Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

handen ist, welches in dem Mantel selbst verborgen liegt, während
die meisten sich vollständig in die Schale zurückziehen und einige selbst
dieselbe mit einem Deckel verschließen können. Mit diesem Unterschiede,
sowie mit dem Baue der Geschlechtstheile hängen auch wesentliche
Verschiedenheiten in dem Baue der Mundtheile zusammen, die wir bei
den einzelnen Unterordnungen betrachten werden.

Die Entwickelung der Lungenschnecken im Eie weicht in manchen
Punkten sehr von derjenigen der Kiemenschnecken ab. Die Wimpern,
welche bei diesen hauptsächlich nur an der Stelle der Kopfsegel erschei-
nen und dort eine so außerordentliche Länge erhalten, breiten sich hier
im Anfange über den ganzen Embryo aus, und wenn sie gleich in
der Stirngegend sich am kräftigsten entwickeln und so gewissermaßen
einen Ersatz für die Segel bilden, so werden sie doch niemals bedeu-
tend genug, um jene Bildung von Schwimmsegeln, wie sie bei den
Kiemenschnecken vorkömmt, veranschaulichen zu können. Im Uebrigen
hat die Bildung der innern Theile viel Aehnlichkeit mit derjenigen
der Kiemenschnecken, indem auch hier der Dotter sich gewissermaßen in
zwei Theile theilt, von welchen der vordere den Kopf, die Sinnesor-
gane und den Fuß, der hintere die übrigen Eingeweide in sich ent-
wickelt. Die Schale bildet sich sehr bald, ist Anfangs napfförmig,
bekömmt aber dann allmählig die Windungen, welche ihr eigenthüm-
lich sind. Eine besondere Larvenperiode machen demnach unsere Lun-
genschnecken nicht durch; sie verlassen das Ei in einer Gestalt, welche
vollkommen derjenigen des Mutterthieres entspricht.

[Abbildung] Fig 395.

Der Embryo einer Wegschnecke (Limax).
in dem Stadium, wo sich das Herz bildet,
von der Seite gesehen. a Die großen Fühler
mit dem Auge, die noch eine Warzenform ha-
ben. b Der Mund mit den Lippenfühlern.
c Der untere Gehirnknoten, über dem das Ohr-
bläschen liegt und der nach vorn mit dem
oberen Gehirnknoten in Verbindung steht.
d Die Nackenblase, aus Zellen zusammenge-


Eine auffallende Ausnahme
von allen übrigen Weichthieren
machen unsere nackten Wegschnecken.
Auch hier bilden sich anfangs
die beiden gegenüberstehenden
Theile des Körpers aus, allein
zwischen beiden bleibt ein mit
großen Zellen besetzter Raum des
Dotters übrig, welcher bei fort-
schreitender Entwickelung zu einer
hellen Blase wird, die im Nacken
liegt und sich durch ihre lebhaf-
ten Zusammenziehungen auszeich-
net. An dem Hinterende des

handen iſt, welches in dem Mantel ſelbſt verborgen liegt, während
die meiſten ſich vollſtändig in die Schale zurückziehen und einige ſelbſt
dieſelbe mit einem Deckel verſchließen können. Mit dieſem Unterſchiede,
ſowie mit dem Baue der Geſchlechtstheile hängen auch weſentliche
Verſchiedenheiten in dem Baue der Mundtheile zuſammen, die wir bei
den einzelnen Unterordnungen betrachten werden.

Die Entwickelung der Lungenſchnecken im Eie weicht in manchen
Punkten ſehr von derjenigen der Kiemenſchnecken ab. Die Wimpern,
welche bei dieſen hauptſächlich nur an der Stelle der Kopfſegel erſchei-
nen und dort eine ſo außerordentliche Länge erhalten, breiten ſich hier
im Anfange über den ganzen Embryo aus, und wenn ſie gleich in
der Stirngegend ſich am kräftigſten entwickeln und ſo gewiſſermaßen
einen Erſatz für die Segel bilden, ſo werden ſie doch niemals bedeu-
tend genug, um jene Bildung von Schwimmſegeln, wie ſie bei den
Kiemenſchnecken vorkömmt, veranſchaulichen zu können. Im Uebrigen
hat die Bildung der innern Theile viel Aehnlichkeit mit derjenigen
der Kiemenſchnecken, indem auch hier der Dotter ſich gewiſſermaßen in
zwei Theile theilt, von welchen der vordere den Kopf, die Sinnesor-
gane und den Fuß, der hintere die übrigen Eingeweide in ſich ent-
wickelt. Die Schale bildet ſich ſehr bald, iſt Anfangs napfförmig,
bekömmt aber dann allmählig die Windungen, welche ihr eigenthüm-
lich ſind. Eine beſondere Larvenperiode machen demnach unſere Lun-
genſchnecken nicht durch; ſie verlaſſen das Ei in einer Geſtalt, welche
vollkommen derjenigen des Mutterthieres entſpricht.

