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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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in Form von Kiefern oder Giftzangen findet, wirkliche Repräsentan-
ten der Fühler sind; allein trotzdem haben sie niemals weder Gestalt
noch Function der wahren Fühler, welche ohne Ausnahme allen In-
sekten zukommen.

Die drei Körperregionen sind bei den Arachniden niemals voll-
ständig getrennt; bei vielen nieder stehenden Formen bildet der unge-
gliederte Körper nur eine einzige mehr oder minder rundliche Masse,
an welcher vorn die Mundwerkzeuge, weiter gegen die Mitte zu die
Beine, und hinten After und Geschlechtsöffnungen angebracht sind, so
daß also sämmtliche Theile des Körpers gänzlich in einander gesteckt
sind. Bei den übrigen Arachniden sind Kopf und Brust stets zu einer
einzigen Masse, der Kopfbrust (cephalothorax), verschmolzen, der

[Abbildung] Fig. 546.

Senkrechter Längsdurchschnitt der Kopfbrust einer
Vogelspinne (Mygale).
ab Ansatzpunkt des Hinterleibes. ct Kopfbrust-
schild. e Magen. c Hirnknoten. no Sehnerven.
y Augen. ca Verbindungsfaden des Brustknotens t
zum Bauchknoten. oe Schlund. b Mund. ma Kau-
platte des Tasters. m Basalglied, g Klaue des Kiefer-
fühlers.

Hinterleib dagegen mehr
oder minder deutlich ab-
gesetzt; doch zeigt sich
bei den höher stehenden
Ordnungen schon inso-
fern eine weitere Ent-
wicklung, als bei ihnen
die Kopfbrust gegliedert
und in deutliche Ringe
abgesetzt erscheint, von
denen jeder ein Paar
Füße trägt, und daß nur
der vorderste Ring, an
welchem das erste der
vier Fußpaare befestigt
ist, mit dem Kopfe zu
einem Ganzen verschmolzen ist. Vielfache Unterschiede finden sich in
der Bildung des Hinterleibes, indem dieser bald gegliedert, bald un-
gegliedert ist.

Die Grundlage der Haut besteht aus Chitin, das meist weich,
haut- oder lederartig erscheint, und nur in wenigen Fällen eine größere
Härte oder selbst eine glasartige Sprödigkeit erhält. Trotz ihrer
großen Dehnbarkeit, die sich besonders nach reichlichen Mahlzeiten oder
während der Entwickelung der Eier kundgibt, besitzt dennoch diese Haut,
deren Struktur sehr wenig untersucht ist, keine Spur von Contrak-
tionsfähigkeit; nur selten ist sie über den ganzen Körper nackt; meist
finden sich Haare, Borsten oder auch sehr sonderbar gegliederte An-

in Form von Kiefern oder Giftzangen findet, wirkliche Repräſentan-
ten der Fühler ſind; allein trotzdem haben ſie niemals weder Geſtalt
noch Function der wahren Fühler, welche ohne Ausnahme allen In-
ſekten zukommen.

Die drei Körperregionen ſind bei den Arachniden niemals voll-
ſtändig getrennt; bei vielen nieder ſtehenden Formen bildet der unge-
gliederte Körper nur eine einzige mehr oder minder rundliche Maſſe,
an welcher vorn die Mundwerkzeuge, weiter gegen die Mitte zu die
Beine, und hinten After und Geſchlechtsöffnungen angebracht ſind, ſo
daß alſo ſämmtliche Theile des Körpers gänzlich in einander geſteckt
ſind. Bei den übrigen Arachniden ſind Kopf und Bruſt ſtets zu einer
einzigen Maſſe, der Kopfbruſt (cephalothorax), verſchmolzen, der

[Abbildung] Fig. 546.

Senkrechter Längsdurchſchnitt der Kopfbruſt einer
Vogelſpinne (Mygale).
ab Anſatzpunkt des Hinterleibes. ct Kopfbruſt-
ſchild. e Magen. c Hirnknoten. no Sehnerven.
y Augen. ca Verbindungsfaden des Bruſtknotens t
zum Bauchknoten. œ Schlund. b Mund. ma Kau-
platte des Taſters. m Baſalglied, g Klaue des Kiefer-
fühlers.

