter der Erde an Wurzeln fortlebt. Im
Frühjahre kriechen die Jungen aus -- flügel-
lose Weibchen oder vielmehr Ammen, deren
Eierstöcke vielkammerige Eiröhren besitzen und
kurze Eileiter ohne Samentasche, Begattungs-
tasche oder Kittorgane. Diese Ammen bringen
ohne Begattung durch innere Knospung Eier hervor, die noch im
Eileiter ausschlüpfen, so daß sie lebendige Larven gebären, die nach
mehrmaliger Häutung wieder auf dieselbe Art Junge erzeugen. So
folgen sich den ganzen Sommer hindurch acht bis zehn, unter günsti-
gen Umständen selbst zwanzig und mehr Generationen ungeschlechtiger,
durch Knospung sich fortsetzender Ammen, bis zuletzt eine Erzeugung
von Männchen und eierlegenden Weibchen, die sich begatten, die Reihe
schließt. Diese eierlegenden Weibchen haben lange Kittdrüsen, eine
Samentasche, was beides den Ammen fehlt, und einkammerige Eiröh-
ren. Viele Blattläuse bedingen durch ihre Stiche Rollungen und
Auswüchse der Blätter, in denen sie mit ihrer Brut leben. Rhizo-
bius; Chermes; Aphis; Aleyrodes
.

Die Blattflöhe (Psyllida) unterscheiden sich von den vorigen

[Abbildung] Fig. 683.

Blattfloh der Binsen
(Livia juncorum).

durch einen mehr rückwärts eingelenkten Stachel,
kürzere Fühler, die nie die Länge des Leibes errei-
chen und an der Spitze gespalten sind, und verdickte,
zum Springen eingerichtete Hinterschenkel. Beide Ge-
schlechter sind stets geflügelt. Sie leben ebenfalls
auf Blättern, springen aber bei der geringsten Be-
wegung ab. Die Weibchen haben eine Legesäge,
mittelst deren sie die Eier in die Knospen der Blät-
ter einsenken. Livia; Psylla.



[Abbildung] Fig. 682.

Flügelloſe Amme derſelben Art.

ſtreicheln und klopfen, bis ſie den Honigſaft aus
den Röhren laſſen, welchen die Ameiſen gierig
einſchlucken. Die Fortpflanzungsweiſe dieſer
Thiere iſt eigenthümlich. Im Herbſte giebt es
geflügelte Männchen und Weibchen, die ſich be-
gatten, wonach das Männchen ſtirbt, das
Weibchen ſeine Eier in Rinden legt oder auch
unter der Erde an Wurzeln fortlebt. Im
Frühjahre kriechen die Jungen aus — flügel-
loſe Weibchen oder vielmehr Ammen, deren
Eierſtöcke vielkammerige Eiröhren beſitzen und
kurze Eileiter ohne Samentaſche, Begattungs-
taſche oder Kittorgane. Dieſe Ammen bringen
ohne Begattung durch innere Knoſpung Eier hervor, die noch im
Eileiter ausſchlüpfen, ſo daß ſie lebendige Larven gebären, die nach
mehrmaliger Häutung wieder auf dieſelbe Art Junge erzeugen. So
folgen ſich den ganzen Sommer hindurch acht bis zehn, unter günſti-
gen Umſtänden ſelbſt zwanzig und mehr Generationen ungeſchlechtiger,
durch Knospung ſich fortſetzender Ammen, bis zuletzt eine Erzeugung
von Männchen und eierlegenden Weibchen, die ſich begatten, die Reihe
ſchließt. Dieſe eierlegenden Weibchen haben lange Kittdrüſen, eine
Samentaſche, was beides den Ammen fehlt, und einkammerige Eiröh-
ren. Viele Blattläuſe bedingen durch ihre Stiche Rollungen und
Auswüchſe der Blätter, in denen ſie mit ihrer Brut leben. Rhizo-
bius; Chermes; Aphis; Aleyrodes
.

Die Blattflöhe (Psyllida) unterſcheiden ſich von den vorigen

[Abbildung] Fig. 683.

Blattfloh der Binſen
(Livia juncorum).

