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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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ten zeigen, welche wir auch in den Korallenriffen der Gegenwart beobachten.
An vielen Stellen bilden die jurassischen Korallenriffe wahre Atolls, hügel-
förmige Erhöhungen von höchstens 50 Fuß Mächtigkeit, die auf kieseligen
und sandsteinigen Schichten angebaut sind. Im Umkreise der Atolls zeigen
sich die Korallen -- im Innern aus feinem Schlamm gebildete Schich-
ten, die sich offenbar bei größerer Ruhe des Wassers ablagerten, mit
zahlreichen, Schlamm und Sand bewohnenden Muscheln, dünnschaligen
Seethieren und ähnlichen Meerbewohnern, welche ruhige Orte vor-
ziehen. An dem Fuße der von den Korallen gebildeten Mauer sieht man
Breccien- und Lumachellenkalke, die aus den Bruchstücken zer-
riebener und zerbrochener Schalen zusammen gebacken sind und offen-
bar als Resultate der den Atoll umwogenden Brandung sich darstellen.
Die Korallenstöcke selbst und die ihre Zwischenräume bewohnenden
Muscheln und Seelilien stehen senkrecht auf den Schichten, ein Beweis, daß
sie sich auf denselben als auf ihrem ursprünglichen Wohnsitze befinden.

Die Nahrung der lebenden Polypenthiere besteht offenbar aus
kleinen thierischen und pflanzlichen Partikelchen, welche durch die Strö-
mung ihnen zugeführt werden. Das Entfalten und Schließen ihrer
Arme, wie überhaupt ihre ganzen Lebenserscheinungen, sind meist
äußerst träge; doch bemerkt man deutlich Empfindlichkeit gegen das
Licht und gegen Berührungen oder Wasserströmungen, welche plötz-
liches Zurückziehen in die Zelle verursachen. Die Korallenstöcke selbst
dienen einer Unzahl von Muscheln, Schnecken, Würmern und Fischen
zum Wohnort und Schlupfwinkel und viele dieser Thiere nähren sich
auch von den Polypen, indem sie dieselben mit ihren scharfen Zungen und
Kiefern abkratzen oder auch die Zellen selbst zwischen den Zähnen zermalmen.

Die Eintheilung der Polypen in Ordnungen, Familien und Gat-
tungen hat besonders deßhalb viele Schwierigkeiten, weil man nur
von sehr wenigen Arten die Thiere und deren engeres Verhältniß zu
den Polypenstöcken genauer kennt. Wir begegnen deßhalb auch vielen
verschiedenen Versuchen, die aber alle nur zu unsicheren Resultaten
gelangten, indem sie entweder die fossilen Arten mit umfaßten und
dann einzig die Charaktere des Polypenstockes berücksichtigten, oder aber,
indem sie die Fossilen fern hielten, eine wesentliche Lücke ohne alle
Ausfüllung ließen. Wir nehmen als Basis der Eintheilung das Zah-
lengesetz, nach welchem die Fühler und Strahlen sich entwickeln, an und
indem wir zugleich nach einem allgemeinen Naturgesetze die socialen
Formen für die niedriger stehenden, die freien für höher entwickelt an-
sehen, erhalten wir folgende drei Ordnungen, die alle sehr zahlreich
in allen Schichten der Erde vertreten sind.


ten zeigen, welche wir auch in den Korallenriffen der Gegenwart beobachten.
An vielen Stellen bilden die juraſſiſchen Korallenriffe wahre Atolls, hügel-
förmige Erhöhungen von höchſtens 50 Fuß Mächtigkeit, die auf kieſeligen
und ſandſteinigen Schichten angebaut ſind. Im Umkreiſe der Atolls zeigen
ſich die Korallen — im Innern aus feinem Schlamm gebildete Schich-
ten, die ſich offenbar bei größerer Ruhe des Waſſers ablagerten, mit
zahlreichen, Schlamm und Sand bewohnenden Muſcheln, dünnſchaligen
Seethieren und ähnlichen Meerbewohnern, welche ruhige Orte vor-
ziehen. An dem Fuße der von den Korallen gebildeten Mauer ſieht man
Breccien- und Lumachellenkalke, die aus den Bruchſtücken zer-
riebener und zerbrochener Schalen zuſammen gebacken ſind und offen-
bar als Reſultate der den Atoll umwogenden Brandung ſich darſtellen.
Die Korallenſtöcke ſelbſt und die ihre Zwiſchenräume bewohnenden
Muſcheln und Seelilien ſtehen ſenkrecht auf den Schichten, ein Beweis, daß
ſie ſich auf denſelben als auf ihrem urſprünglichen Wohnſitze befinden.

