wissen Tiefe anbauen können, daß aber die der See zugekehrten Seiten der Korallenriffe oft eine fast senkrechte Mauer von mehreren hundert Faden Tiefe bilden, aus deren Tiefe das Senkblei nur todte Bruch- stücke hervorbringt, vergleicht man mit dieser Eigenthümlichkeit der Korallenthiere die verschiedenen Arten der von ihnen gebauten Riffe, welche allmählig in einander übergehen, so ergiebt sich die Erklärung der Erscheinung im Großen in höchst einfacher Weise. Alle Korallen- thiere haben sich sicher in der Nähe der Küsten in solcher Tiefe ange- setzt, wie dies ihre Lebensbedingungen ihnen vorschrieben und haben so ursprünglich Küstenriffe gebildet. Nun senkte sich der Boden allmählig langsam im Laufe von Jahrhunderten und bis zu einer solchen Tiefe, daß die untern Polypen abstarben. Die Polypen bau- ten nach oben fort, um die ihnen zukommende Höhe unter dem Mee- resspiegel zu behaupten. Die Korallenstöcke der todten Polypen dien- ten als fester Felsboden für die jüngeren Generationen. Indem der Boden sich immer mehr senkte, bildeten sich die Dammriffe und als er gänzlich verschwand, die Atolls aus, die also nur ringförmige Umkrei- sungen von Stücken festen Landes, von Inseln und Bergspitzen sind, welche im Laufe der Zeit unter die Oberfläche des Meeres sich hinabsenkten. So sind diese Werke so unscheinbarer Thierchen die unwidersprechlich- sten Zeugnisse für jene langsamen und allmähligen Veränderungen der Erdoberfläche, zu deren Erkenntniß die Mittel unserer Forschung sonst nicht hinreichen würden, und aus dem Vorhandensein der zahl- reichen Atolls und Lagunenriffe im stillen Ocean kann der sichere Be- weis entnommen werden, daß in der Gegend jenes Meeres einst weite Continente existirten, die sich allmählig unter die Oberfläche des Was- sers hinabsenkten und deren Spitzen nur noch als zerstreute Insel- gruppen hie und da aus der Tiefe hervorragen.
Die Klasse der Polypen ist in allen Schichten der Erde von der frühesten Zeit her bis auf die Gegenwart in äußerst zahlreichen und mannigfaltigen Formen vertreten. Doch waren in den Zeiten der Grauwacke und der Trias hauptsächlich mehr solche Formen entwickelt, welche rasenförmige Polypenstöcke bildeten, so daß die Masse der Po- lypen von nicht so bedeutendem Einfluß auf die Schichtbildung war. In der jurassischen Periode ändert sich dieses Verhältniß. Ueberall wo man noch den Jura angetroffen hat, in Frankreich, der Schweiz, Deutschland und England, also in Breiten, welche jetzt durchaus keine Riffe mehr zeigen, existirten damals außerordentlich ausgedehnte Korallen- riffe, welche theilweise zwar von der jetzigen abweichende Gattungen und gänzlich verschiedene Arten enthalten, sonst aber dieselben Eigenthümlichkei-
wiſſen Tiefe anbauen können, daß aber die der See zugekehrten Seiten der Korallenriffe oft eine faſt ſenkrechte Mauer von mehreren hundert Faden Tiefe bilden, aus deren Tiefe das Senkblei nur todte Bruch- ſtücke hervorbringt, vergleicht man mit dieſer Eigenthümlichkeit der Korallenthiere die verſchiedenen Arten der von ihnen gebauten Riffe, welche allmählig in einander übergehen, ſo ergiebt ſich die Erklärung der Erſcheinung im Großen in höchſt einfacher Weiſe. Alle Korallen- thiere haben ſich ſicher in der Nähe der Küſten in ſolcher Tiefe ange- ſetzt, wie dies ihre Lebensbedingungen ihnen vorſchrieben und haben ſo urſprünglich Küſtenriffe gebildet. Nun ſenkte ſich der Boden allmählig langſam im Laufe von Jahrhunderten und bis zu einer ſolchen Tiefe, daß die untern Polypen abſtarben. Die Polypen bau- ten nach oben fort, um die ihnen zukommende Höhe unter dem Mee- resſpiegel zu behaupten. Die Korallenſtöcke der todten Polypen dien- ten als feſter Felsboden für die jüngeren Generationen. Indem der Boden ſich immer mehr ſenkte, bildeten ſich die Dammriffe und als er gänzlich verſchwand, die Atolls aus, die alſo nur ringförmige Umkrei- ſungen von Stücken feſten Landes, von Inſeln und Bergſpitzen ſind, welche im Laufe der Zeit unter die Oberfläche des Meeres ſich hinabſenkten. So ſind dieſe Werke ſo unſcheinbarer Thierchen die unwiderſprechlich- ſten Zeugniſſe für jene langſamen und allmähligen Veränderungen der Erdoberfläche, zu deren Erkenntniß die Mittel unſerer Forſchung ſonſt nicht hinreichen würden, und aus dem Vorhandenſein der zahl- reichen Atolls und Lagunenriffe im ſtillen Ocean kann der ſichere Be- weis entnommen werden, daß in der Gegend jenes Meeres einſt weite Continente exiſtirten, die ſich allmählig unter die Oberfläche des Waſ- ſers hinabſenkten und deren Spitzen nur noch als zerſtreute Inſel- gruppen hie und da aus der Tiefe hervorragen.
