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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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nung befindet, die wahrscheinlich die Afteröffnung ist; -- eine dritte
in der Nähe des Stieles befindliche, welche meistens noch durch be-
wegliche Platten verdeckt ist, scheint eine Geschlechtsöffnung gewesen zu
sein. Es findet sich diese Familie nur in den ältesten Schichten des
Uebergangsgebirges, in dem Untersilurischen Kalke, und sie stellen gleich-
sam die Anfangsform des Typus der Seeigel und der Seelilien in
einander vereinigt vor. In der That zeigt sich auch eine Gruppe,
welche insofern den Uebergang vermittelt, als sich auf ihrer Spitze
einige Platten zeigen, welche zur Durchlassung von Fühlern durch-
löchert sind. Diese Fühlergänge sind nach der Fünfzahl gestellt, wäh-
rend bei den eigentlichen Seeäpfeln, welchen sie fehlen, die Sechszahl
vorherrschend ist. Cystocrinus; Sphaeronites.

Die eigentlichen Seelilien (Encrinida) besitzen alle einen Stiel,
einen becherartigen Körper, dessen obere Fläche Mund und After neben-
einander zeigt, und Arme, die auf ihrer Innenfläche eine Rinne zur
Aufnahme der Füßchen zeigen. Sie kommen von den ältesten Schichten
an in stets abnehmender Zahl bis auf unsere Zeiten vor und erschei-
nen in unsern jetzigen Meeren nur noch in zwei höchst seltenen Gat-
tungen, während sie in dem Uebergangs- und Kohlengebirge die große
Mehrzahl der Stachelhäuter ausmachten und in den jurassischen Mee-
ren besonders an den Korallenriffen blühten, welche sich daselbst vor-
fanden. Von der einen lebenden Gattung dieser Seelilien (Holopus)

[Abbildung] Fig. 143.

Actinocri-
nus.
a
Der Stiel, b der
Kelch, c die Arme,
d die Zweige mit den
Ranken daran.

ist bis jetzt nur ein einziges Exemplar, von einer an-
dern (Pentacrinus) nur 4 oder 5 nach Europa gebracht
worden. Beide wurden aus großer Tiefe in dem Meere
der Antillen hervorgezogen. Die fossilen Seelilien hat
man in mehrere Gruppen (Unterfamilien) zerlegt,
welche indeß noch nicht so vollständig untersucht sind,
als es wohl wünschenswerth wäre. Ich erwähne hier
als besondere Typen der Gattung Caryocrinus, die
auf einem kurzen runden Stiele einen eichelför-
migen Körper mit sechs Armen und aus sechs-
seitigen Täfelchen gebildet trägt, die Actinocri-
niden
mit langer runder Säule, becherförmigem
Körper, dessen einzelne Täfelchen nur wenig zu-
sammenhalten, und langen mehrfach getheilten Armen,
welche auf ihrer innern Seite eine große Menge ar-
tikulirter aus einzelnen Kalkstücken zusammengesetzter
Anhänge tragen, so daß der Arm einigermaßen dem

nung befindet, die wahrſcheinlich die Afteröffnung iſt; — eine dritte
in der Nähe des Stieles befindliche, welche meiſtens noch durch be-
wegliche Platten verdeckt iſt, ſcheint eine Geſchlechtsöffnung geweſen zu
ſein. Es findet ſich dieſe Familie nur in den älteſten Schichten des
Uebergangsgebirges, in dem Unterſiluriſchen Kalke, und ſie ſtellen gleich-
ſam die Anfangsform des Typus der Seeigel und der Seelilien in
einander vereinigt vor. In der That zeigt ſich auch eine Gruppe,
welche inſofern den Uebergang vermittelt, als ſich auf ihrer Spitze
einige Platten zeigen, welche zur Durchlaſſung von Fühlern durch-
löchert ſind. Dieſe Fühlergänge ſind nach der Fünfzahl geſtellt, wäh-
rend bei den eigentlichen Seeäpfeln, welchen ſie fehlen, die Sechszahl
vorherrſchend iſt. Cystocrinus; Sphaeronites.

Die eigentlichen Seelilien (Encrinida) beſitzen alle einen Stiel,
einen becherartigen Körper, deſſen obere Fläche Mund und After neben-
einander zeigt, und Arme, die auf ihrer Innenfläche eine Rinne zur
Aufnahme der Füßchen zeigen. Sie kommen von den älteſten Schichten
an in ſtets abnehmender Zahl bis auf unſere Zeiten vor und erſchei-
nen in unſern jetzigen Meeren nur noch in zwei höchſt ſeltenen Gat-
tungen, während ſie in dem Uebergangs- und Kohlengebirge die große
Mehrzahl der Stachelhäuter ausmachten und in den juraſſiſchen Mee-
ren beſonders an den Korallenriffen blühten, welche ſich daſelbſt vor-
fanden. Von der einen lebenden Gattung dieſer Seelilien (Holopus)

[Abbildung] Fig. 143.

