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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Vermehrung höchst eigenthümliche Erscheinungen, welche wir bei diesen
Thieren ausführlicher betrachten werden.

Die Vermehrung der thierischen Zellen hat man besonders bei
dem Eie der höhern Thiere beobachtet, wo man diese Erscheinung den
Furchungsprozeß des Dotters genannt hat. Der Kern oder das soge-
nannte Kernbläschen, das Anfangs (Fig. 11, c) vorhanden ist, ver-
schwindet hier, und die formlose Substanz des Dotters oder der Zellen-
inhalt (b) beginnt sich in einzelnen Massen zu ballen, deren jede als Mit-
telpunkt einen neu gebildeten Kern besitzt. Meistens schreitet die Bil-
dung dieser kernhaltigen Ballen in der Weise vor, daß jeder derselben
sich stets auf's Neue in zwei Theile spaltet, so daß zwei (Fig. 12)
vier, acht (Fig. 13) und noch mehr Furchungskugeln (Fig. 14) ent-

[Abbildung] Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13 Fig, 14.

Furchungsprozeß im Ei des Seeigels.

stehen, welche wieder selbstständige Kerne besitzen. Diese Vermehrung
nach der Zweizahl setzt sich so lange fort, bis das ganze Ei, oder ein
Theil desselben in eine Anzahl von Elementarzellen zerlegt ist, aus
welchen die Gewebe des Embryo sich aufbauen. Nach und nach erst
scheidet sich an der Oberfläche dieser Zellen die Zellenmembran immer
bestimmter ab, während anfangs nur die mehr verdichtete äußere Lage des
Inhaltes selbst als solche auftritt. Aus diesen primitiven Zellen nun
bilden sich die Organe heraus. Der Embryo der höheren Thiere, der Kör-
per der niederen Thiere während ihres ganzen Lebens ist aus Zellen
zusammengehäuft, welche zwar in jedem Organe eine eigenthümliche
Bildung zeigen, aber dennoch stets nach demselben Grundtypus ge-
baut sind.

Auch bei den höchsten Thieren sind noch viele Gewebe vorhanden,
bei welchen sich auch im ausgebildeten Zustande die Zellenstructur er-
hält. Fast alle normalen, wie abnormen Flüssigkeiten des Körpers,
namentlich aber das Blut, enthalten mehr oder minder häufig einge-
streute Zellen oder Körperchen, die aus Zellen herstammen. Die zarten
Auskleidungen der inneren Höhlungen, die Wandungen des Darm-
kanals, der Luftwege, der Drüsenschläuche, sind meist von pflasterför-
migen, hautartigen Ausbreitungen von Zellen gebildet, die man mit
dem gemeinsamen Namen der inneren Oberhäute oder der Epithe-
lien
belegt hat. Alle jene Substanzen, welche von der Consistenz

Vogt. Zoologische Briefe. I. 4

Vermehrung höchſt eigenthümliche Erſcheinungen, welche wir bei dieſen
Thieren ausführlicher betrachten werden.

Die Vermehrung der thieriſchen Zellen hat man beſonders bei
dem Eie der höhern Thiere beobachtet, wo man dieſe Erſcheinung den
Furchungsprozeß des Dotters genannt hat. Der Kern oder das ſoge-
nannte Kernbläschen, das Anfangs (Fig. 11, c) vorhanden iſt, ver-
ſchwindet hier, und die formloſe Subſtanz des Dotters oder der Zellen-
inhalt (b) beginnt ſich in einzelnen Maſſen zu ballen, deren jede als Mit-
telpunkt einen neu gebildeten Kern beſitzt. Meiſtens ſchreitet die Bil-
dung dieſer kernhaltigen Ballen in der Weiſe vor, daß jeder derſelben
ſich ſtets auf’s Neue in zwei Theile ſpaltet, ſo daß zwei (Fig. 12)
vier, acht (Fig. 13) und noch mehr Furchungskugeln (Fig. 14) ent-

[Abbildung] Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13 Fig, 14.

Furchungsprozeß im Ei des Seeigels.