Die Klaſſe der Polypen iſt in allen Schichten der Erde von der früheſten Zeit her bis auf die Gegenwart in äußerſt zahlreichen und mannigfaltigen Formen vertreten. Doch waren in den Zeiten der Grauwacke und der Trias hauptſächlich mehr ſolche Formen entwickelt, welche raſenförmige Polypenſtöcke bildeten, ſo daß die Maſſe der Po- lypen von nicht ſo bedeutendem Einfluß auf die Schichtbildung war. In der juraſſiſchen Periode ändert ſich dieſes Verhältniß. Ueberall wo man noch den Jura angetroffen hat, in Frankreich, der Schweiz, Deutſchland und England, alſo in Breiten, welche jetzt durchaus keine Riffe mehr zeigen, exiſtirten damals außerordentlich ausgedehnte Korallen- riffe, welche theilweiſe zwar von der jetzigen abweichende Gattungen und gänzlich verſchiedene Arten enthalten, ſonſt aber dieſelben Eigenthümlichkei-
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wiſſen Tiefe anbauen können, daß aber die der See zugekehrten Seiten
der Korallenriffe oft eine faſt ſenkrechte Mauer von mehreren hundert
Faden Tiefe bilden, aus deren Tiefe das Senkblei nur todte Bruch-
ſtücke hervorbringt, vergleicht man mit dieſer Eigenthümlichkeit der
Korallenthiere die verſchiedenen Arten der von ihnen gebauten Riffe,
welche allmählig in einander übergehen, ſo ergiebt ſich die Erklärung
der Erſcheinung im Großen in höchſt einfacher Weiſe. Alle Korallen-
thiere haben ſich ſicher in der Nähe der Küſten in ſolcher Tiefe ange-
ſetzt, wie dies ihre Lebensbedingungen ihnen vorſchrieben und haben
ſo urſprünglich Küſtenriffe gebildet. Nun ſenkte ſich der Boden
allmählig langſam im Laufe von Jahrhunderten und bis zu einer
ſolchen Tiefe, daß die untern Polypen abſtarben. Die Polypen bau-
ten nach oben fort, um die ihnen zukommende Höhe unter dem Mee-
resſpiegel zu behaupten. Die Korallenſtöcke der todten Polypen dien-
ten als feſter Felsboden für die jüngeren Generationen. Indem der
Boden ſich immer mehr ſenkte, bildeten ſich die Dammriffe und als er
gänzlich verſchwand, die Atolls aus, die alſo nur ringförmige Umkrei-
ſungen von Stücken feſten Landes, von Inſeln und Bergſpitzen ſind, welche
im Laufe der Zeit unter die Oberfläche des Meeres ſich hinabſenkten.
So ſind dieſe Werke ſo unſcheinbarer Thierchen die unwiderſprechlich-
ſten Zeugniſſe für jene langſamen und allmähligen Veränderungen
der Erdoberfläche, zu deren Erkenntniß die Mittel unſerer Forſchung
ſonſt nicht hinreichen würden, und aus dem Vorhandenſein der zahl-
reichen Atolls und Lagunenriffe im ſtillen Ocean kann der ſichere Be-
weis entnommen werden, daß in der Gegend jenes Meeres einſt weite
Continente exiſtirten, die ſich allmählig unter die Oberfläche des Waſ-
ſers hinabſenkten und deren Spitzen nur noch als zerſtreute Inſel-
gruppen hie und da aus der Tiefe hervorragen.
Die Klaſſe der Polypen iſt in allen Schichten der Erde von der
früheſten Zeit her bis auf die Gegenwart in äußerſt zahlreichen und
mannigfaltigen Formen vertreten. Doch waren in den Zeiten der
Grauwacke und der Trias hauptſächlich mehr ſolche Formen entwickelt,
welche raſenförmige Polypenſtöcke bildeten, ſo daß die Maſſe der Po-
lypen von nicht ſo bedeutendem Einfluß auf die Schichtbildung war.
In der juraſſiſchen Periode ändert ſich dieſes Verhältniß. Ueberall wo
man noch den Jura angetroffen hat, in Frankreich, der Schweiz,
Deutſchland und England, alſo in Breiten, welche jetzt durchaus keine
Riffe mehr zeigen, exiſtirten damals außerordentlich ausgedehnte Korallen-
riffe, welche theilweiſe zwar von der jetzigen abweichende Gattungen und
gänzlich verſchiedene Arten enthalten, ſonſt aber dieſelben Eigenthümlichkei-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/122>, abgerufen am 27.11.2024.
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