Die Nahrung der lebenden Polypenthiere beſteht offenbar aus
kleinen thieriſchen und pflanzlichen Partikelchen, welche durch die Strö-
mung ihnen zugeführt werden. Das Entfalten und Schließen ihrer
Arme, wie überhaupt ihre ganzen Lebenserſcheinungen, ſind meiſt
äußerſt träge; doch bemerkt man deutlich Empfindlichkeit gegen das
Licht und gegen Berührungen oder Waſſerſtrömungen, welche plötz-
liches Zurückziehen in die Zelle verurſachen. Die Korallenſtöcke ſelbſt
dienen einer Unzahl von Muſcheln, Schnecken, Würmern und Fiſchen
zum Wohnort und Schlupfwinkel und viele dieſer Thiere nähren ſich
auch von den Polypen, indem ſie dieſelben mit ihren ſcharfen Zungen und
Kiefern abkratzen oder auch die Zellen ſelbſt zwiſchen den Zähnen zermalmen.

Die Eintheilung der Polypen in Ordnungen, Familien und Gat-
tungen hat beſonders deßhalb viele Schwierigkeiten, weil man nur
von ſehr wenigen Arten die Thiere und deren engeres Verhältniß zu
den Polypenſtöcken genauer kennt. Wir begegnen deßhalb auch vielen
verſchiedenen Verſuchen, die aber alle nur zu unſicheren Reſultaten
gelangten, indem ſie entweder die foſſilen Arten mit umfaßten und
dann einzig die Charaktere des Polypenſtockes berückſichtigten, oder aber,
indem ſie die Foſſilen fern hielten, eine weſentliche Lücke ohne alle
Ausfüllung ließen. Wir nehmen als Baſis der Eintheilung das Zah-
lengeſetz, nach welchem die Fühler und Strahlen ſich entwickeln, an und
indem wir zugleich nach einem allgemeinen Naturgeſetze die ſocialen
Formen für die niedriger ſtehenden, die freien für höher entwickelt an-
ſehen, erhalten wir folgende drei Ordnungen, die alle ſehr zahlreich
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[117/0123] ten zeigen, welche wir auch in den Korallenriffen der Gegenwart beobachten. An vielen Stellen bilden die juraſſiſchen Korallenriffe wahre Atolls, hügel- förmige Erhöhungen von höchſtens 50 Fuß Mächtigkeit, die auf kieſeligen und ſandſteinigen Schichten angebaut ſind. Im Umkreiſe der Atolls zeigen ſich die Korallen — im Innern aus feinem Schlamm gebildete Schich- ten, die ſich offenbar bei größerer Ruhe des Waſſers ablagerten, mit zahlreichen, Schlamm und Sand bewohnenden Muſcheln, dünnſchaligen Seethieren und ähnlichen Meerbewohnern, welche ruhige Orte vor- ziehen. An dem Fuße der von den Korallen gebildeten Mauer ſieht man Breccien- und Lumachellenkalke, die aus den Bruchſtücken zer- riebener und zerbrochener Schalen zuſammen gebacken ſind und offen- bar als Reſultate der den Atoll umwogenden Brandung ſich darſtellen. Die Korallenſtöcke ſelbſt und die ihre Zwiſchenräume bewohnenden Muſcheln und Seelilien ſtehen ſenkrecht auf den Schichten, ein Beweis, daß ſie ſich auf denſelben als auf ihrem urſprünglichen Wohnſitze befinden. Die Nahrung der lebenden Polypenthiere beſteht offenbar aus kleinen thieriſchen und pflanzlichen Partikelchen, welche durch die Strö- mung ihnen zugeführt werden. Das Entfalten und Schließen ihrer Arme, wie überhaupt ihre ganzen Lebenserſcheinungen, ſind meiſt äußerſt träge; doch bemerkt man deutlich Empfindlichkeit gegen das Licht und gegen Berührungen oder Waſſerſtrömungen, welche plötz- liches Zurückziehen in die Zelle verurſachen. Die Korallenſtöcke ſelbſt dienen einer Unzahl von Muſcheln, Schnecken, Würmern und Fiſchen zum Wohnort und Schlupfwinkel und viele dieſer Thiere nähren ſich auch von den Polypen, indem ſie dieſelben mit ihren ſcharfen Zungen und Kiefern abkratzen oder auch die Zellen ſelbſt zwiſchen den Zähnen zermalmen. Die Eintheilung der Polypen in Ordnungen, Familien und Gat- tungen hat beſonders deßhalb viele Schwierigkeiten, weil man nur von ſehr wenigen Arten die Thiere und deren engeres Verhältniß zu den Polypenſtöcken genauer kennt. Wir begegnen deßhalb auch vielen verſchiedenen Verſuchen, die aber alle nur zu unſicheren Reſultaten gelangten, indem ſie entweder die foſſilen Arten mit umfaßten und dann einzig die Charaktere des Polypenſtockes berückſichtigten, oder aber, indem ſie die Foſſilen fern hielten, eine weſentliche Lücke ohne alle Ausfüllung ließen. Wir nehmen als Baſis der Eintheilung das Zah- lengeſetz, nach welchem die Fühler und Strahlen ſich entwickeln, an und indem wir zugleich nach einem allgemeinen Naturgeſetze die ſocialen Formen für die niedriger ſtehenden, die freien für höher entwickelt an- ſehen, erhalten wir folgende drei Ordnungen, die alle ſehr zahlreich in allen Schichten der Erde vertreten ſind.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/123>, abgerufen am 27.11.2024.