durch einen mehr rückwärts eingelenkten Stachel,
kürzere Fühler, die nie die Länge des Leibes errei-
chen und an der Spitze geſpalten ſind, und verdickte,
zum Springen eingerichtete Hinterſchenkel. Beide Ge-
ſchlechter ſind ſtets geflügelt. Sie leben ebenfalls
auf Blättern, ſpringen aber bei der geringſten Be-
wegung ab. Die Weibchen haben eine Legeſäge,
mittelſt deren ſie die Eier in die Knospen der Blät-
ter einſenken. Livia; Psylla.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0575" n="569"/><figure><head>Fig. 682.</head><lb/><p>Flügello&#x017F;e Amme der&#x017F;elben Art.</p></figure><lb/>
&#x017F;treicheln und klopfen, bis &#x017F;ie den Honig&#x017F;aft aus<lb/>
den Röhren la&#x017F;&#x017F;en, welchen die Amei&#x017F;en gierig<lb/>
ein&#x017F;chlucken. Die Fortpflanzungswei&#x017F;e die&#x017F;er<lb/>
Thiere i&#x017F;t eigenthümlich. Im Herb&#x017F;te giebt es<lb/>
geflügelte Männchen und Weibchen, die &#x017F;ich be-<lb/>
gatten, wonach das Männchen &#x017F;tirbt, das<lb/>
Weibchen &#x017F;eine Eier in Rinden legt oder auch<lb/>
unter der Erde an Wurzeln fortlebt. Im<lb/>
Frühjahre kriechen die Jungen aus &#x2014; flügel-<lb/>
lo&#x017F;e Weibchen oder vielmehr Ammen, deren<lb/>
Eier&#x017F;töcke vielkammerige Eiröhren be&#x017F;itzen und<lb/>
kurze Eileiter ohne Samenta&#x017F;che, Begattungs-<lb/>
ta&#x017F;che oder Kittorgane. Die&#x017F;e Ammen bringen<lb/>
ohne Begattung durch innere Kno&#x017F;pung Eier hervor, die noch im<lb/>
Eileiter aus&#x017F;chlüpfen, &#x017F;o daß &#x017F;ie lebendige Larven gebären, die nach<lb/>
mehrmaliger Häutung wieder auf die&#x017F;elbe Art Junge erzeugen. So<lb/>
folgen &#x017F;ich den ganzen Sommer hindurch acht bis zehn, unter gün&#x017F;ti-<lb/>
gen Um&#x017F;tänden &#x017F;elb&#x017F;t zwanzig und mehr Generationen unge&#x017F;chlechtiger,<lb/>
durch Knospung &#x017F;ich fort&#x017F;etzender Ammen, bis zuletzt eine Erzeugung<lb/>
von Männchen und eierlegenden Weibchen, die &#x017F;ich begatten, die Reihe<lb/>
&#x017F;chließt. Die&#x017F;e eierlegenden Weibchen haben lange Kittdrü&#x017F;en, eine<lb/>
Samenta&#x017F;che, was beides den Ammen fehlt, und einkammerige Eiröh-<lb/>
ren. Viele Blattläu&#x017F;e bedingen durch ihre Stiche Rollungen und<lb/>
Auswüch&#x017F;e der Blätter, in denen &#x017F;ie mit ihrer Brut leben. <hi rendition="#aq">Rhizo-<lb/>
bius; Chermes; Aphis; Aleyrodes</hi>.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">Blattflöhe (<hi rendition="#aq">Psyllida</hi>)</hi> unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich von den vorigen<lb/><figure><head>Fig. 683.</head><lb/><p>Blattfloh der Bin&#x017F;en<lb/>
(<hi rendition="#aq">Livia juncorum</hi>).</p></figure><lb/>
durch einen mehr rückwärts eingelenkten Stachel,<lb/>
kürzere Fühler, die nie die Länge des Leibes errei-<lb/>
chen und an der Spitze ge&#x017F;palten &#x017F;ind, und verdickte,<lb/>
zum Springen eingerichtete Hinter&#x017F;chenkel. Beide Ge-<lb/>
&#x017F;chlechter &#x017F;ind &#x017F;tets geflügelt. Sie leben ebenfalls<lb/>
auf Blättern, &#x017F;pringen aber bei der gering&#x017F;ten Be-<lb/>
wegung ab. Die Weibchen haben eine Lege&#x017F;äge,<lb/>
mittel&#x017F;t deren &#x017F;ie die Eier in die Knospen der Blät-<lb/>
ter ein&#x017F;enken. <hi rendition="#aq">Livia; Psylla</hi>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[569/0575] [Abbildung Fig. 682. Flügelloſe Amme derſelben Art.] ſtreicheln und klopfen, bis ſie den Honigſaft aus den Röhren laſſen, welchen die Ameiſen gierig einſchlucken. Die Fortpflanzungsweiſe dieſer Thiere iſt eigenthümlich. Im Herbſte giebt es geflügelte Männchen und Weibchen, die ſich be- gatten, wonach das Männchen ſtirbt, das Weibchen ſeine Eier in Rinden legt oder auch unter der Erde an Wurzeln fortlebt. Im Frühjahre kriechen die Jungen aus — flügel- loſe Weibchen oder vielmehr Ammen, deren Eierſtöcke vielkammerige Eiröhren beſitzen und kurze Eileiter ohne Samentaſche, Begattungs- taſche oder Kittorgane. Dieſe Ammen bringen ohne Begattung durch innere Knoſpung Eier hervor, die noch im Eileiter ausſchlüpfen, ſo daß ſie lebendige Larven gebären, die nach mehrmaliger Häutung wieder auf dieſelbe Art Junge erzeugen. So folgen ſich den ganzen Sommer hindurch acht bis zehn, unter günſti- gen Umſtänden ſelbſt zwanzig und mehr Generationen ungeſchlechtiger, durch Knospung ſich fortſetzender Ammen, bis zuletzt eine Erzeugung von Männchen und eierlegenden Weibchen, die ſich begatten, die Reihe ſchließt. Dieſe eierlegenden Weibchen haben lange Kittdrüſen, eine Samentaſche, was beides den Ammen fehlt, und einkammerige Eiröh- ren. Viele Blattläuſe bedingen durch ihre Stiche Rollungen und Auswüchſe der Blätter, in denen ſie mit ihrer Brut leben. Rhizo- bius; Chermes; Aphis; Aleyrodes. Die Blattflöhe (Psyllida) unterſcheiden ſich von den vorigen [Abbildung Fig. 683. Blattfloh der Binſen (Livia juncorum).] durch einen mehr rückwärts eingelenkten Stachel, kürzere Fühler, die nie die Länge des Leibes errei- chen und an der Spitze geſpalten ſind, und verdickte, zum Springen eingerichtete Hinterſchenkel. Beide Ge- ſchlechter ſind ſtets geflügelt. Sie leben ebenfalls auf Blättern, ſpringen aber bei der geringſten Be- wegung ab. Die Weibchen haben eine Legeſäge, mittelſt deren ſie die Eier in die Knospen der Blät- ter einſenken. Livia; Psylla.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/575
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/575>, abgerufen am 05.12.2024.