Hinterleib dagegen mehr
oder minder deutlich ab-
geſetzt; doch zeigt ſich
bei den höher ſtehenden
Ordnungen ſchon inſo-
fern eine weitere Ent-
wicklung, als bei ihnen
die Kopfbruſt gegliedert
und in deutliche Ringe
abgeſetzt erſcheint, von
denen jeder ein Paar
Füße trägt, und daß nur
der vorderſte Ring, an
welchem das erſte der
vier Fußpaare befeſtigt
iſt, mit dem Kopfe zu
einem Ganzen verſchmolzen iſt. Vielfache Unterſchiede finden ſich in
der Bildung des Hinterleibes, indem dieſer bald gegliedert, bald un-
gegliedert iſt.

Die Grundlage der Haut beſteht aus Chitin, das meiſt weich,
haut- oder lederartig erſcheint, und nur in wenigen Fällen eine größere
Härte oder ſelbſt eine glasartige Sprödigkeit erhält. Trotz ihrer
großen Dehnbarkeit, die ſich beſonders nach reichlichen Mahlzeiten oder
während der Entwickelung der Eier kundgibt, beſitzt dennoch dieſe Haut,
deren Struktur ſehr wenig unterſucht iſt, keine Spur von Contrak-
tionsfähigkeit; nur ſelten iſt ſie über den ganzen Körper nackt; meiſt
finden ſich Haare, Borſten oder auch ſehr ſonderbar gegliederte An-

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[487/0493] in Form von Kiefern oder Giftzangen findet, wirkliche Repräſentan- ten der Fühler ſind; allein trotzdem haben ſie niemals weder Geſtalt noch Function der wahren Fühler, welche ohne Ausnahme allen In- ſekten zukommen. Die drei Körperregionen ſind bei den Arachniden niemals voll- ſtändig getrennt; bei vielen nieder ſtehenden Formen bildet der unge- gliederte Körper nur eine einzige mehr oder minder rundliche Maſſe, an welcher vorn die Mundwerkzeuge, weiter gegen die Mitte zu die Beine, und hinten After und Geſchlechtsöffnungen angebracht ſind, ſo daß alſo ſämmtliche Theile des Körpers gänzlich in einander geſteckt ſind. Bei den übrigen Arachniden ſind Kopf und Bruſt ſtets zu einer einzigen Maſſe, der Kopfbruſt (cephalothorax), verſchmolzen, der [Abbildung Fig. 546. Senkrechter Längsdurchſchnitt der Kopfbruſt einer Vogelſpinne (Mygale). ab Anſatzpunkt des Hinterleibes. ct Kopfbruſt- ſchild. e Magen. c Hirnknoten. no Sehnerven. y Augen. ca Verbindungsfaden des Bruſtknotens t zum Bauchknoten. œ Schlund. b Mund. ma Kau- platte des Taſters. m Baſalglied, g Klaue des Kiefer- fühlers.] Hinterleib dagegen mehr oder minder deutlich ab- geſetzt; doch zeigt ſich bei den höher ſtehenden Ordnungen ſchon inſo- fern eine weitere Ent- wicklung, als bei ihnen die Kopfbruſt gegliedert und in deutliche Ringe abgeſetzt erſcheint, von denen jeder ein Paar Füße trägt, und daß nur der vorderſte Ring, an welchem das erſte der vier Fußpaare befeſtigt iſt, mit dem Kopfe zu einem Ganzen verſchmolzen iſt. Vielfache Unterſchiede finden ſich in der Bildung des Hinterleibes, indem dieſer bald gegliedert, bald un- gegliedert iſt. Die Grundlage der Haut beſteht aus Chitin, das meiſt weich, haut- oder lederartig erſcheint, und nur in wenigen Fällen eine größere Härte oder ſelbſt eine glasartige Sprödigkeit erhält. Trotz ihrer großen Dehnbarkeit, die ſich beſonders nach reichlichen Mahlzeiten oder während der Entwickelung der Eier kundgibt, beſitzt dennoch dieſe Haut, deren Struktur ſehr wenig unterſucht iſt, keine Spur von Contrak- tionsfähigkeit; nur ſelten iſt ſie über den ganzen Körper nackt; meiſt finden ſich Haare, Borſten oder auch ſehr ſonderbar gegliederte An-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/493>, abgerufen am 15.06.2024.