zarten Schale in Gestalt eines Napfes umschlossen wird, und aus einem vorderen Theil, auf dessen Rückenfläche die Flimmerhaare, auf der Bauchfläche hingegen ein zungenförmiger Fortsatz sich befindet, der sich allmählig zum Fuße ausbildet, während man zugleich im Inneren dunklere Zellenhaufen wahrnimmt, welche die Entwickelung des Darms und der Leber vorbereiten. Bei fortschreitender Entwickelung des jun- gen Thieres bilden sich alle so angelegten Organe nach und nach aus. Die Stelle im Nacken, wo die Flimmerhaare sich befinden, wächst zu zwei häutigen Segeln aus, die meist mit außerordentlich langen Wim- perhaaren besetzt sind, nach Willkühr ein- und ausgestülpt werden können und ein sehr wirksames Schwimmorgan für die freigewordenen Thierchen bilden. Die Schale wird mützenartig und so groß, daß das ganze Thier sich in sie zurückziehen und mit einem an der Hin- terfläche des Fußes angebrachten Deckel die Oeffnung derselben schlie- ßen kann. Von den inneren Organen sieht man zuerst die Gehör- organe mit den in ihnen befindlichen Gehörsteinen erscheinen, dann den gewundenen Darmkanal, dessen Mundöffnung sich zwischen den Wimpersegeln befindet, während der After auf der rechten Seite in der Nackengegend sich zeigt. Erst lange nach den Gehörorganen er- scheinen die Augen und zuletzt von allen inneren Organen das Herz, so daß bei fast allen diesen Schnecken die ganze embryonale Entwicke- lung ohne Dazwischenkunft eines Herzens, also eines Blutlaufes, zu Stande kommt. Indessen fehlt auch bei den Embryonen ein Umtreiben der die Leibeshöhle erfüllenden Flüssigkeit nicht. Es blähen sich nämlich abwechselnd der Fuß und die Nackengegend auf und ziehen sich wieder zusammen, so daß auf diese Weise ein unregelmäßiges Wogen der Flüssigkeit von vorn nach hinten und umgekehrt Statt findet. Die ausgebildete Larve ist ein äußerst lebhaftes, kleines Thierchen, wel- ches mit großer Schnelligkeit, mittelst seiner Wimpersegel umher- schwimmt und meistens auch in diesem Zustande die Kapseln oder Ei- schläuche durchbricht, in welchen die Eier sich befanden. Zuweilen (Paludina) geschieht dies Durchbrechen schon im Eileiter der Mutter, so daß die Schnecke lebendige Junge gebiert. Haben sich diese einige Zeit im freien Wasser umhergetummelt, so beginnt die Rückbildung der Schwimmorgane. Diejenigen Schnecken, welche im späteren Alter nackt sind, werfen die Schale ab, während bei den anderen sie sich nach und nach zu ihrer bleibenden Form gestaltet. Hinter den Segeln, welche allmählig einschrumpfen und endlich vollständig verloren gehen, sprossen die Fühler hervor und der Fuß entwickelt sich mehr und mehr als einziges Bewegungsorgan. Aus einem lebhaften Schwimmer ist
zarten Schale in Geſtalt eines Napfes umſchloſſen wird, und aus einem vorderen Theil, auf deſſen Rückenfläche die Flimmerhaare, auf der Bauchfläche hingegen ein zungenförmiger Fortſatz ſich befindet, der ſich allmählig zum Fuße ausbildet, während man zugleich im Inneren dunklere Zellenhaufen wahrnimmt, welche die Entwickelung des Darms und der Leber vorbereiten. Bei fortſchreitender Entwickelung des jun- gen Thieres bilden ſich alle ſo angelegten Organe nach und nach aus. Die Stelle im Nacken, wo die Flimmerhaare ſich befinden, wächſt zu zwei häutigen Segeln aus, die meiſt mit außerordentlich langen Wim- perhaaren beſetzt ſind, nach Willkühr ein- und ausgeſtülpt werden können und ein ſehr wirkſames Schwimmorgan für die freigewordenen Thierchen bilden. Die Schale wird mützenartig und ſo groß, daß das ganze Thier ſich in ſie zurückziehen und mit einem an der Hin- terfläche des Fußes angebrachten Deckel die Oeffnung derſelben ſchlie- ßen kann. Von den inneren Organen ſieht man zuerſt die Gehör- organe mit den in ihnen befindlichen Gehörſteinen erſcheinen, dann den gewundenen Darmkanal, deſſen Mundöffnung ſich zwiſchen den Wimperſegeln befindet, während der After auf der rechten Seite in der Nackengegend ſich zeigt. Erſt lange nach den Gehörorganen er- ſcheinen die Augen und zuletzt von allen inneren Organen das Herz, ſo daß bei faſt allen dieſen Schnecken die ganze embryonale Entwicke- lung ohne Dazwiſchenkunft eines