bilden. Die eigentliche Zone der Korallenriffe beginnt am 30ten Grade nördlicher Breite und hört fast gänzlich unterhalb des 25ten Grades südlicher Breite auf, so daß sie also eine Art Gürtel um die Erde bildet, der mit dem Aequator parallel läuft. Felsboden begünstigt be- sonders ihre Entwickelung, während Schlamm und Sand ihnen hinder- lich ist. In der genannten Ausdehnung aber sind ungeheure Strecken von den Productionen der Polypen überdeckt und wenn man die Ge- schichte der Erde näher untersucht, so findet man, daß früher die Ko- rallenthiere und ihre Riffe eine weit größere Ausdehnung besaßen und daß mächtige Gebirgszüge zum großen Theile von ihnen auferbaut sind.
An den seichten Stellen der südlichen Meere rudert der Seefahrer oft über weite Strecken hin, deren Farbenpracht mit den schönsten Tin- ten unserer Gegenden im Herbste wetteifert. Durch das durchsichtige Wasser schimmern die prächtigsten Abstufungen von Grün, Gelb und Roth hindurch, die augenblicklich einem eintönigen Grau Platz machen, sobald das Schleppnetz ausgeworfen oder das Wasser stärker beunru- higt wird. Das Netz bringt aus der Tiefe steinige Aeste oder Knollen hervor, welche einen grauen schleimigen Ueberzug zeigen. Die Polypen, die äußerst empfindlich gegen Berührung oder Wasserströmungen sind, haben sich sämmtlich in ihre Zellen zurückgezogen, so daß die Stöcke nur die kalkige Masse zeigen. Legt man aber die Stücke in's Wasser und läßt sie darin ruhig, so entfalten sich allmählig wieder die Poly- pen, die besonders an ihren Fühlern jene lebhaften Farben zeigen. Längeres Verweilen außer dem Wasser tödtet die Polypen unausbleib- lich, weshalb sie denn auch niemals über eine gewisse Höhegränze sich ansiedeln, die bei stillen Gewässern etwa 4 bis 6 Fuß unter dem Stande der Ebbe sich hält. Ebenso behaupten diejenigen Gattungen, welche besonders die Korallenriffe bilden, hinsichtlich der Tiefe eine gewisse Gränzlinie unter welcher sie sich nicht ansiedeln. So hat man in dem rothen Meere beobachtet, daß alle Korallen, welche man aus mehr als 9 Faden Tiefe hervorzog, nur todte Bruchstücke waren und 20 Faden dürfte überall als die größte Tiefe angesehen werden, in welcher sich noch lebende Korallen ansiedeln, obgleich man aus weit bedeuten- derer Tiefe lebende Polypen hervorgezogen hat, die aber nur kleine Bäumchen, keine großen steinigen Massen bilden. Die Bildung der Korallenriffe selbst hat manches Eigenthümliche. Die ältern Seefahrer im stillen Ocean waren schon betroffen von der eigenthümlichen, meist kreisförmigen Gestalt der einzelnen Inseln, welche oft in ihrem Innern einen stillen See, eine Lagune umschlossen, die nur einige Zugänge durch das schmale Riff zeigte, welches den Kreis der Insel ausmachte.
bilden. Die eigentliche Zone der Korallenriffe beginnt am 30ten Grade nördlicher Breite und hört faſt gänzlich unterhalb des 25ten Grades ſüdlicher Breite auf, ſo daß ſie alſo eine Art Gürtel um die Erde bildet, der mit dem Aequator parallel läuft. Felsboden begünſtigt be- ſonders ihre Entwickelung, während Schlamm und Sand ihnen hinder- lich iſt. In der genannten Ausdehnung aber ſind ungeheure Strecken von den Productionen der Polypen überdeckt und wenn man die Ge- ſchichte der Erde näher unterſucht, ſo findet man, daß früher die Ko- rallenthiere und ihre Riffe eine weit größere Ausdehnung beſaßen und daß mächtige Gebirgszüge zum großen Theile von ihnen auferbaut ſind.
