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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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von einigen Familien gebildet, die eine förmliche Stufenfolge von
Uebergängen von den langschwänzigen Krebsen zu den kurzschwänzigen
Krabben bieten, und stets die Charaktere der einen, wie der anderen
dieser Unterordnungen so miteinander vereinigen, daß die Thiere keiner
von beiden Ordnungen zugezählt werden können. Die allgemeine
Körperform erinnert bei den einen an die Krebse, während sie bei
den anderen derjenigen der Krabben so gleich ist, daß erst eine ge-
nauere Untersuchung beide scheiden läßt. Das Kopfbrustschild ist stets
sehr ansehnlich und weit entwickelter, als der Hinterleib, welcher nie-
mals, so wie bei den Krebsen, durch eine breite, fächerförmige Flosse und
gewaltige Muskulatur das hauptsächlichste Schwimmorgan abgiebt, sondern
entweder, wie bei den Krabben, unter den Leib gebogen und rudimentär,
oder beutelförmig und von weicher Beschaffenheit ist. Die inneren
Fühler sind groß und gewöhnlich frei, wie bei den Krebsen, nur bei
einer Familie können sie in besondere Gruben des Stirnrandes zurück-
geschlagen werden, wie dies allgemein bei den Krabben der Fall ist.
Die Struktur der Brust wechselt ungemein; gewöhnlich ist ihr letzter
Ring nicht mit dem vorigen verwachsen, sondern nur eingelenkt, und
das Brustschild bald schmal, bald breit, aber niemals mit einer mitt-
leren Naht und einer darauf entwickelten inneren senkrechten Platte
versehen. Die drei ersten Fußpaare sind stets vollkommen ausgebildet
und das erste häufig mit einer großen Scheere versehen, während das
fünfte immer und das vierte gewöhnlich rudimentär ist, und dann als
scheinbar überflüssiger Anhang auf dem Rücken getragen, oder zum
Anklammern in den Wohnungen benutzt wird. Der in seiner Form
so sehr wechselnde Hinterleib trägt niemals falsche Füße, wie bei der
vorigen Ordnung, sondern höchstens an seinem vorletzten Ringe ein
Paar unbedeutender Anhänge von verschiedener Gestalt. Endlich findet
man ein unterscheidendes Kennzeichen von den Krabben darin, daß
sich die Eileiter stets in derselben Weise, wie bei den Krebsen, auf dem
Wurzelgliede des dritten Fußpaares und niemals auf dem Brustschilde
nach außen öffnen.

Das Nervensystem bietet einen mittleren Typus zwischen den
Krebsen und den Krabben dar. Bei den langleibigen Anomuren besteht
es nur aus wenigen Knoten und einem mittleren, doppelten Nerven-
strange in dem Hinterleibe, der in der Nähe des Afters sich zu einem
Knoten vereinigt; bei den krabbenartigen dagegen ist die ganze Ner-
venmasse des Leibes zu einem mittleren Knoten verschmolzen, der nach
hinten einen einfachen Nerven für den rudimentären Hinterleib ab-
giebt. Der Magen ist, wie bei den Krebsen, mit inneren Hornhaaren

von einigen Familien gebildet, die eine förmliche Stufenfolge von
Uebergängen von den langſchwänzigen Krebſen zu den kurzſchwänzigen
Krabben bieten, und ſtets die Charaktere der einen, wie der anderen
dieſer Unterordnungen ſo miteinander vereinigen, daß die Thiere keiner
von beiden Ordnungen zugezählt werden können. Die allgemeine
Körperform erinnert bei den einen an die Krebſe, während ſie bei
den anderen derjenigen der Krabben ſo gleich iſt, daß erſt eine ge-
nauere Unterſuchung beide ſcheiden läßt. Das Kopfbruſtſchild iſt ſtets
ſehr anſehnlich und weit entwickelter, als der Hinterleib, welcher nie-
mals, ſo wie bei den Krebſen, durch eine breite, fächerförmige Floſſe und
gewaltige Muskulatur das hauptſächlichſte Schwimmorgan abgiebt, ſondern
entweder, wie bei den Krabben, unter den Leib gebogen und rudimentär,
oder beutelförmig und von weicher Beſchaffenheit iſt. Die inneren
Fühler ſind groß und gewöhnlich frei, wie bei den Krebſen, nur bei
einer Familie können ſie in beſondere Gruben des Stirnrandes zurück-
geſchlagen werden, wie dies allgemein bei den Krabben der Fall iſt.
Die Struktur der Bruſt wechſelt ungemein; gewöhnlich iſt ihr letzter
Ring nicht mit dem vorigen verwachſen, ſondern nur eingelenkt, und
das Bruſtſchild bald ſchmal, bald breit, aber niemals mit einer mitt-
leren Naht und einer darauf entwickelten inneren ſenkrechten Platte
verſehen. Die drei erſten Fußpaare ſind ſtets vollkommen ausgebildet
und das erſte häufig mit einer großen Scheere verſehen, während das
fünfte immer und das vierte gewöhnlich rudimentär iſt, und dann als
ſcheinbar überflüſſiger Anhang auf dem Rücken getragen, oder zum
Anklammern in den Wohnungen benutzt wird. Der in ſeiner Form
ſo ſehr wechſelnde Hinterleib trägt niemals falſche Füße, wie bei der
vorigen Ordnung, ſondern höchſtens an ſeinem vorletzten Ringe ein
Paar unbedeutender Anhänge von verſchiedener Geſtalt. Endlich findet
man ein unterſcheidendes Kennzeichen von den Krabben darin, daß
ſich die Eileiter ſtets in derſelben Weiſe, wie bei den Krebſen, auf dem
Wurzelgliede des dritten Fußpaares und niemals auf dem Bruſtſchilde
nach außen öffnen.