[Abbildung] Fig 395.

Der Embryo einer Wegſchnecke (Limax).
in dem Stadium, wo ſich das Herz bildet,
von der Seite geſehen. a Die großen Fühler
mit dem Auge, die noch eine Warzenform ha-
ben. b Der Mund mit den Lippenfühlern.
c Der untere Gehirnknoten, über dem das Ohr-
bläschen liegt und der nach vorn mit dem
oberen Gehirnknoten in Verbindung ſteht.
d Die Nackenblaſe, aus Zellen zuſammenge-


Eine auffallende Ausnahme
von allen übrigen Weichthieren
machen unſere nackten Wegſchnecken.
Auch hier bilden ſich anfangs
die beiden gegenüberſtehenden
Theile des Körpers aus, allein
zwiſchen beiden bleibt ein mit
großen Zellen beſetzter Raum des
Dotters übrig, welcher bei fort-
ſchreitender Entwickelung zu einer
hellen Blaſe wird, die im Nacken
liegt und ſich durch ihre lebhaf-
ten Zuſammenziehungen auszeich-
net. An dem Hinterende des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0360" n="354"/>
handen i&#x017F;t, welches in dem Mantel &#x017F;elb&#x017F;t verborgen liegt, während<lb/>
die mei&#x017F;ten &#x017F;ich voll&#x017F;tändig in die Schale zurückziehen und einige &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;elbe mit einem Deckel ver&#x017F;chließen können. Mit die&#x017F;em Unter&#x017F;chiede,<lb/>
&#x017F;owie mit dem Baue der Ge&#x017F;chlechtstheile hängen auch we&#x017F;entliche<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheiten in dem Baue der Mundtheile zu&#x017F;ammen, die wir bei<lb/>
den einzelnen Unterordnungen betrachten werden.</p><lb/>
            <p>Die Entwickelung der Lungen&#x017F;chnecken im Eie weicht in manchen<lb/>
Punkten &#x017F;ehr von derjenigen der Kiemen&#x017F;chnecken ab. Die Wimpern,<lb/>
welche bei die&#x017F;en haupt&#x017F;ächlich nur an der Stelle der Kopf&#x017F;egel er&#x017F;chei-<lb/>
nen und dort eine &#x017F;o außerordentliche Länge erhalten, breiten &#x017F;ich hier<lb/>
im Anfange über den ganzen Embryo aus, und wenn &#x017F;ie gleich in<lb/>
der Stirngegend &#x017F;ich am kräftig&#x017F;ten entwickeln und &#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen<lb/>
einen Er&#x017F;atz für die Segel bilden, &#x017F;o werden &#x017F;ie doch niemals bedeu-<lb/>
tend genug, um jene Bildung von Schwimm&#x017F;egeln, wie &#x017F;ie bei den<lb/>
Kiemen&#x017F;chnecken vorkömmt, veran&#x017F;chaulichen zu können. Im Uebrigen<lb/>
hat die Bildung der innern Theile viel Aehnlichkeit mit derjenigen<lb/>
der Kiemen&#x017F;chnecken, indem auch hier der Dotter &#x017F;ich gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen in<lb/>
zwei Theile theilt, von welchen der vordere den Kopf, die Sinnesor-<lb/>
gane und den Fuß, der hintere die übrigen Eingeweide in &#x017F;ich ent-<lb/>
wickelt. Die Schale bildet &#x017F;ich &#x017F;ehr bald, i&#x017F;t Anfangs napfförmig,<lb/>
bekömmt aber dann allmählig die Windungen, welche ihr eigenthüm-<lb/>
lich &#x017F;ind. Eine be&#x017F;ondere Larvenperiode machen demnach un&#x017F;ere Lun-<lb/>
gen&#x017F;chnecken nicht durch; &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en das Ei in einer Ge&#x017F;talt, welche<lb/>
vollkommen derjenigen des Mutterthieres ent&#x017F;pricht.</p><lb/>
            <p><figure xml:id="figure-0360" next="#figure-0361"><head>Fig 395.</head><lb/><p xml:id="p-0360" next="#p-0361">Der Embryo einer Weg&#x017F;chnecke <hi rendition="#aq">(Limax)</hi>.<lb/>
in dem Stadium, wo &#x017F;ich das Herz bildet,<lb/>
von der Seite ge&#x017F;ehen. <hi rendition="#aq">a</hi> Die großen Fühler<lb/>
mit dem Auge, die noch eine Warzenform ha-<lb/>