An den ſeichten Stellen der ſüdlichen Meere rudert der Seefahrer oft über weite Strecken hin, deren Farbenpracht mit den ſchönſten Tin- ten unſerer Gegenden im Herbſte wetteifert. Durch das durchſichtige Waſſer ſchimmern die prächtigſten Abſtufungen von Grün, Gelb und Roth hindurch, die augenblicklich einem eintönigen Grau Platz machen, ſobald das Schleppnetz ausgeworfen oder das Waſſer ſtärker beunru- higt wird. Das Netz bringt aus der Tiefe ſteinige Aeſte oder Knollen hervor, welche einen grauen ſchleimigen Ueberzug zeigen. Die Polypen, die äußerſt empfindlich gegen Berührung oder Waſſerſtrömungen ſind, haben ſich ſämmtlich in ihre Zellen zurückgezogen, ſo daß die Stöcke nur die kalkige Maſſe zeigen. Legt man aber die Stücke in’s Waſſer und läßt ſie darin ruhig, ſo entfalten ſich allmählig wieder die Poly- pen, die beſonders an ihren Fühlern jene lebhaften Farben zeigen. Längeres Verweilen außer dem Waſſer tödtet die Polypen unausbleib- lich, weshalb ſie denn auch niemals über eine gewiſſe Höhegränze ſich anſiedeln, die bei ſtillen Gewäſſern etwa 4 bis 6 Fuß unter dem Stande der Ebbe ſich hält. Ebenſo behaupten diejenigen Gattungen, welche beſonders die Korallenriffe bilden, hinſichtlich der Tiefe eine gewiſſe Gränzlinie unter welcher ſie ſich nicht anſiedeln. So hat man in dem rothen Meere beobachtet, daß alle Korallen, welche man aus mehr als 9 Faden Tiefe hervorzog, nur todte Bruchſtücke waren und 20 Faden dürfte überall als die größte Tiefe angeſehen werden, in welcher ſich noch lebende Korallen anſiedeln, obgleich man aus weit bedeuten- derer Tiefe lebende Polypen hervorgezogen hat, die aber nur kleine Bäumchen, keine großen ſteinigen Maſſen bilden. Die Bildung der Korallenriffe ſelbſt hat manches Eigenthümliche. Die ältern Seefahrer im ſtillen Ocean waren ſchon betroffen von der eigenthümlichen, meiſt kreisförmigen Geſtalt der einzelnen Inſeln, welche oft in ihrem Innern einen ſtillen See, eine Lagune umſchloſſen, die nur einige Zugänge durch das ſchmale Riff zeigte, welches den Kreis der Inſel ausmachte.
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bilden. Die eigentliche Zone der Korallenriffe beginnt am 30ten Grade
nördlicher Breite und hört faſt gänzlich unterhalb des 25ten Grades
ſüdlicher Breite auf, ſo daß ſie alſo eine Art Gürtel um die Erde
bildet, der mit dem Aequator parallel läuft. Felsboden begünſtigt be-
ſonders ihre Entwickelung, während Schlamm und Sand ihnen hinder-
lich iſt. In der genannten Ausdehnung aber ſind ungeheure Strecken
von den Productionen der Polypen überdeckt und wenn man die Ge-
ſchichte der Erde näher unterſucht, ſo findet man, daß früher die Ko-
rallenthiere und ihre Riffe eine weit größere Ausdehnung beſaßen und
daß mächtige Gebirgszüge zum großen Theile von ihnen auferbaut ſind.
An den ſeichten Stellen der ſüdlichen Meere rudert der Seefahrer
oft über weite Strecken hin, deren Farbenpracht mit den ſchönſten Tin-
ten unſerer Gegenden im Herbſte wetteifert. Durch das durchſichtige
Waſſer ſchimmern die prächtigſten Abſtufungen von Grün, Gelb und
Roth hindurch, die augenblicklich einem eintönigen Grau Platz machen,
ſobald das Schleppnetz ausgeworfen oder das Waſſer ſtärker beunru-
higt wird. Das Netz bringt aus der Tiefe ſteinige Aeſte oder Knollen
hervor, welche einen grauen ſchleimigen Ueberzug zeigen. Die Polypen,
die äußerſt empfindlich gegen Berührung oder Waſſerſtrömungen ſind,
haben ſich ſämmtlich in ihre Zellen zurückgezogen, ſo daß die Stöcke
nur die kalkige Maſſe zeigen. Legt man aber die Stücke in’s Waſſer
und läßt ſie darin ruhig, ſo entfalten ſich allmählig wieder die Poly-
pen, die beſonders an ihren Fühlern jene lebhaften Farben zeigen.
Längeres Verweilen außer dem Waſſer tödtet die Polypen unausbleib-
lich, weshalb ſie denn auch niemals über eine gewiſſe Höhegränze ſich
anſiedeln, die bei ſtillen Gewäſſern etwa 4 bis 6 Fuß unter dem
Stande der Ebbe ſich hält. Ebenſo behaupten diejenigen Gattungen,
welche beſonders die Korallenriffe bilden, hinſichtlich der Tiefe eine
gewiſſe Gränzlinie unter welcher ſie ſich nicht anſiedeln. So hat man
in dem rothen Meere beobachtet, daß alle Korallen, welche man aus
mehr als 9 Faden Tiefe hervorzog, nur todte Bruchſtücke waren und 20
Faden dürfte überall als die größte Tiefe angeſehen werden, in welcher
ſich noch lebende Korallen anſiedeln, obgleich man aus weit bedeuten-
derer Tiefe lebende Polypen hervorgezogen hat, die aber nur kleine
Bäumchen, keine großen ſteinigen Maſſen bilden. Die Bildung der
Korallenriffe ſelbſt hat manches Eigenthümliche. Die ältern Seefahrer
im ſtillen Ocean waren ſchon betroffen von der eigenthümlichen, meiſt
kreisförmigen Geſtalt der einzelnen Inſeln, welche oft in ihrem Innern
einen ſtillen See, eine Lagune umſchloſſen, die nur einige Zugänge
durch das ſchmale Riff zeigte, welches den Kreis der Inſel ausmachte.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/120>, abgerufen am 28.11.2024.
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