Das Nervenſyſtem bietet einen mittleren Typus zwiſchen den
Krebſen und den Krabben dar. Bei den langleibigen Anomuren beſteht
es nur aus wenigen Knoten und einem mittleren, doppelten Nerven-
ſtrange in dem Hinterleibe, der in der Nähe des Afters ſich zu einem
Knoten vereinigt; bei den krabbenartigen dagegen iſt die ganze Ner-
venmaſſe des Leibes zu einem mittleren Knoten verſchmolzen, der nach
hinten einen einfachen Nerven für den rudimentären Hinterleib ab-
giebt. Der Magen iſt, wie bei den Krebſen, mit inneren Hornhaaren

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[462/0468] von einigen Familien gebildet, die eine förmliche Stufenfolge von Uebergängen von den langſchwänzigen Krebſen zu den kurzſchwänzigen Krabben bieten, und ſtets die Charaktere der einen, wie der anderen dieſer Unterordnungen ſo miteinander vereinigen, daß die Thiere keiner von beiden Ordnungen zugezählt werden können. Die allgemeine Körperform erinnert bei den einen an die Krebſe, während ſie bei den anderen derjenigen der Krabben ſo gleich iſt, daß erſt eine ge- nauere Unterſuchung beide ſcheiden läßt. Das Kopfbruſtſchild iſt ſtets ſehr anſehnlich und weit entwickelter, als der Hinterleib, welcher nie- mals, ſo wie bei den Krebſen, durch eine breite, fächerförmige Floſſe und gewaltige Muskulatur das hauptſächlichſte Schwimmorgan abgiebt, ſondern entweder, wie bei den Krabben, unter den Leib gebogen und rudimentär, oder beutelförmig und von weicher Beſchaffenheit iſt. Die inneren Fühler ſind groß und gewöhnlich frei, wie bei den Krebſen, nur bei einer Familie können ſie in beſondere Gruben des Stirnrandes zurück- geſchlagen werden, wie dies allgemein bei den Krabben der Fall iſt. Die Struktur der Bruſt wechſelt ungemein; gewöhnlich iſt ihr letzter Ring nicht mit dem vorigen verwachſen, ſondern nur eingelenkt, und das Bruſtſchild bald ſchmal, bald breit, aber niemals mit einer mitt- leren Naht und einer darauf entwickelten inneren ſenkrechten Platte verſehen. Die drei erſten Fußpaare ſind ſtets vollkommen ausgebildet und das erſte häufig mit einer großen Scheere verſehen, während das fünfte immer und das vierte gewöhnlich rudimentär iſt, und dann als ſcheinbar überflüſſiger Anhang auf dem Rücken getragen, oder zum Anklammern in den Wohnungen benutzt wird. Der in ſeiner Form ſo ſehr wechſelnde Hinterleib trägt niemals falſche Füße, wie bei der vorigen Ordnung, ſondern höchſtens an ſeinem vorletzten Ringe ein Paar unbedeutender Anhänge von verſchiedener Geſtalt. Endlich findet man ein unterſcheidendes Kennzeichen von den Krabben darin, daß ſich die Eileiter ſtets in derſelben Weiſe, wie bei den Krebſen, auf dem Wurzelgliede des dritten Fußpaares und niemals auf dem Bruſtſchilde nach außen öffnen. Das Nervenſyſtem bietet einen mittleren Typus zwiſchen den Krebſen und den Krabben dar. Bei den langleibigen Anomuren beſteht es nur aus wenigen Knoten und einem mittleren, doppelten Nerven- ſtrange in dem Hinterleibe, der in der Nähe des Afters ſich zu einem Knoten vereinigt; bei den krabbenartigen dagegen iſt die ganze Ner- venmaſſe des Leibes zu einem mittleren Knoten verſchmolzen, der nach hinten einen einfachen Nerven für den rudimentären Hinterleib ab- giebt. Der Magen iſt, wie bei den Krebſen, mit inneren Hornhaaren

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/468>, abgerufen am 14.06.2024.