ben. <hi rendition="#aq">b</hi> Der Mund mit den Lippenfühlern.<lb/><hi rendition="#aq">c</hi> Der untere Gehirnknoten, über dem das Ohr-<lb/>
bläschen liegt und der nach vorn mit dem<lb/>
oberen Gehirnknoten in Verbindung &#x017F;teht.<lb/><hi rendition="#aq">d</hi> Die Nackenbla&#x017F;e, aus Zellen zu&#x017F;ammenge-</p></figure><lb/>
Eine auffallende Ausnahme<lb/>
von allen übrigen Weichthieren<lb/>
machen un&#x017F;ere nackten Weg&#x017F;chnecken.<lb/>
Auch hier bilden &#x017F;ich anfangs<lb/>
die beiden gegenüber&#x017F;tehenden<lb/>
Theile des Körpers aus, allein<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden bleibt ein mit<lb/>
großen Zellen be&#x017F;etzter Raum des<lb/>
Dotters übrig, welcher bei fort-<lb/>
&#x017F;chreitender Entwickelung zu einer<lb/>
hellen Bla&#x017F;e wird, die im Nacken<lb/>
liegt und &#x017F;ich durch ihre lebhaf-<lb/>
ten Zu&#x017F;ammenziehungen auszeich-<lb/>
net. An dem Hinterende des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0360] handen iſt, welches in dem Mantel ſelbſt verborgen liegt, während die meiſten ſich vollſtändig in die Schale zurückziehen und einige ſelbſt dieſelbe mit einem Deckel verſchließen können. Mit dieſem Unterſchiede, ſowie mit dem Baue der Geſchlechtstheile hängen auch weſentliche Verſchiedenheiten in dem Baue der Mundtheile zuſammen, die wir bei den einzelnen Unterordnungen betrachten werden. Die Entwickelung der Lungenſchnecken im Eie weicht in manchen Punkten ſehr von derjenigen der Kiemenſchnecken ab. Die Wimpern, welche bei dieſen hauptſächlich nur an der Stelle der Kopfſegel erſchei- nen und dort eine ſo außerordentliche Länge erhalten, breiten ſich hier im Anfange über den ganzen Embryo aus, und wenn ſie gleich in der Stirngegend ſich am kräftigſten entwickeln und ſo gewiſſermaßen einen Erſatz für die Segel bilden, ſo werden ſie doch niemals bedeu- tend genug, um jene Bildung von Schwimmſegeln, wie ſie bei den Kiemenſchnecken vorkömmt, veranſchaulichen zu können. Im Uebrigen hat die Bildung der innern Theile viel Aehnlichkeit mit derjenigen der Kiemenſchnecken, indem auch hier der Dotter ſich gewiſſermaßen in zwei Theile theilt, von welchen der vordere den Kopf, die Sinnesor- gane und den Fuß, der hintere die übrigen Eingeweide in ſich ent- wickelt. Die Schale bildet ſich ſehr bald, iſt Anfangs napfförmig, bekömmt aber dann allmählig die Windungen, welche ihr eigenthüm- lich ſind. Eine beſondere Larvenperiode machen demnach unſere Lun- genſchnecken nicht durch; ſie verlaſſen das Ei in einer Geſtalt, welche vollkommen derjenigen des Mutterthieres entſpricht. [Abbildung Fig 395. Der Embryo einer Wegſchnecke (Limax). in dem Stadium, wo ſich das Herz bildet, von der Seite geſehen. a Die großen Fühler mit dem Auge, die noch eine Warzenform ha- ben. b Der Mund mit den Lippenfühlern. c Der untere Gehirnknoten, über dem das Ohr- bläschen liegt und der nach vorn mit dem oberen Gehirnknoten in Verbindung ſteht. d Die Nackenblaſe, aus Zellen zuſammenge-] Eine auffallende Ausnahme von allen übrigen Weichthieren machen unſere nackten Wegſchnecken. Auch hier bilden ſich anfangs die beiden gegenüberſtehenden Theile des Körpers aus, allein zwiſchen beiden bleibt ein mit großen Zellen beſetzter Raum des Dotters übrig, welcher bei fort- ſchreitender Entwickelung zu einer hellen Blaſe wird, die im Nacken liegt und ſich durch ihre lebhaf- ten Zuſammenziehungen auszeich- net. An dem Hinterende des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/360
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/360>, abgerufen am 18.05.2024.