Herzens, alſo eines Blutlaufes, zu Stande kommt. Indeſſen fehlt auch bei den Embryonen ein Umtreiben der die Leibeshöhle erfüllenden Flüſſigkeit nicht. Es blähen ſich nämlich abwechſelnd der Fuß und die Nackengegend auf und ziehen ſich wieder zuſammen, ſo daß auf dieſe Weiſe ein unregelmäßiges Wogen der Flüſſigkeit von vorn nach hinten und umgekehrt Statt findet. Die ausgebildete Larve iſt ein äußerſt lebhaftes, kleines Thierchen, wel- ches mit großer Schnelligkeit, mittelſt ſeiner Wimperſegel umher- ſchwimmt und meiſtens auch in dieſem Zuſtande die Kapſeln oder Ei- ſchläuche durchbricht, in welchen die Eier ſich befanden. Zuweilen (Paludina) geſchieht dies Durchbrechen ſchon im Eileiter der Mutter, ſo daß die Schnecke lebendige Junge gebiert. Haben ſich dieſe einige Zeit im freien Waſſer umhergetummelt, ſo beginnt die Rückbildung der Schwimmorgane. Diejenigen Schnecken, welche im ſpäteren Alter nackt ſind, werfen die Schale ab, während bei den anderen ſie ſich nach und nach zu ihrer bleibenden Form geſtaltet. Hinter den Segeln, welche allmählig einſchrumpfen und endlich vollſtändig verloren gehen, ſproſſen die Fühler hervor und der Fuß entwickelt ſich mehr und mehr als einziges Bewegungsorgan. Aus einem lebhaften Schwimmer iſt
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zarten Schale in Geſtalt eines Napfes umſchloſſen wird, und aus einem
vorderen Theil, auf deſſen Rückenfläche die Flimmerhaare, auf der
Bauchfläche hingegen ein zungenförmiger Fortſatz ſich befindet, der
ſich allmählig zum Fuße ausbildet, während man zugleich im Inneren
dunklere Zellenhaufen wahrnimmt, welche die Entwickelung des Darms
und der Leber vorbereiten. Bei fortſchreitender Entwickelung des jun-
gen Thieres bilden ſich alle ſo angelegten Organe nach und nach aus.
Die Stelle im Nacken, wo die Flimmerhaare ſich befinden, wächſt zu
zwei häutigen Segeln aus, die meiſt mit außerordentlich langen Wim-
perhaaren beſetzt ſind, nach Willkühr ein- und ausgeſtülpt werden
können und ein ſehr wirkſames Schwimmorgan für die freigewordenen
Thierchen bilden. Die Schale wird mützenartig und ſo groß, daß
das ganze Thier ſich in ſie zurückziehen und mit einem an der Hin-
terfläche des Fußes angebrachten Deckel die Oeffnung derſelben ſchlie-
ßen kann. Von den inneren Organen ſieht man zuerſt die Gehör-
organe mit den in ihnen befindlichen Gehörſteinen erſcheinen, dann
den gewundenen Darmkanal, deſſen Mundöffnung ſich zwiſchen den
Wimperſegeln befindet, während der After auf der rechten Seite in
der Nackengegend ſich zeigt. Erſt lange nach den Gehörorganen er-
ſcheinen die Augen und zuletzt von allen inneren Organen das Herz,
ſo daß bei faſt allen dieſen Schnecken die ganze embryonale Entwicke-
lung ohne Dazwiſchenkunft eines Herzens, alſo eines Blutlaufes, zu
Stande kommt. Indeſſen fehlt auch bei den Embryonen ein Umtreiben
der die Leibeshöhle erfüllenden Flüſſigkeit nicht. Es blähen ſich nämlich
abwechſelnd der Fuß und die Nackengegend auf und ziehen ſich wieder
zuſammen, ſo daß auf dieſe Weiſe ein unregelmäßiges Wogen der
Flüſſigkeit von vorn nach hinten und umgekehrt Statt findet. Die
ausgebildete Larve iſt ein äußerſt lebhaftes, kleines Thierchen, wel-
ches mit großer Schnelligkeit, mittelſt ſeiner Wimperſegel umher-
ſchwimmt und meiſtens auch in dieſem Zuſtande die Kapſeln oder Ei-
ſchläuche durchbricht, in welchen die Eier ſich befanden. Zuweilen
(Paludina) geſchieht dies Durchbrechen ſchon im Eileiter der Mutter,
ſo daß die Schnecke lebendige Junge gebiert. Haben ſich dieſe einige
Zeit im freien Waſſer umhergetummelt, ſo beginnt die Rückbildung
der Schwimmorgane. Diejenigen Schnecken, welche im ſpäteren Alter
nackt ſind, werfen die Schale ab, während bei den anderen ſie ſich
nach und nach zu ihrer bleibenden Form geſtaltet. Hinter den Segeln,
welche allmählig einſchrumpfen und endlich vollſtändig verloren gehen,
ſproſſen die Fühler hervor und der Fuß entwickelt ſich mehr und mehr
als einziges Bewegungsorgan. Aus einem lebhaften Schwimmer iſt
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/342>, abgerufen am 05.12.2024.
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