Actinocri-
nus.
a
Der Stiel, b der
Kelch, c die Arme,
d die Zweige mit den
Ranken daran.

iſt bis jetzt nur ein einziges Exemplar, von einer an-
dern (Pentacrinus) nur 4 oder 5 nach Europa gebracht
worden. Beide wurden aus großer Tiefe in dem Meere
der Antillen hervorgezogen. Die foſſilen Seelilien hat
man in mehrere Gruppen (Unterfamilien) zerlegt,
welche indeß noch nicht ſo vollſtändig unterſucht ſind,
als es wohl wünſchenswerth wäre. Ich erwähne hier
als beſondere Typen der Gattung Caryocrinus, die
auf einem kurzen runden Stiele einen eichelför-
migen Körper mit ſechs Armen und aus ſechs-
ſeitigen Täfelchen gebildet trägt, die Actinocri-
niden
mit langer runder Säule, becherförmigem
Körper, deſſen einzelne Täfelchen nur wenig zu-
ſammenhalten, und langen mehrfach getheilten Armen,
welche auf ihrer innern Seite eine große Menge ar-
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[155/0161] nung befindet, die wahrſcheinlich die Afteröffnung iſt; — eine dritte in der Nähe des Stieles befindliche, welche meiſtens noch durch be- wegliche Platten verdeckt iſt, ſcheint eine Geſchlechtsöffnung geweſen zu ſein. Es findet ſich dieſe Familie nur in den älteſten Schichten des Uebergangsgebirges, in dem Unterſiluriſchen Kalke, und ſie ſtellen gleich- ſam die Anfangsform des Typus der Seeigel und der Seelilien in einander vereinigt vor. In der That zeigt ſich auch eine Gruppe, welche inſofern den Uebergang vermittelt, als ſich auf ihrer Spitze einige Platten zeigen, welche zur Durchlaſſung von Fühlern durch- löchert ſind. Dieſe Fühlergänge ſind nach der Fünfzahl geſtellt, wäh- rend bei den eigentlichen Seeäpfeln, welchen ſie fehlen, die Sechszahl vorherrſchend iſt. Cystocrinus; Sphaeronites. Die eigentlichen Seelilien (Encrinida) beſitzen alle einen Stiel, einen becherartigen Körper, deſſen obere Fläche Mund und After neben- einander zeigt, und Arme, die auf ihrer Innenfläche eine Rinne zur Aufnahme der Füßchen zeigen. Sie kommen von den älteſten Schichten an in ſtets abnehmender Zahl bis auf unſere Zeiten vor und erſchei- nen in unſern jetzigen Meeren nur noch in zwei höchſt ſeltenen Gat- tungen, während ſie in dem Uebergangs- und Kohlengebirge die große Mehrzahl der Stachelhäuter ausmachten und in den juraſſiſchen Mee- ren beſonders an den Korallenriffen blühten, welche ſich daſelbſt vor- fanden. Von der einen lebenden Gattung dieſer Seelilien (Holopus) [Abbildung Fig. 143. Actinocri- nus. a Der Stiel, b der Kelch, c die Arme, d die Zweige mit den Ranken daran.] iſt bis jetzt nur ein einziges Exemplar, von einer an- dern (Pentacrinus) nur 4 oder 5 nach Europa gebracht worden. Beide wurden aus großer Tiefe in dem Meere der Antillen hervorgezogen. Die foſſilen Seelilien hat man in mehrere Gruppen (Unterfamilien) zerlegt, welche indeß noch nicht ſo vollſtändig unterſucht ſind, als es wohl wünſchenswerth wäre. Ich erwähne hier als beſondere Typen der Gattung Caryocrinus, die auf einem kurzen runden Stiele einen eichelför- migen Körper mit ſechs Armen und aus ſechs- ſeitigen Täfelchen gebildet trägt, die Actinocri- niden mit langer runder Säule, becherförmigem Körper, deſſen einzelne Täfelchen nur wenig zu- ſammenhalten, und langen mehrfach getheilten Armen, welche auf ihrer innern Seite eine große Menge ar- tikulirter aus einzelnen Kalkſtücken zuſammengeſetzter Anhänge tragen, ſo daß der Arm einigermaßen dem

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/161>, abgerufen am 04.05.2024.