ſtehen, welche wieder ſelbſtſtändige Kerne beſitzen. Dieſe Vermehrung
nach der Zweizahl ſetzt ſich ſo lange fort, bis das ganze Ei, oder ein
Theil deſſelben in eine Anzahl von Elementarzellen zerlegt iſt, aus
welchen die Gewebe des Embryo ſich aufbauen. Nach und nach erſt
ſcheidet ſich an der Oberfläche dieſer Zellen die Zellenmembran immer
beſtimmter ab, während anfangs nur die mehr verdichtete äußere Lage des
Inhaltes ſelbſt als ſolche auftritt. Aus dieſen primitiven Zellen nun
bilden ſich die Organe heraus. Der Embryo der höheren Thiere, der Kör-
per der niederen Thiere während ihres ganzen Lebens iſt aus Zellen
zuſammengehäuft, welche zwar in jedem Organe eine eigenthümliche
Bildung zeigen, aber dennoch ſtets nach demſelben Grundtypus ge-
baut ſind.

Auch bei den höchſten Thieren ſind noch viele Gewebe vorhanden,
bei welchen ſich auch im ausgebildeten Zuſtande die Zellenſtructur er-
hält. Faſt alle normalen, wie abnormen Flüſſigkeiten des Körpers,
namentlich aber das Blut, enthalten mehr oder minder häufig einge-
ſtreute Zellen oder Körperchen, die aus Zellen herſtammen. Die zarten
Auskleidungen der inneren Höhlungen, die Wandungen des Darm-
kanals, der Luftwege, der Drüſenſchläuche, ſind meiſt von pflaſterför-
migen, hautartigen Ausbreitungen von Zellen gebildet, die man mit
dem gemeinſamen Namen der inneren Oberhäute oder der Epithe-
lien
belegt hat. Alle jene Subſtanzen, welche von der Conſiſtenz

Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 4
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[49/0055] Vermehrung höchſt eigenthümliche Erſcheinungen, welche wir bei dieſen Thieren ausführlicher betrachten werden. Die Vermehrung der thieriſchen Zellen hat man beſonders bei dem Eie der höhern Thiere beobachtet, wo man dieſe Erſcheinung den Furchungsprozeß des Dotters genannt hat. Der Kern oder das ſoge- nannte Kernbläschen, das Anfangs (Fig. 11, c) vorhanden iſt, ver- ſchwindet hier, und die formloſe Subſtanz des Dotters oder der Zellen- inhalt (b) beginnt ſich in einzelnen Maſſen zu ballen, deren jede als Mit- telpunkt einen neu gebildeten Kern beſitzt. Meiſtens ſchreitet die Bil- dung dieſer kernhaltigen Ballen in der Weiſe vor, daß jeder derſelben ſich ſtets auf’s Neue in zwei Theile ſpaltet, ſo daß zwei (Fig. 12) vier, acht (Fig. 13) und noch mehr Furchungskugeln (Fig. 14) ent- [Abbildung Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13 Fig, 14. Furchungsprozeß im Ei des Seeigels.] ſtehen, welche wieder ſelbſtſtändige Kerne beſitzen. Dieſe Vermehrung nach der Zweizahl ſetzt ſich ſo lange fort, bis das ganze Ei, oder ein Theil deſſelben in eine Anzahl von Elementarzellen zerlegt iſt, aus welchen die Gewebe des Embryo ſich aufbauen. Nach und nach erſt ſcheidet ſich an der Oberfläche dieſer Zellen die Zellenmembran immer beſtimmter ab, während anfangs nur die mehr verdichtete äußere Lage des Inhaltes ſelbſt als ſolche auftritt. Aus dieſen primitiven Zellen nun bilden ſich die Organe heraus. Der Embryo der höheren Thiere, der Kör- per der niederen Thiere während ihres ganzen Lebens iſt aus Zellen zuſammengehäuft, welche zwar in jedem Organe eine eigenthümliche Bildung zeigen, aber dennoch ſtets nach demſelben Grundtypus ge- baut ſind. Auch bei den höchſten Thieren ſind noch viele Gewebe vorhanden, bei welchen ſich auch im ausgebildeten Zuſtande die Zellenſtructur er- hält. Faſt alle normalen, wie abnormen Flüſſigkeiten des Körpers, namentlich aber das Blut, enthalten mehr oder minder häufig einge- ſtreute Zellen oder Körperchen, die aus Zellen herſtammen. Die zarten Auskleidungen der inneren Höhlungen, die Wandungen des Darm- kanals, der Luftwege, der Drüſenſchläuche, ſind meiſt von pflaſterför- migen, hautartigen Ausbreitungen von Zellen gebildet, die man mit dem gemeinſamen Namen der inneren Oberhäute oder der Epithe- lien belegt hat. Alle jene Subſtanzen, welche von der Conſiſtenz Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 4

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/55>, abgerufen am 01.05.2024.