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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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solium) einheimisch ist. Deutsche und Franzosen, welche in die Schweiz
kommen, holen sich dort den Grubenkopf, nicht aber den in ihrem
Lande einheimischen Bandwurm und umgekehrt. In allen den Län-
dern aber, wo der Grubenkopf so häufig ist, herrscht die Sitte,
die Gartengewächse unmittelbar mit Jauche aus den Abtritten zu
begießen und zu düngen. Es kann also keinem Zweifel unterliegen,
daß von den Millionen mikroskopischen Eichen, welche durch die abge-
stoßenen mit dem Kothe fortgehenden Glieder in die Abtrittsjauche
gelangen, einige mit Salat oder andern ungekochten Kräutern, die man
genießt, hinabgeschluckt werden und wieder in den Darmkanal gelan-
gen, wo sie sich entwickeln können.

Indeß ist dies nur eine Hypothese; -- über den Hergang der Ent-
wickelung selbst kennen wir aber folgende Thatsachen. Die Embryo-
nen, welche sich in den Eiern befinden, sind äußerst contractile Thier-
chen, welche sich mit vieler Lebhaftigkeit strecken und zusammenziehen
und am vordern Ende sechs hornige Häkchen ein- und ausschieben
können. Man weiß nicht wie sich diese Embryonen weiter ausbilden,
hat aber einige Fingerzeige dafür aufgefunden.

In der Lungenhöhle der gewöhnlichen Wegschnecken kommen kleine
Cysten, runde milchweiße Bälge vor, die nur 1/6 Linie groß sind und
in ihrem Innern einen jungen Bandwurm enthalten, dessen Kopf und

[Abbildung] Fig. 192. Fig 191. Fig. 193.

Fig. 191. Die Kapsel mit dem zusammengekugelten
Bandwurm darin. Fig. 192. Derselbe ausgestreckt. Fig. 193.
Reifer Tetrarhynchus, im Wandern begriffen. Bei
allen Figuren bedeutet a Hakenrüssel, b Saugnäpfe,
c Scheiden oder Höhle, worin die Rüssel zurückgezogen
werden können, d Leib, e Undeutlich gegliederter Leibes-
anhang, f Kapselhülle.

Schwanz so in dem aufgeblähten Leib zurückgezogen ist, daß man

Vogt. Zoologische Briefe. I. 13

solium) einheimiſch iſt. Deutſche und Franzoſen, welche in die Schweiz
kommen, holen ſich dort den Grubenkopf, nicht aber den in ihrem
Lande einheimiſchen Bandwurm und umgekehrt. In allen den Län-
dern aber, wo der Grubenkopf ſo häufig iſt, herrſcht die Sitte,
die Gartengewächſe unmittelbar mit Jauche aus den Abtritten zu
begießen und zu düngen. Es kann alſo keinem Zweifel unterliegen,
daß von den Millionen mikroſkopiſchen Eichen, welche durch die abge-
ſtoßenen mit dem Kothe fortgehenden Glieder in die Abtrittsjauche
gelangen, einige mit Salat oder andern ungekochten Kräutern, die man
genießt, hinabgeſchluckt werden und wieder in den Darmkanal gelan-
gen, wo ſie ſich entwickeln können.

Indeß iſt dies nur eine Hypotheſe; — über den Hergang der Ent-
wickelung ſelbſt kennen wir aber folgende Thatſachen. Die Embryo-
nen, welche ſich in den Eiern befinden, ſind äußerſt contractile Thier-
chen, welche ſich mit vieler Lebhaftigkeit ſtrecken und zuſammenziehen
und am vordern Ende ſechs hornige Häkchen ein- und ausſchieben
können. Man weiß nicht wie ſich dieſe Embryonen weiter ausbilden,
hat aber einige Fingerzeige dafür aufgefunden.

In der Lungenhöhle der gewöhnlichen Wegſchnecken kommen kleine
Cyſten, runde milchweiße Bälge vor, die nur 1/6 Linie groß ſind und
in ihrem Innern einen jungen Bandwurm enthalten, deſſen Kopf und

[Abbildung] Fig. 192. Fig 191. Fig. 193.

Fig. 191. Die Kapſel mit dem zuſammengekugelten
Bandwurm darin. Fig. 192. Derſelbe ausgeſtreckt. Fig. 193.
Reifer Tetrarhynchus, im Wandern begriffen. Bei
allen Figuren bedeutet a Hakenrüſſel, b Saugnäpfe,
c Scheiden oder Höhle, worin die Rüſſel zurückgezogen
werden können, d Leib, e Undeutlich gegliederter Leibes-
anhang, f Kapſelhülle.

Schwanz ſo in dem aufgeblähten Leib zurückgezogen iſt, daß man

Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 13
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[193/0199] solium) einheimiſch iſt. Deutſche und Franzoſen, welche in die Schweiz kommen, holen ſich dort den Grubenkopf, nicht aber den in ihrem Lande einheimiſchen Bandwurm und umgekehrt. In allen den Län- dern aber, wo der Grubenkopf ſo häufig iſt, herrſcht die Sitte, die Gartengewächſe unmittelbar mit Jauche aus den Abtritten zu begießen und zu düngen. Es kann alſo keinem Zweifel unterliegen, daß von den Millionen mikroſkopiſchen Eichen, welche durch die abge- ſtoßenen mit dem Kothe fortgehenden Glieder in die Abtrittsjauche gelangen, einige mit Salat oder andern ungekochten Kräutern, die man genießt, hinabgeſchluckt werden und wieder in den Darmkanal gelan- gen, wo ſie ſich entwickeln können. Indeß iſt dies nur eine Hypotheſe; — über den Hergang der Ent- wickelung ſelbſt kennen wir aber folgende Thatſachen. Die Embryo- nen, welche ſich in den Eiern befinden, ſind äußerſt contractile Thier- chen, welche ſich mit vieler Lebhaftigkeit ſtrecken und zuſammenziehen und am vordern Ende ſechs hornige Häkchen ein- und ausſchieben können. Man weiß nicht wie ſich dieſe Embryonen weiter ausbilden, hat aber einige Fingerzeige dafür aufgefunden. In der Lungenhöhle der gewöhnlichen Wegſchnecken kommen kleine Cyſten, runde milchweiße Bälge vor, die nur 1/6 Linie groß ſind und in ihrem Innern einen jungen Bandwurm enthalten, deſſen Kopf und [Abbildung Fig. 192. Fig 191. Fig. 193. Fig. 191. Die Kapſel mit dem zuſammengekugelten Bandwurm darin. Fig. 192. Derſelbe ausgeſtreckt. Fig. 193. Reifer Tetrarhynchus, im Wandern begriffen. Bei allen Figuren bedeutet a Hakenrüſſel, b Saugnäpfe, c Scheiden oder Höhle, worin die Rüſſel zurückgezogen werden können, d Leib, e Undeutlich gegliederter Leibes- anhang, f Kapſelhülle.] Schwanz ſo in dem aufgeblähten Leib zurückgezogen iſt, daß man Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 13

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/199>, abgerufen am 04.05.2024.